Altkanzler Kurz mit einem besonders kreativen Fan

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Politik und Promille, so heißt es, sind untrennbar verbunden. Vor allem im Intensiv-Wahlkampf, wenn die Spitzen-Kandidaten durch Bierzelte von Wien bis Vorarlberg touren. Ein Stamperl Schnaps hier, ein Stück Torte da, Selfies im Pulk, dazu ein pöbelnder Bürger – und das Ganze mehrmals am Tag. Der Wahlkampf bringt Politiker und ihre Mitarbeiter in Ausnahmesituationen, gnadenlos dokumentiert durch hunderte Handy-Cams. Wehe dem, der Schwäche zeigt. Der Stress hinterlässt Spuren: immer wieder treten Politiker aus gesundheitlichen Gründen zurück, lange vor ihrem eigentlichen Pensionsalter.

Und immer wieder werden Politiker beim alkoholisierten Autofahren erwischt – prominentestes Beispiel ist der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, der 2008 mit 1,8 Promille verunglückte. Auch das "Bad im Volk" treibt Security-Leuten den Schweiß auf die Stirn, vor allem, wenn im Land eine aufgeheizte Stimmung herrscht. Wie können sich Politiker volksnah geben, ohne ihre Gesundheit zu riskieren? Dem STANDARD verrieten aktive und ehemalige Kandidaten sowie die Mitarbeiter ihrer Wahlkampf-Teams die besten Überlebens-Strategien im Wahlkampf:

Such dir liebe Mitarbeiter

Im Intensivwahlkampf verbringt der Kandidat mit seinen engsten Mitarbeitern mehr Zeit als mit allen anderen Menschen, und das in einer enorm stressigen, oft frustrierenden Situation. Es lohnt sich also, schon vor dem Wahlkampf genau zu überlegen, welche Mitarbeiter man 16 Stunden am Stück "erträgt" – und wen man lieber im Büro lässt.

Sprich mit der Ortsgruppe

Für die Veranstaltungen "da draußen" gibt es Experten: die Mitglieder der Bezirks- und Ortsparteigruppen. Die sorgen nicht nur für volles Haus (so mancher Kandidat hielt schon Reden vor lauter Parteimitgliedern, die sich als Bürger "ausgaben"), sondern sie kennen mögliche Störenfriede aus der Ortschaft und wissen diese zu lenken.

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Ohne Chauffeur geht's nicht

Selbst wenn alle Tricks zur Alkohol-Vermeidung perfekt umgesetzt werden: Ein Chauffeur ist empfehlenswert. Bieten doch die Autofahrten den Kandidaten die Chance, kurz abzuschalten. Am besten bestimmt man als Fahrer einen Mitarbeiter, dem man vertraut – idealerweise aber nicht jenen, dem man sein Bierglas zum Leertrinken reicht.

Geh zu früh, komm zu spät

Die Wahlkampftermine sind dicht gestaffelt, eine Absage kommt aber nicht infrage. Wer eine Pause braucht, sollte sich mit Verweis auf den "schlechten Verkehr" 15 Minuten früher aus dem Staub machen – und 15 Minuten später zum nächsten Event erscheinen. Die gewonnene halbe Stunde döst man auf dem Parkplatz einer Raststätte.

Bleib höflich, aber deutlich

"Dem sag' ich's rein!" Bei pöbelnden Menschen ruhig zu bleiben ist schwierig. Beste Taktik: die Angriffe ins Leere laufen lassen – das lässt sich üben. Sexismus oder Rassismus lassen sich aufgrund der anwesenden Handy-Cams allerdings nicht einfach ignorieren. Daher sollte man sich vorab Reaktionen überlegen, an die man sich im Extremfall hält.

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Achtung, Journalisten!

Der Kandidat ist populär, der Wahlkampf-Event gut besucht: Dieses Bild will man den Medienleuten vermitteln. Die freilich gieren nur nach Pannen und Fehlern, um ihre Artikel aufzupeppen. Regel eins deshalb: Nie über Wähler oder Veranstaltungen lästern. Regel zwei: Sich auch im volksnahen Kontakt nicht zu flapsigen Statements verleiten lassen.

Kameras sind überall

Mussten die Kandidaten früher nur auf den Abzug der TV-Teams achten, wenn sie sich ein wenig gehen lassen wollten, so gibt es dank Smartphones heute kaum einen unbeobachteten Moment. Jeder Lapsus, jeder harsche Kommentar zu einem Wähler wird sofort in sozialen Medien verbreitet. Bedeutet: Politik ist heute vor allem (Selbst)Kontrolle.

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Trink nur Fake-Schnaps

Klarer Schnaps hat einen großen Vorteil: Er sieht aus wie Wasser. Deshalb bemerkt niemand, wenn eine von fünf Schnapsflaschen mit Leitungswasser befüllt ist. Die Fans heben den echten Schnaps, die Politiker nippen am Stamperl Wasser, ohne als Weichei zu gelten. Wichtig ist nur, die Flasche heimlich, aber deutlich zu markieren.

Die Wirtin als Komplizin

Kann man nicht selbst bestimmen, was ausgeschenkt wird (siehe Schnapsflasche), braucht man Kellner und Wirtin als Verbündete. Wer sonst könnte Cola statt Averna in das Glas des Kandidaten füllen? Für erfolgreiche Komplizenschaft verpflichtend: Der Politiker schmeißt ordentliche Runden und vergisst am Ende nicht aufs g'scheite Trinkgeld.

Es muss immer schmecken

Allzu heikel darf man im Wahlkampf nicht sein. Es gibt nämlich (im Gegensatz zu Alkohol) kaum Tricks, wie man Essenskostproben vermeidet. Daher: Augen zu und yummie – und für den Notfall Mittel gegen Sodbrennen und Übelkeit mitführen. In Stresszeiten braucht der Körper ohnedies mehr Essen und ist auch toleranter, was Verträglichkeit betrifft. (Fabian Schmid, 11.8.2019)