Der "Fall Jatta" beschäftigt die Fußballwelt.

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Chemnitz/Hamburg – Dieter Hecking wirkte angespannt. Der "Fall Jatta" war nicht spurlos am Trainer des Hamburger SV vorbeigegangen, die vielen Fragen passten ihm überhaupt nicht. "Alles stürzt sich drauf. Und am Ende des Tages muss man erstmal die Beweislage abwarten", sagte der 54-Jährige. Seit Tagen sorgen die Zweifel an der Identität seines Profis Bakery Jatta für große Unruhe an der Elbe.

Hecking betonte, selbst keinerlei Hektik zu verspüren. Natürlich werde er Jatta mitnehmen zum Erstrundenduell im DFB-Pokals am Sonntag (18.30 Uhr/Sky) in Chemnitz. "Warum denn nicht?", sagte der erfahrene Coach: "Aus meiner Sicht gibt es gar keinen Grund, ihn hierzulassen." Schließlich sei der Gambier "relativ entspannt" mit der Thematik umgegangen. Die Medien ermahnte Hecking dagegen eindringlich, "das Thema mal etwas runterzufahren". Es gelte die Unschuldsvermutung.

Zweifel an Idendität

Ein Bericht der Sport Bild hatte zuvor Zweifel an Jattas Identität aufgeworfen. Demnach könnte der Offensivspieler eine Vergangenheit als Bakary Daffeh haben und zweieinhalb Jahre älter sein als bislang angenommen. Laut der Recherchen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel soll der HSV schon vor dem Vertragsabschluss mit Jatta im Jahr 2016 über Zweifel informiert worden sein. Der Klub, der sich geschlossen hinter Jatta stellte, äußerte sich nicht zu der Meldung des Spiegel.

Passfälschung unwahrscheinlicher

Das Hamburger Abendblatt recherchierte derweil entlastende Details. Jatta sei 2015 ohne gültigen Reisepass aus Gambia nach Deutschland gereist und habe dies gegenüber der Stadt Bremen angegeben. Jatta habe in der Folge aber einen neuen Pass beantragt, der im Januar 2016 in seiner Heimat ausgestellt wurde.

Das Bremer Migrationsamt habe die Echtheit des Dokuments per Anfrage an das gambische Honorargeneralkonsulat in Köln überprüft, dieses habe die Ausstellung des neuen Reisepasses bestätigt. Eine Fälschung sei unwahrscheinlicher, da der Pass auf offiziellen Wegen ausgestellt worden sei.

Ermittlungen aufgenommen

Klar ist, dass der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sowie das Bezirksamt Hamburg-Mitte Ermittlungen aufgenommen haben und dass der 1. FC Nürnberg Einspruch gegen die Wertung des Punktspiels vom Montag (0:4) eingelegt hat. Hecking wollte sich zum Verhalten seines Ex-Klubs nicht detaillierter äußern, er sei schließlich Trainer, nicht Sportpolitiker. Konsequenterweise kommentierte er den Wirbel beim Gegner aus Chemnitz auch nicht.

Chemnitz hat andere Probleme

Der Drittligist hatte Anfang der Woche seinen Kapitän Daniel Frahn wegen einer angeblich zu großen Nähe zur rechtsextremistischen Szene entlassen. CFC-Sportdirektor Thomas Sobotzik wurde anschließend per WhatsApp-Nachrichten bedroht. Die Polizei in Chemnitz stellt sich für die Partie gegen den HSV auf Unruhe ein, Fan- und Extremismusforscher Robert Claus rechnet mit Reaktionen beider Fanlager.

"Ohne den Fußball über Gebühr interpretieren zu wollen, steckt sowohl in der Chemnitzer Debatte um Daniel Frahn als auch im Hamburger Fall um Bakery Jatta viel Gesellschaftspolitisches um die Themen extreme Rechte, Rassismus und Migration", sagte Claus : "Es ist gut möglich, dass die jeweiligen Fanszenen die Themen am Sonntag mit Spruchbändern aufgreifen."

Ruhiges Spiel erhofft

Chemnitz-Trainer David Bergner betonte am Freitag, dass kein Zuschauer "das Spiel als Bühne für seine Zwecke" benutzen sollte. Auch Sobotzik hofft auf ein ruhiges Spiel. "Ich wünsche mir, dass es nur um Fußball geht. Der Verein hat ein Jahr um dieses Spiel gekämpft, jetzt wollen wir es auch genießen", sagte der Ex-Profi.

Das gilt auch für Hecking und den HSV. "Wichtig ist, der HSV muss in die zweite Runde des DFB-Pokals", sagte er: "Mit Bakery Jatta." (sid, 10.8.2019)