Kaum eine Woche vergeht derzeit ohne Schreckensmeldungen der Forstwirte. DER STANDARD hat einen der größten Waldbesitzer Österreichs, Felix Montecuccoli, in seinem Wald getroffen und gefragt, wie schlimm die Auswirkungen des Klimawandels tatsächlich sind und ob der Staat wirklich aktiv werden muss. Montecuccoli bewirtschaftet 960 Hektar Waldfläche in Niederösterreich, das entspricht 1340 Fußballfeldern.

STANDARD: Ist das mit der Trockenheit so dramatisch? Jetzt gerade ist der Boden ja sehr feucht.

Montecuccoli: Heute hat es etwas geregnet, es reicht aus, dass wir alle dreckige Schuhe bekommen, aber für Bäume ist das nichts. Wenn wir mit einer Schaufel zu graben beginnen würden, würden wir nach wenigen Zentimetern auf trockenen Boden stoßen. Das war früher anders.

STANDARD: Wie?

Montecuccoli: Nicht nur auf Basis wissenschaftlicher Aufzeichnungen wissen wir das, wir sehen die Veränderungen auch. Das Waldbild ist anders. Hier, das ist ganz typisch (zeigt auf ein Waldstück): Das war bis Mitte der 1990er-Jahre ein fichtendominierter Wald. Die Fichte ist mittlerweile komplett weg, schuld war ein schwerer Borkenkäfer-Schlag 1996. Das wärmere Klima schafft für die Vermehrung des Borkenkäfers ideale Bedingungen. Wir dachten, dass sich in der Folge die Kiefer durchsetzen würde. Aber die Kiefer hat auch Schwierigkeiten mit dem geringeren Niederschlag, besonders seit zwei Jahren. Die Eichen kommen gut zurecht mit diesen neuen Bedingungen. Aber nicht die alten Eichen, die haben an Qualität verloren.

STANDARD: Warum?

Montecuccoli: Weil die Fichten nicht mehr da sind, gibt es Lücken im Wald. Durch diese Lücken kommt mehr Sonnenlicht auf den Stammfuß der Eichen, dadurch bilden sich mehr Äste aus.

STANDARD: Das schädigt Bäume?

Montecuccoli: Die Äste sind gut für den Baum, weil sie ihn ernähren. Für die Holzqualität ist das schlecht, weil ich kein schönes Brett mehr dort rausbekomme, wo diese Äste wachsen. Im Holz sieht man den Ast. Daher sinkt der Verkaufswert. Wir haben also unsere wirtschaftlich wertvollsten Bäume, die Fichten, verloren. Und bei den Bäumen, die wir noch haben, ist die Holzqualität schlechter. Hinzu kommt, dass einzelne Individuen unter Gewohnheiten leiden, die sie aus der Jugend mitgenommen haben. Wenn ein Baum in der Jugend einen feuchten Standort hatte, sind die Wurzeln nicht tief ausgebildet, weil es nicht notwendig war. Wenn dieser Baum 70 Jahre alt ist, reicht sein Wurzelsystem nicht aus, um die geringere Wassermenge, die im Boden versickert, zu holen.

STANDARD: Lange haben Waldbesitzer nur Fichten gepflanzt, weil sie mehr Profit bringen: Sie brauchen nur 80 Jahre, bis sie erntereif sind. Sind Sie mit schuld an der Misere?

Montecuccoli: Das kann man so sehen. Aber ich lasse das nicht gelten. Sagen Sie einem, dessen Frau sich gerade hat scheiden lassen, er hätte sie vor zehn Jahren nicht heiraten sollen. Die Entwicklung war nicht absehbar. Niemand hat in den 1950er- und 1960er-Jahren damit gerechnet, dass unser Energieverbrauch so stark steigen und diese Konsequenzen haben wird. Mein seriöseres Argument lautet, dass Konsumenten Fichte massiv nachgefragt haben, für den Hausbau. Kein Mensch hat Eiche nachgefragt. Das Holz ist sehr schwer und schwer zu bearbeiten.

STANDARD: Sie haben eine Waldmilliarde als Unterstützung für Forstwirte gefordert. Warum sollten wir Steuergeld für Sie und andere Unternehmer ausgeben?

