Das Meer löst bei Schriftstellern verschiedenste Assoziationen aus.

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MEIN ERSTES RICHTIGES MEER

Über die Unterschiede von Nord- und Ostsee – und das Mittelmeer

Als ich klein war, gab es zwei optionale Glaubensfragen, was das Meer betraf, es gab die Ostsee und die Nordsee, jeweils gleich große Gruppen machten an den jeweiligen Meeren Urlaub, während nie gefragt wurde, warum die Nordsee nicht eigentlich korrekterweise Westsee heißt, und das Gegenstück zur Nordsee, die Südsee, so weit weg war, dass man sie sich nicht mal als Gegenstück herzudenken in der Lage war. Und die Gewässer wurden auch nicht Meer genannt, sondern See, man fuhr an die See, so als sei die See die große, mächtige Schwester von dem See.

Ist die See nur eine Vorstufe von dem Meer? Man fuhr zur See, man fuhr übers Meer, ich wollte klarerweise Seemann werden und bin es auch fast geworden, als ich meinen Militärdienst auf Sylt absolvierte, 15 sinnlose Monate als Bremsschirmpacker in einem Marinefliegergeschwader, also knapp daneben, zur See zu fahren.

Sylt ist Nordsee, die Insel Föhr auch, auf der ich als Sechsjähriger sechs Wochen meinenKeuchhusten kurieren sollte, die Kinder alle dünn wie Striche, jede Nacht wurde das ausgekotzt, was wir tagsüber an fett- und zuckerreicher Nahrung zu uns nahmen, womit man uns mästete. Urlaub machten wir aber an der Ostsee, auch noch in der DDR, einem herrlich kaputten, improvisierten Land mit Spielzeugautos. Und da fiel mir der Unterschied zwischen Nord- und Ostsee auf, die Nordsee war offenbar rauer, böser, die Ostsee gemütlicher, heiße, duftende Kiefernwälder bis fast zum Strand, an dem man Bernsteine fand, das Wasser war auch nicht so salzig wie jenes der Nordsee, Ostsee weich, Nordsee hart, selbst die Nordseequallen schienen mir aggressiver als die der Ostsee, die doch nur spielen wollten. Nordsee ist Mordsee, der Film meiner Jugend, die Flucht mit einem kleinen Boot elbabwärts, Uwe Bohm und Dschingis Bowakow hätten und haben es nicht geschafft.

Wassermassen hielten mich nach unten

Mein erstes richtiges Meer war dann das noch salzigere Mittelmeer, und das war auch nicht nett zu mir, das war in Griechenland, auf der abgelegenen und irgendwie auch ostischen Insel Samothraki, dort bin ich ertrunken, dort hab ich gefühlt, was Sterben ist, die Kraft einer unsichtbaren, gemeinen Unterströmung hatte mich von einer Sekunde auf die andere 20 Meter weit mit hinausgenommen, ich wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war, wohin ich schwimmen sollte, Wassermassen hielten mich nach unten gedrückt, um mich weiße Gischt wie in einer Waschmaschine, undurchsichtig und voller aufgewirbelter Steine, von innen drückte es gegen meine panisch weit aufgerissenen Augen, kurz war ich davor, Salzwasser einzuatmen, eine gnädige Welle spuckte mich aber an den Strand zurück, genauso gut hätte mich ihre Schwester, eine ungnädige Welle, noch mal 20 Meter und dann weitere 20 Meter rausziehen können, ich lag am Strand, blutend, kotzend und weinend und war einen Lidschlag davor dem Tod so nahe wie nie zuvor in meinem Leben gewesen, von da an war das Meernoch böser als die bösen Quallen der Nordsee, noch hoffnungsloser als das stupide Bremsschirmpacken auf Sylt und noch einsamer als das Kinderheim auf Föhr mit lauter hustenden und kotzenden Kindern. Ich misstraue dem Meer.

Tex Rubinowitz ist Zeichner, Maler und Schriftsteller. Er lebt seit 1984 in Wien. 2014 gewann er den Bachmann-Preis. Zuletzt erschien von ihm 2017 sein Roman "Lass mich nicht allein mit ihr" (Rowohlt).

