Das große Asset seiner Partei, sagte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer jüngst zum STANDARD, sei die Vernetzung mit den Ortsgruppen: Denn die Funktionäre in den Gemeinden hätten das Ohr direkt bei den Menschen. "Alles, was in der Kommunalpolitik stattfindet, passiert auch in der 'großen' Politik", sagte Nehammer.

Wie sich nun herausstellt, stellen die Gemeindeorganisationen aber auch einen gewissen Risikofaktor für die Volkspartei dar. Denn nach der jüngsten, flott im freien Spiel der Kräfte beschlossenen Reform des Parteiengesetzes darf keine Partei mehr als 750.000 Euro an Spenden sammeln. Für den Rest des Jahres 2019 – das Gesetz ist erst im Juli in Kraft getreten – gilt die Hälfte davon, die Grenze liegt also bei 375.000 Euro.

Finanzstarke Ortsparteien

Das ist für die Volkspartei, die im Nationalratswahlkampf 2017 13,9 Millionen Euro ausgegeben hat, auf der einen Seite eine vernachlässigbare Größe. Selbst wenn sie sich, wie Parteichef Sebastian Kurz mehrfach versichert hat, diesmal wirklich an die Wahlkampfkostenobergrenze von 7,1 Millionen Euro halten will.

So ein Wahlkampf ist nicht billig: Im Jahr 2017 sammelte die Volkspartei fleißig spenden – und nahm Kredite in Höhe von 15 Millionen Euro auf.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Auf der anderen Seite ist diese Summe bei Ortsgruppen in den mehr als 2000 Gemeinden sehr schnell erreicht. Um das finanzielle Gewicht der Gemeindeorganisationen zu begreifen, hilft ein Blick in den Rechenschaftsbericht der Partei für das Wahljahr 2017. Dort werden die Einnahmen und Ausgaben aller Bezirks- und Gemeindeorganisationen aufgelistet – zusammengerechnet pro Bundesland. Zieht man sämtliche Ausgaben von sämtlichen Einnahmen bundesweit ab, ergibt sich ein Plus von 2,35 Millionen Euro.

Tombola und Volksfest

Dieses Geld bleibt zwar im Eigentum der jeweiligen Ortsparteien (sonst müsste es im Rechenschaftsbericht als Spende an die Bundespartei ausgewiesen werden), es zeigt aber die finanzielle Schlagkraft der Ortsgruppen: Auf Gemeindeebene kommt einiges zusammen.

Die Partei musste also die Spendennotbremse ziehen, um das Gesetz einzuhalten: 375.000 Euro sind auf Gemeindeebene schnell gesammelt – etwa bei den von der Volkspartei ins Treffen geführten Veranstaltungen mit Tombola. Wer wie viel für welche Ortsgruppe gespendet hat, bleibt aber ein gut gehütetes Geheimnis: Veröffentlicht werden nur die Gesamteinnahmen aller Gemeindeorganisationen pro Bundesland.

Stopp "aus Prinzip"

Diese Unterorganisationen sind für die Volkspartei de facto nicht zu kontrollieren. Die Bundespartei und die Landesparteien dürfen deswegen keine Spenden mehr annehmen, lautete die Order aus der Zentrale. Medial verkauft wurde die Maßnahme als Spendensammelstopp "aus Prinzip", um sich gegen Vorwürfe der käuflichen Politik zu immunisieren. Für die Konsequenzen der gesetzlichen Einschränkung hat man sich also eine Erklärung einfallen lassen, die positiv klingt.

Es darf trotzdem davon ausgegangen werden, dass der Wahlkampf zumindest für die drei großen Parteien finanzierbar bleibt: Immerhin erhalten FPÖ, SPÖ und ÖVP dieses Jahr zwischen 8,2 und 9,9 Millionen Euro an Förderung durch den Bund. Die Förderungen in den Bundesländern für die dortigen Landesparteien kommen noch dazu. Und auch die Mitglieder leisten ihren finanziellen Beitrag zum Erfolg der Partei. Die Sozialdemokraten beziehen aus dieser Quelle besonders satte Einkünfte.

Kredite, Mitgliedsbeiträge, Förderungen und Spenden: Die Parteien haben mehrere Geldquellen.
Grafik: Der Standard

Und: Im ersten Halbjahr 2019, also vor Inkrafttreten der Novelle des Parteiengesetzes, konnten die Parteien noch so viele Spenden sammeln, wie sie wollten. Ausgewiesen werden müssen sie erst im Rechenschaftsbericht für dieses Jahr, der 2021 veröffentlicht wird.

Dort wird auch ein weiterer Punkt interessant sein: Während nämlich die offiziellen Parteispenden neuerdings relativ eng begrenzt sind, sind die Regeln für das Sponsoring noch sehr großzügig. Hier dürfen auch Unternehmen Geld an Parteien überweisen – so viel sie wollen. Hauptsache, es gibt irgendeinen Gegenwert, etwa ein Plakat oder ein Werbestand auf einer Veranstaltung. Gut möglich, dass das eine oder andere Unternehmen nun den Werbewert eines Parteievents für sich entdeckt.

Rechnungshof spendet

Aber was, wenn die ÖVP-Ortsgruppen doch mehr als 375.000 Euro an Spenden sammeln? Dann muss das überschüssige Geld, so will es das Gesetz, auf ein eigens beim Rechnungshof eingerichtetes Konto überwiesen werden. Es muss dann im Folgejahr "mildtätigen oder wissenschaftlichen Zwecken" zugutekommen. Welche das sein werden, steht laut Auskunft des Rechnungshofes noch nicht fest. (Sebastian Fellner, 9.8.2019)