Weniger Autotransporte, weniger Stahl- und Rohstofffracht – im Gegensatz zum Wirtschaftsaufschwung fährt der Abschwung sehr wohl mit der Bahn.

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Im Gegensatz zum Aufschwung, der der ÖBB-Güterbahn kaum Zuwächse bei der Fracht gebracht hat, fährt der sich anbahnende Konjunkturabschwung bei der Rail Cargo Austria (RCA) voll ein. Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs sei der Rückgang überraschend spürbar, sorgen sich nicht nur ÖBB-Entscheidungsträger. Nach dem bereits im April verhängten Aufnahmestopp wird nun ein Sanierungspaket geschnürt.

Wiewohl man nach außen hin Optimismus versprüht und RCA-Chef Clemens Först versichert, dass die RCA-Gruppe "auch heuer ein positives Ergebnis einfahren wird": Den Aufsichtsrat der ÖBB-Holding beruhigt das offensichtlich nicht. In seiner Sitzung Anfang Juli sei die Nervosität bereits deutlich spürbar gewesen, berichten Teilnehmer. Der Vorstand präsentierte ein gut hundert Seiten starkes Sanierungskonzept für die insbesondere in der österreichischen Kerngesellschaft RCA AG auf dünner Eigenkapitaldecke kurvende Rail-Cargo-Gruppe.

"Unter Plan"

Detaillierte Zahlen zum besorgniserregenden Geschäftsverlauf – vor allem Auto-, Stahl-, Erz- und Kokstransporte ließen überraschend aus, bei Holztransporten sind die Margen erodiert – lagen dem Vernehmen nach nicht vor. Diese lägen leicht "unter Plan", räumt man ein, welcher nach dem schwachen ersten Quartal allerdings bereits revidiert worden war.

"Unter Plan" klingt im Fall der RCA-Gruppe insofern bedrohlich, als "erhebliches Neukundengeschäft" notwendig ist, um den RCG-Konzernumsatz des Vorjahrs von 2,2 Milliarden Euro ebenso zu erreichen wie die Latte der beförderten Nettotonnen, die bei 115 Millionen Tonnen liegt. So beschrieb es der RCA-Vorstand im Frühsommer in einem Brief an die Führungskräfte. Die Budgetplanung 2020/21 wurde bei der Gelegenheit auch gleich um 30 bis 40 Millionen Euro zusammengestrichen, wie ein Insider sagt.

Millionentonnen nur mit Ungarn

Hinsichtlich der stets gepriesenen 115 Millionen Tonnen Jahresfracht ist freilich anzumerken, dass darin die Ungarn-Tochter RCH inkludiert ist. Mit den Jahren 2004 und 2005, als die RCA ohne Ungarn-Ableger 100 Millionen Tonnen auf die Waage brachte, sind die Frachterfolge also nicht mehr vergleichbar. Zu viel Marktanteil ging seither an die scharfe Konkurrenz durch die privaten Ganzzugsbetreiber, der die Margen dramatisch erodieren lässt. Laut der im Firmenbuch hinterlegten RCA-Bilanz 2018 ging der RCA-Marktanteil im Schienengüterverkehr im Vorjahr von 73,1 auf 72 Prozent zurück. Womit klar ist: Die Messgröße ist nicht berauschend.

Die Margen bei Holztransporten sind im Keller. Dabei verdient die ÖBB kaum mehr etwas.
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Nun ist es jedenfalls höchste Eisenbahn für ein Spar- und Restrukturierungspaket, wie in Eigentümer- und Aufsichtsratskreisen betont wird. Dabei wurden der RCA-Führung durch den ÖBB-Holding-Aufsichtsrat Aufpasser zur Seite gestellt: Die "begleitende Kontrolle" obliegt dem ÖBB-Holding-Vorstand, also Generaldirektor Andreas Matthä und neuerdings auch Finanzvorstand Arnold Schiefer. Letzterer sollte als Verantwortlicher für die ÖBB-Infrastruktur im Sinne der von der EU verordneten getrennten Rechnungskreise allerdings formal keine führende Rolle im Absatzbereich einnehmen.

Wagons retour

Die beiden haben bereits eine erste Maßnahme abgesegnet, die Ende Juli auch formal umgesetzt wurde: Die Wagon-Tochter Rail Cargo Wagon (ehemals Iwag), an die RCA vor sieben Jahren ihre gut 15.000 Güterwagons zwecks Bilanzverschönerung "verkauft" hatte, wurde nun wieder aufgelöst und samt Vermögen an die Muttergesellschaft retourniert. Selbiges diene nicht der Bilanzverschönerung, wird in der Bahn betont, sondern lediglich der Beseitigung von Schnittstellen, quasi eine Flurbereinigung, wie ein ÖBB-Manager sagt, der nicht genannt werden will. Die damals erhofften Effizienzsteigerungen und zusätzlichen Erlöse aus der Vermietung von Güterwagen auf dem freien Markt seien nicht gekommen, daher brauche man RCW nicht mehr. Zumindest optisch hilft die Maßnahme, man gewinnt Zeit. Denn von den Wagonmietzahlungen ihrer eigenen Auslandstöchter partizipiert die RCA nun direkt, und sie muss für ihr Eigengeschäft auch keine (hohen) Mieten mehr abführen.

Grober Sanierungsplan

Präsentiert wurde dem Holding-Aufsichtsrat im Juli auch eine Art Sanierungspaket: Ein Konvolut an Maßnahmen, das auf dem Konzernstrategiepapier "Nordstern" basiert, das mit Unternehmensberater McKinsey ausgearbeitet wurde. Es besteht vorerst aus hunderten Maßnahmen, die von der Verkürzung von Aufenthalten der Züge bis zur Streichung von Boni bei Bestandskunden reicht, dessen Umsetzung zum Teil als unrealistisch angesehen wird. Bis September muss es mit konkreten, rasch umsetzbaren Maßnahmen zur Stabilisierung unterfüttert werden, da tagt der RCA-Aufsichtsrat außertourlich und will konkretere Maßnahmen beschließen. Selbst Personalabbau wird nicht mehr ausgeschlossen, insbesondere in der Verwaltung, deren Kosten bei rückläufigem Güteraufkommen naturgemäß steigen. Bestätigt wird all das nicht.

Die Finanzierung des laufenden RCA-Betriebs und der Investitionen sollte auch gesichert sein. Sie erfolgt nicht wie bisher über Kreditlinien, sondern Schuldverschreibungen. Platziert wurde am 31. Juli ein Volumen von 251 Millionen Euro, gezeichnet haben Banken, Versicherungen und institutionelle Investoren, teilte die ÖBB mit. (Luise Ungerboeck, 10.8.2019)