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TÜRKISE WASSER

"Geh leck!", schreit der Message-Controller begeistert: "Das gibt wieder geile Fotos auf Insta! "

Es begab sich am 47. Tag vor der Nationalratswahl im Jahre MMXIX am Strand zu Jesolo, dass der Messias auch die faulen Wiener für seine Bewegung begeistern wollte, z. B. den Shorty, den sprichwörtlich kleinen Mann, der sich das ganze Jahr über zwölf Stunden am Tag den Buckel krummgearbeitet hat für den Investor, es ist nämlich so: Geht's dem Investor gut, geht's dem Messias gut! Und dessen gestückelte Parteispenden werden jetzt auch gleich in eine geile Wahlkampfshow investiert, "Da schaut's her, Leutl!"

Das Wasser der oberen Adria färbt sich überraschend türkis, als der Joschi endlich unterm Sonnenschirm Platz nimmt, dritte Reihe, er will seine Ruhe. Bis jetzt war sein Urlaub nämlich kein Bringer: Der Chiantiwein vom lokalen Lidl ist kein Veltliner, und die Donatella, die er eigentlich pimpern wollte, hat sich als Danatello herausgestellt und ihm das Brieftascherl gefladert. Wenn also nicht doch noch was Geiles passiert, dann wählt er in 47 Tagen wieder blau!

Die drei großbusigen Ausseerinnen, die der Message-Controller vom Messias zusammen mit einer Blasmusik – Tschinntarassabumm – den Strand herunterwackeln lässt, wären schon einmal sechs gute Gründe, ihn zu wählen, aber passt's auf, Leutl: Wer ist denn das, der da auf einmal im Gegenlicht der sich langsam senkenden Adriasonne zwanzig Meter vom Strand entfernt am Himmel hängt? Gehalten nur von einem Kite-Schirm und der Kraft seiner Herrlichkeit? In einer slimfitten Badehose von der Gexi Tostmann, an welcher wiederum ein Transparent befestigt ist, das allen deutlich sagt, wer er ist: ICH BIN DER ICH BIN. (2. Buch Mose, 3,14, darunter tut er es ja nicht mehr). Das ist der neue Slogan für die Campaign, weil mit der Spende vom Investor natürlich auch ordentlich Brainpower angekauft werden konnte.

Shorty an der oberen Adria

Den Shorty hat er damit schon fast auf seiner Seite, erst recht, als wirklich überraschend – also echt: so eine Überraschung! – die blonde sechsjährige Linda mit einem Lodennixenschwanzerl hinten dran aus dem Wasser steigt und darauf wartet, dem Messias einen Fanbrief überreichen zu können, sobald er gelandet ist, auf Italienisch. "Geh leck!", schreit der Message-Controller begeistert: "Das gibt wieder geile Fotos auf Insta!" Auf einmal fährt dem Messias eine heiße Böe, die sich außerkontrollmäßig von der Balkanroute herüberverirrt haben muss, in die Aerodynamik, und es haut ihn Haarprodukte voran in den Adriasand. Genau neben die Linda, die weinend ins Wasser rennt und schön langsam ein bisserl die Schnauze voll hat von dem ganzen Scheiß, sie will endlich wieder Kind sein dürfen: "Alles lieber, als mit dem Messias fotografiert werden!", schreit sie auf Latein, was für den Message-Controller aber noch nicht das Schlimmste ist.

Denn ausgerechnet ein "Vu cumprà"-Neger kommt jetzt daher, ein fliegender Händler aus Afrika, der sogar auf dem Boden deutlich besser fliegen kann als der Messias in der Luft, und hilft ihm auf. Also hektische Frage vom Message-Controller an die Crowd: "Könnts ihr faulen Wiener vielleicht endlich eure Phones ins Wasser schmeißen und aufhören, eure Fake-Bilder vom Messias in die Welt zu schicken?" Allerdings leider zu spät! Der Shorty hat schon ein besonders schönes. Und wie er es uploadet, denkt er sich: "Wer ist jetzt eigentlich von uns der Shorty? Der Messias oder ich?"