Montecuccoli: Das meiste davon wäre nicht für einzelne Waldbesitzer vorgesehen, sondern für die Wissenschaft. Wir müssen erforschen, welche Baumarten in welchen Zusammensetzungen künftig am besten wachsen werden und wann wir anpflanzen sollen: Im Frühjahr oder im Herbst? Können wir aus bestimmten Baumarten optimale genetische Linien herauszüchten? Es gibt Baumarten mit großer Varietät – manche Bäume kommen mit den Gegebenheiten besser zurecht. Solche Bäume könnte man gezielt vermehren. Bisher läuft das sehr nach dem Zufallsprinzip ab, was vermehrt wird. Wenn die Wissenschaft neue Erkenntnisse hat, muss man den Transfer unterstützen: So bräuchte es staatliche Förderung, damit die neuen Bäume gemeinsam gezüchtet werden, auf Samenplantagen. Ein Einzelner könnte die damit verbundenen Risiken und Kosten nicht tragen.

STANDARD: Aber durch die Waldmilliarde sollen auch Betriebe unterstützt werden?

Montecuccoli: Es bräuchte Unterstützung einzelner Waldbesitzer bei der Wiederaufforstung. Bei mir ist ein Hektar durch Borkenkäfer zerstört worden. Es gibt andere Waldbesitzer, da ist ein Hektar der gesamte Waldbesitz. Die müssen die nächsten 40 Jahre nur investieren. Die Wiederaufforstung mit Eiche kostet mehr als mit anderen Baumarten ...

STANDARD-Fotograf Corn (aufgeregt): Ein Reh! Zwei sogar.

STANDARD: So nah. Sind die Tiere gar nicht scheu?

Montecuccoli: Es ist Brunftzeit, da sind sie nur auf Vermehrung aus.

Schaut beim Interview vorbei: Ein Reh.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Zurück zum Punkt: Warum sollte die Allgemeinheit zahlen? Sie bleiben Eigentümer des Waldes. Wenn Sie Holz später profitabel verkaufen, hat die Allgemeinheit nichts davon.

Montecuccoli: Die Forstwirtschaft ist im Klimawandel kein Geschäft mehr. Da bleibt oft nur oder nicht einmal der Deckungsbeitrag. Die öffentliche Hand sollte aus dem gleichen Grund zahlen, aus dem sie die Bundesbahnen zahlt, weil alle etwas davon haben, selbst wenn es keine Gewinne gibt. Viele Wirkungen des Waldes sind gar nicht in Geld umsetzbar. Der Wald schützt, insbesondere im Gebirge. Vor Lawinen, Hangrutschungen, Überflutungen, und zwar immer jene, die darunter sind, also Häuser, Infrastrukturlinien. Um die Alpen bewohnbar zu halten, muss der Wald in Ordnung sein.

STANDARD: Aber Ihr Wald gehört nicht wie die ÖBB dem Staat.

Montecuccoli: Wenn der Wald weg ist, wird der Klimawandel schneller, und er wird auch die Nichtwaldbesitzer einholen. Was wir brauchen, ist eine Hilfe, eine Unterstützung, für jene, die kein Geld mehr haben, um den Wald zu pflegen. Wenn alle wollen, dass der Wald erhalten bleibt, werden alle etwas dafür tun müssen.

STANDARD: Aber müssten Sie nicht etwas anbieten im Gegenzug für die Waldmilliarde, von dem die Allgemeinheit auch etwas hat?

Montecuccoli: Nein, da braucht es keine neuen Wege, da gibt es schon etwas: die Einkommensteuer, die Gewinnbesteuerung. Das ist das System, das für alle gilt. Wir müssen nicht für die Forstwirtschaft etwas Neues erfinden.

STANDARD: Wer sind die großen Abnehmer Ihres Holzes?

Montecuccoli: Die größte Wertschöpfung passiert in der Sägeindustrie. Dort wird Holz für Dachstühle hergestellt, für Fertigteilhäuser, Bretter für Möbel. In der Papier- und Plattenindustrie wird jenes Holz verarbeitet, das für Bretter nicht geeignet ist, weil es zu dünn oder pilzbefallen ist oder zu viele Äste hat. Dort wird auch Zellstoff für Papier hergestellt, für Isolationsmaterial und Klopapier. Im Energiebereich entfällt das größte Volumen immer noch auf Scheitholz für Öfen. Dort kommen auch die Hackschnitzel her, die in industriellen Verbrennungsanlagen verheizt werden. Die Pellets sind kein Produkt des Waldes, sie werden aus Sägespänen hergestellt, sind also ein Teil der Sägeindustrie.

