Los Angeles – Im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen dominiert die männliche Form, auch wenn nicht nur Männer gemeint sind. Das zeigt sich etwa bei den Mehrzahlbildungen: Wenn hier von "Wissenschaftern" die Rede ist, sind meist Wissenschafterinnen mitgemeint; Leserinnen und Leser denken aber vermutlich an männliche Vertreter dieser Berufsgruppe.

Um diese Schieflage mit den Mitteln der Sprache auszugleichen, wurde hierzulande etwa das Binnen-I eingeführt, das bis heute für erregte Diskussionen sorgt. Im Schwedischen ging man noch weiter: Seit 2015 gibt es die Wortneuschöpfung "hen" als ungeschlechtliches (also auch nichtsächliches) Ersatzpersonalpronomen statt "han" (er) und "hon" (sie).

Test mit einer Kunstfigur

Die US-Forscherin Margit Tavits (Washington University in St. Louis) und ihr Kollege Efrén Pérez (University of California in Los Angeles) untersuchten die Folgen und Effekte dieser Sprachänderung und machten dazu mit 3.393 Schwedinnen und Schweden einige Tests. Dazu legten die Wissenschafterin und der Wissenschafter den Probanden zuerst einmal folgende Zeichnung vor, die eine androgyne Figur mit einem Hund an der Leine zeigt:

Illustration: PNAS

Die Probanden wurden zufällig in drei Gruppen eingeteilt und gebeten, den Inhalt der Illustration in Worte zu fassen. Einer der drei Gruppen wurde aufgetragen, dass sie nur neutrale Pronomen verwenden sollte, eine andere durfte nur weibliche verwenden und die dritte nur männliche. Danach wurden die Freiwilligen ersucht, eine kurze Geschichte über eine Person zu schreiben, die keinen Namen oder Geschlecht hat und für ein politisches Amt kandidiert. Im dritten und letzten Teil beantworteten die Probanden einige Fragen, die Aufschlüsse über ihre Ansichten über Frauen und LGBTQIA+-Personen geben sollten.

Bekämpfung männlicher Vorurteile

Wie sich zeigte, waren diejenigen, die geschlechtsneutrale Pronomen für die Cartoon-Aufgabe verwendeten, eher bereit, nichtmännliche Namen in ihrer Kurzgeschichte zu verwenden. Das geschlechtsneutrale Pronomen schien auch die positiven Gefühle gegenüber LGBTQIA+-Menschen zu verbessern. Das Pronomen "hen", so schließen die Forscher im Fachblatt "PNAS", habe dazu beigetragen, mentale Vorurteile zu bekämpfen, die Männer begünstigten, und dazu, das Bewusstsein für andere Geschlechtsidentitäten zu schärfen.

Sabine Sczesny, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Bern, die nicht an der Studie beteiligt war, hält die Untersuchung in der Zeitung "Guardian" für einen weiteren Beweis dafür, dass die Verwendung einer geschlechtsspezifischen Sprache Geschlechterverzerrungen tatsächlich reduzieren und zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und LGBTQIA+-Akzeptanz und Toleranz beitragen könne.

Die Studie widerlegte zudem ein weiteres Vorurteil, das dem Gendern entgegengebracht wird: Jene Probanden, die Fragebögen in der geschlechtsneutralen Sprache ausfüllten, brauchten dafür nicht mehr Zeit als die beiden anderen Gruppen. (Klaus Taschwer, 9.8.2019)