Manfred Rebhandl lebt als Autor in Wien. Er schreibt Krimis, Drehbücher und Reportagen für den STANDARD. Zuletzt erschien von ihm "Biermösel. Die Kultkrimis in einem Band" (Haymon).

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WO WIR BODEN VERLIEREN

Warm, knietief, ein Planschbecken – trotzdem: Das Meer ist immer auch die Angst vor dem Meer.

Die Kindheit ist eine Seenadel. Gefangen, in der Sonne getrocknet und in Form gezogen. Dass sie dabei stirbt, nehmen wir grausam in Kauf. Dabei war sie fröhlich.

Am Zeugnistag steigt die gesamte Familie in den Lancia Beta: am Steuer die Mutter, daneben der Vater, hinten Nonna und Nonno, dazwischen das Kind. Im dichten Nikotinnebel erreichen wir die Grenze, dann endlich klart es auf – das Meer! Barfuß hineinstürzen. Zweieinhalb Monate lang wird die Fremde die Schuhe nicht mehr anziehen, spielend laufen auf den Kieseln mit gegerbten Sohlen eine Einheimische werden.

Das Meer ist ein freundliches: warm, knietief, ein Planschbecken für stundenlanges Ballspielen und Räderschlagen auf weichem, sandigem Grund. Taucherbrillen, die von den Rändern her anlaufen, die Spucke zieht Fäden. Der Schnorchel schmeckt nach altem, blauem Plastik. Die Flossen sind in einem Jahr zu groß, im nächsten schon zu eng. Die Schwimmflügel vergessen. Die Eingeborenen kraulen nicht, sie stehen im Wasser und machen ein Schwätzchen. Sie beobachten dabei die Kinder, damit keines verlorengeht. Aber nur aus den Augenwinkeln.

Luftmatratzen, Bastmatten, Schlauchboote, Kühltaschen, Sandspielzeug, alles tanzt zum Strand und wieder zurück, ein endloses Sommerballett der Liegen, Betten, Klappstühle, Fischernetze, Handtücher, Sonnencremen, Muscheln, Eislutscherstäbchen, silbern reflektierenden Bräunungsmatten, darauf Olivenöl und einen Schuss Zitrone. Ja, es ist auch salzig, wenn eine versonnen an sich leckt.

Der Gezeitenkalender, das wichtigste Instrument der Mutter

Die Haare stehen vom Kopf wie ein pelziger Helm, immer heller werden sie, sich der Farbe des Salzes annähernd. Duschen ist nicht. Die Regeln des Alltags ausgesetzt, kein Montag, kein Dienstag, kein Mittwoch mehr, nur das Meer. Sein Rhythmus gibt den Ton an, Vormittage, Nachmittage plätschern dahin, es zählen Ebbe und Flut. Der Gezeitenkalender, das wichtigste Instrument der Mutter, ihre Uhr. Denn das Meer steht nicht, lungert nicht herum, liegt nicht, schläft nicht. Es atmet. Selbst an dieser lächerlichen Küste, wo der Tidenhub meist zwischen hüfthoch und brusttief schwankt, kann das Meer auch anders, zeigt, dass es Teil eines größeren Ganzen ist.

Bei Vollmond schwillt es über die Mole, unheimlich glucksend. In Allianz mit dem Wintersturm, sie sind ein eingespieltes Paar, wirft es kirchturmgroße Stämme an den Strand. Es ist nicht harmlos wie der See, der still in seinem Becken ruht. Während dieser nur antäuscht, manchmal kummervoll die Stirn kräuselt wie ein beleidigter Teenager, macht das Meer Ernst. Es wird uns verschlingen.

Das Meer ist immer auch die Angst vor dem Meer. Schwarzer, uneinsehbarer Grund, dort, wo wir den Boden verlieren, nach Luft japsen, unseren letzten Atemzug tun, untergehen. Aber es ist auch das Jauchzen im Sturm, ganz vorn an der Reling, wo sich das Schiff – Aeolus sei Dank – meterhoch hebt und einen Augenblick, einen köstlichen Augenblick lang steht, bevor es fällt.

Tanja Paar ist Schriftstellerin. 2018 erschien ihr Roman "Die Unversehrten" bei Haymon. Sie lebt in Wien und Triest.