Felix Montecuccoli: Derzeit kann man von der Forstwirtschaft nicht leben.
Foto: Corn

STANDARD: Den Forstwirten machen gefallene Holzpreise zu schaffen. Warum gab es den Preisverfall?

Montecuccoli: In der Vergangenheit wurde der Preis vom Konsumenten beeinflusst. Ist viel gebaut worden, war der Holzpreis gut. Ist die Industriekonjunktur gut gelaufen, haben die Preise angezogen. Seit drei Jahren haben wir eine desaströse Situation: Der Rundholzmarkt hat sich von allen Konjunkturzyklen abgekoppelt, weil durch den Klimawandel in ganz Zentraleuropa wahnsinnig viel Holz auf dem Boden liegt – durch Stürme, Schnee, den Borkenkäfer, Trockenheit. Es gibt eine Übersättigung des Marktes. Die Industrie kann sich aussuchen, ob sie bei mir Holz abholt, bei meinem Nachbarn oder beim tschechischen Waldbesitzer. Sie diktiert den Preis. Wir müssen ja das Holz aus dem Wald loswerden. Wenn ein Baum vom Borkenkäfer befallen ist, sind wir verpflichtet, ihn loszuwerden, weil sich das Insekt sonst noch schneller vermehrt.

STANDARD: Warum kümmern Sie sich um den Wald, wenn sich damit kaum Geld machen lässt?

Montecuccoli: Weil es meine Verantwortung ist. Ich bin überzeugt davon, dass die nachfolgenden Generationen einen funktionierenden Wald brauchen. Ich bin überzeugt davon, dass es einmal besser gehen wird. Nur wenn ich jetzt die Grundlagen schaffe, können mein Sohn, meine Enkel bei der positiven Entwicklung mitmachen.

STANDARD: Rund um Ihren Wald stehen Schilder, dass Radfahren verboten ist. Warum ist das für Waldbesitzer ein Problem?

Montecuccoli: Wir sind hier im Naherholungsgebiet von St. Pölten. Die Menschen haben Erholungsbedürfnisse und wollen in den Wald. Das verstehe ich. Jedermann darf den Wald betreten, das ist im Gesetz normiert. Betreten heißt aber: Füße auf dem Boden. Zwischen Fuß und Boden ein Rad zu haben ist nicht zulässig. Dennoch kommen ständig Radfahrer durch.

Jedermann darf den Wald betreten. Aber betreten heißt: Füße auf dem Boden, sagt Waldbesitzer Montecuccoli.
Foto: Corn

STANDARD: Aber warum stört das?

Montecuccoli: Weil es die Benützung fremden Eigentums ist. Es gibt bei uns eine gesellschaftliche Konvention: Wenn ich die Sache eines anderen benützen will, muss ich ihn fragen. Auch ein Fahrrad, das in St. Pölten am Bahnhof steht und gerade keiner braucht, kann ich nicht einfach nehmen und damit eine Runde fahren. Wenn ich das Rad benützen will, muss ich fragen.

STANDARD: Wer Sie anruft, darf durchfahren?

Montecuccoli: Dann würde ich sagen, ich kann nicht den einen lassen und den anderen nicht. Ich würde vorschlagen, gebt mir einen Ansprechpartner, schildern wir eine Strecke aus und machen eine Sportanlage im Wald, diese würde ich verpachten. Wenn wir beim Wald die gesellschaftliche Grundkonvention verlassen, bekommen wir ein Problem. Dann löst sich etwas auf: Das Erste ist der Wald, das Nächste ist jemandes Hausgarten, der einfach benutzt wird.

STANDARD:Was freut Sie am Wald?

Montecuccoli: Das Waldklima, die Atmosphäre, die Ruhe. Ich schau gern die Bäume an und freu mich über jeden einzelnen. (András Szigetvari, 10.8.2019)