Im Oktober 2018 hörte Lega-Chef Matteo Salvini noch auf den Premier, jetzt will er ihm das Misstrauen aussprechen.

Foto: APA / AFP / FILIPPO MONTEFORTE

Salvini will die ganze Macht.

Foto: imago images

So etwas bekommt man nicht alle Tage zu sehen, nicht einmal im politisch ohnehin turbulenten und volatilen Italien: Dass einem Ministerpräsidenten ein Misstrauensvotum angedroht wird, kommt schon vor – dass dieses allerdings nicht von der Opposition eingebracht wird, sondern vom Regierungspartner selbst, das ist schon sehr ungewöhnlich.

Akteur ist in diesem Fall Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega. Diese hat am Freitag im Senat eine "mozione di sfiducia" gegen die Koalition unter Giuseppe Conte angekündigt – eine Allianz, der die Lega gemeinsam mit der ebenfalls populistischen Fünf-Sterne-Bewegung unter Luigi Di Maio angehört. "Diese Koalition ist am Ende", hatte Salvini schon am Donnerstagabend erklärt und vehement Neuwahlen gefordert.

Da dies aber Conte – nach einer Unterredung mit Salvini – nicht so sehen will und letztlich nur Staatspräsident Sergio Mattarella den Weg für Neuwahlen frei machen kann (und auch er will dem Vernehmen nach davon nichts wissen), entschloss sich die Lega zu diesem ungewöhnlichen Schritt, um ein Ende dieser Regierung gleichsam zu erzwingen.

"Wer Zeit verliert, schadet dem Land und ist bloß ein Sesselkleber", tönte es am Freitag es aus der Partei von Innenminister Salvini, der ebenso wie Di Maio Vizepremier ist. Sollte das Parlament Conte tatsächlich das Vertrauen entziehen, wäre die Regierungskoalition formal am Ende, Staatspräsident Mattarella müsste dann auf jeden Fall handeln.

ORF

Eine Variante wäre eben die Ansetzung vorgezogener Neuwahlen (von 18 Wahlgängen bisher in der Republiksgeschichte seit 1948 war das schon achtmal der Fall); oder aber Staatspräsident Mattarella setzt eine Expertenregierung ein, denn es wurde erst vor eineinhalb Jahren gewählt. Was in Österreich in diesem Frühjahr Premiere hatte, hat in Italien schon so etwas wie Tradition: Bereits drei Mal seit 1993 übernahmen "governi tecnici" die Regierungsarbeit.

Etliche Vorteile für die Lega

Für Salvini hätten beide Varianten Vorteile: Er könnte sich flugs in die Oppositionsrolle begeben und seinen Wahlkampf dementsprechend aggressiv führen.

Tatsächlich scheint bei der Lega alles schon seit längerem in diesem Sinn geplant worden zu sein: Salvini liegt seit Monaten klar an der Spitze aller Umfragen, und mittlerweile käme er in einer Allianz mit zwei anderen Rechtsparteien – der Forza Italia des greisen Ex-Premiers Silvio Berlusconi und der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia – auf eine 50-Prozent-Mehrheit.

Begonnen hatte die Regierungskrise eigentlich schon im Frühjahr mit massiven Reibereien zwischen Salvini und Di Maio, die Premier Conte – von Mattarella als parteiunabhängiger Aufpasser bzw. Moderator installiert – nur durch eine Rücktrittsdrohung beenden konnte. Allerdings nur einige wenige Wochen lang.

Die Lega ist weit davon entfernt, eine Mehrheit der Abgeordneten zu stellen. Für eine Abwahl der Regierung braucht es also Partner, sofern die Fünf-Sterne-Bewegung nicht gegen sich selbst stimmt.
Foto: APA

Am Mittwoch schließlich der Auslöser für den neuen und womöglich finalen Streit: Die um weltschutzaffine Fünf-Sterne-Bewegung scheiterte im Senat mit ihrem Antrag zum Stopp des Baus der milliardenschweren Hochgeschwindigkeitsbahnlinie Turin–Lyon. Niedergestimmt wurde sie ausgerechnet von der Lega, die der Wirtschaftslobby verpflichtet ist. Ein verbaler Schlagabtausch war die Folge, die Fronten scheinen diesmal unverrückbar zu sein.

Am Montag sollen sich die Partei- und Fraktionschefs treffen, um vielleicht doch noch einen Ausweg aus der von Salvini angezettelten Regierungskrise zu finden – doch daran glaubt eigentlich niemand. Salvini empört sich schon demonstrativ über den von ihm geschassten Di Maio, weil dieser nun mit Nicola Zingaretti von den Sozialdemokraten paktiere. Doch das ist bloß logisch: Zusammen liegen sie fast gleichauf mit dem von Salvini präferierten Rechtsblock. (Gianluca Wallisch, 9.8.2019)