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BODENLOSES BLAU

Bei meinem ersten Tauchgang an einem kalten Maimorgen verschlug es mir den Atem.

Als Kind liebte ich das Meer bedingungslos. Ich hatte überhaupt keine Angst. Als Tochter begeisterter Taucher in Zeiten, als das Tauchen noch nicht breitensporttauglich war (meine Eltern tauchten noch mit "Klodeckel", tarierten mit nichts als Atemluft und filmten auf Super 8) lernte ich zeitgleich mit dem Schwimmen das Schnorcheln: in der Karibik, im Indischen Ozean und im Roten Meer. Ich fürchtete weder Tiefe noch Haie oder Strömungen. Während sich die Eltern unter uns im Blau verloren, schaukelten mein Bruder und ich arglos auf dem Wasser und tröteten oder röhrten einander durch den Schnorchel zu, was es gerade Tolles zu sehen gab. Gefährlich war allein die Sonne, weswegen wir immer in Leiberl und Hose schwammen.

Dann wurde es dunkel. Mein Notaufstieg war unkontrolliert

Als ich in meinen frühen Zwanzigern mit Sporttauchen begann, hoffte ich auf meeresbiologische Entdeckungen und geteilte Begeisterung – aber es überwog das Technische. Der unsympathische Tauchlehrer mit Schnauzer und Kugelfischbauch unterrichtete lustvoll das Instrumentarium und seine Tücken sowie Gesundheitsrisiken: Stickstoffnarkose! Stimmritzenkrampf! Lungenpatschen! Bei meinem ersten Tauchgang an einem kalten Maimorgen verschlug es mir den Atem. Ich war in eine frauenarme Blase aus wichtigtuerischen Technikfreaks geraten, die mit Tieftauchrekorden prahlten, aber heimlich in ihre Neoprenanzüge brunzten. Dieses fischige, eisige Wasser im Gesicht, und wie es in den Anzug kroch! Tropische Meere hatten mich für heimische Gewässer verdorben. Kein einziger Fisch, dafür Krebse, die einander kannibalisierten, die Flasche hatte ich in 30 Minuten panisch leergesaugt. Nach dem Tauchgang hatten die Männer reichlich Rotz in den Bärten kleben und witzelten über meinen Luftverbrauch. Ich entwickelte eine heimliche Abneigung, die sich immer öfter zu Atemnot verstieg.

Als ich dann im warmen Roten Meer einen Nachttauchgang wagte, wurde es nicht besser. Eine diffuse Strömung zerrte an uns, mit dem Knie geriet ich in einen Seeigel, und das Licht meiner immer schwächer strahlenden Lampe zeigte einen tot treibenden Hai, dem zweifellos ein großes Stück Gesicht ausgebissen war. Dann wurde es dunkel. Mein Notaufstieg war unkontrolliert inmitten von Blasen, die in alle Richtungen stoben: Oben hätte überall sein können. Das Boot war weit weg, wir schwammen durchs schwarze Wasser. Trotz Schwimmweste fürchtete ich mich fast zu Tode. Wie groß muss erst die Angst der Flüchtlinge sein? Unvorstellbar. Inzwischen bin ich auf einem Segeltörn über die Kvarner Bucht in einen schweren Sturm geraten und beim lustigen Wellenbaden in der Karibik fast ersoffen. Von meiner unschuldigen Liebe zum Meer ist wenig übrig. Das bisschen Mut nehme ich mit, wenn wir nach Kroatien fahren. Wenn ich ins klare Wasser steige und ins bodenlose Blau hinausschwimme. Das Meer ist eine hydrologische Sackgasse, die alles anreichert, was nicht verdunsten kann: Salz, Müll, Ertrunkene. Meine Ängste, ihr Leid. Ich liebe das Meer immer noch; aber unter immer größer werdenden Vorbehalten.

Foto: APA/Herbert Neubauer

Gertraud Klemm ist Schriftstellerin, lebt in NÖ. Im August erscheint ihr Roman "Hippocampus" bei Kremayr & Scheriau.

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MEER GEHT NICHT

Gerettete und Ertrunkene: Er hatte schwimmen wollen – und kam nicht zurück.

Bist du der, dessen Freundin beim Bergsteigen tödlich verunglückt ist?", hatte ihn jemand gefragt, da war das Ganze erst einige Wochen her gewesen. Nein, hatte er geantwortet, nein, war er nicht. Weder Freundin noch Berg, aber Unglück, das schon, ja. Er war der, dessen Freund im Mittelmeer ertrunken ist. Ein Badeunfall nach zwei Schlechtwettertagen in einer Gegend, in der Mitte November kein Mensch ins Wasser geht. Zumindest wenn er nicht muss. Sein Freund hatte nicht müssen, er hatte wollen, wie er immer hatte schwimmen wollen all die Jahre zuvor, und dann kam er nicht zurück.

Nachdem es passiert war, nachdem klar war, dass keine Rettung, dass nur noch Bergung möglich war, nachdem Hubschrauber und das Boot der Küstenwache wieder weg waren, nachdem es ganz still geworden war, hockte er stundenlang am Strand und schaute aufs Meer hinaus. Er suchte Antworten, wollte wissen, ob da vielleicht noch etwas ist außer gefährliche Strömung und zur falschen Zeit am falschen Ort. Einige Tage ging das so. Saß er nicht da, lief er, begleitet von zwei streunenden Hunden, am Ufer entlang. Die Kieselsteine unter den Füßen, den Blick aufs Wasser gerichtet, das die Sonne zum Glitzern brachte, bis sie am Horizont unterging in kitschigen Farben. Irgendwas musste doch noch sein.

Meer hatte für ihn bis zu diesem Unfall bedingungsloses Vergnügen bedeutet, unbeschwertes Ferienglück, im Seichten planschen als Kind oder später dann durch hohe Wellen tauchen. Sich treiben lassen ohne jede Mühe, an der Oberfläche bleiben (ganz anders als beim Schwimmen daheim im See). Er war in seinem Element und fürchtete sich höchstes vor dem Ekel, dem leichten Würgreflex, wenn ihm eine Welle mal das salzige Wasser in den Hals spülte. Vielleicht hatte er auch Angst vor Haien; gab es im Mittelmeer überhaupt welche?

Noch einige Nächte vor dem Unglück waren sie mit ein paar anderen am Strand ums Feuer gesessen, hatten gegessen, getrunken, den Vollmond bestaunt und der Brandung gelauscht. Hörst du? So schön beruhigend. Vielleicht sollten wir draußen übernachten. Lieber nicht, sie haben Regen angesagt. Es war das letzte Mal, dass das Meer für ihn harmlos und ruhig war, danach war da nur noch Unruhe. "Meer geht nicht", lautete seine Antwort, wenn Ferien geplant wurden. Er wollte keine Strandurlaube mehr, See ja, vielleicht in die Berge, aber bitte nicht ans Meer. Und wenn sich ein Tagesaufenthalt am Meer doch nicht vermeiden ließ, wagte er sich nur bis zu den Knien rein ins Wasser. Immer in Erwartung einer Katastrophe.

Damals, kurz nachdem es passiert war

Damals, kurz nachdem es passiert war, hatte er bei einem seiner rastlosen Kontrollgänge am Strand mit Schnüren zusammengebundenes Wasserspielzeug entdeckt. Das fiel ihm erst Jahre später wieder ein, als er die Bilder von Menschen auf der Flucht übers Mittelmeer sah, von den Geretteten und den Ertrunkenen. Damals am Strand: ein vielfarbiges Knäuel aus aufblasbaren Disney-Prinzessinnen und Einhörnern, bunten Wasserbällen und Schwimmreifen mit Winnie-the-Pooh oder irgendwelchen Superheroes drauf. Wahrscheinlich hatte der Wind das Bündel vor einem Touristenladen losgerissen, aufs offene Meer hinausgetrieben, und nun war es wieder angespült worden.

Eine grotesk fröhliche Rettungsinsel, die ihre Aufgabe nicht erfüllt hatte.

Christopher Wurmdobler ist Schriftsteller. Sein zweiter Roman, "Reset", erschien am 31. 7. im Czernin-Verlag.