Zwischen zwei Idealen soll der barocke Schöpfer wählen (dürfen) –der Nachahmung der Wirklichkeit und der Nachahmung der Antike. Michael Sweerts "Der Künstler bei der Arbeit", entstanden Mitte des 17. Jahrhunderts, befasst sich mit der Frage.

Foto: Gallerie Nazionali di Arte Antica

Unter den Oberhäuptern der katholischen Kirche war Urban VIII. wohl eines der erfolgreichsten. Wobei natürlich die Frage ist, woran ein Papst seinen Erfolg ermisst. In weltlichen Dingen gibt es jedenfalls einiges zu vermelden: 1626 die Einweihung des Petersdoms ganz zuvorderst. Aber schon als junger Kardinal machte sich Maffeo Barberini (so der bürgerliche Name) um die Verbesserung der Welt verdient. Zum Beispiel sorgte er dafür, dass der Trasimenische See (auf halbem Weg zwischen Rom und Florenz) eine Wasserregulierung bekam, damit dort nicht immer wieder Überschwemmungen zu befürchten waren.

Viele Jahre später gab Urban VIII., als er schon um seinen Nachruhm besorgt war, einen Wandteppich in Auftrag, auf dem ebendiese infrastrukturelle Maßnahme, bei der ihm wohl auch Ingenieure zur Hand gingen, verewigt wurde. Man sieht einfache Leute mit Schaufel und Krampen, und der Kardinal streckt seinen instruierenden Finger fast so in die Welt wie der Finger Gottes auf Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle.

Heute würde ein derartiges Motiv wohl gleich auf Instagram veröffentlicht werden. Damals wurde dafür ein Maler beauftragt. Er hieß Antonio Gherardi, seine Darstellung der kulturschaffenden Erdarbeiten am Lago Trasimeno schmückt derzeit eine Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam bei Berlin. Sie trägt den Titel Wege des Barock. Die Nationalgalerien Barberini Corsini in Rom und zeigt eine kleine, aber erlesene Auswahl aus den römischen Palazzi Barberini und Corsini, in denen die italienische Nationalgalerie für alte Kunst zu Hause ist.

Eine Antwort auf Rom

Dort wird derzeit renoviert. Das ermöglichte einen spektakulären Leihvorgang mit einem Haus, das es erst seit zwei Jahren gibt. Das Museum Barberini in Potsdam hat allerdings eine Geschichte, die eine Zusammenarbeit mit der eminenten römischen Institution nahelegt. Denn das Gebäude, das nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ruine war und erst nach 2011 mit der historischen Fassade wieder aufgebaut wurde, diente schon im 18. Jahrhundert der Völker- und Kunstfreundschaft zwischen Preußen und Italien – und verstand sich ausdrücklich als prussianisch-arkadische Antwort auf den Palazzo Barberini in Rom.

Es war der Software-Unternehmer Hasso Plattner, der mit dem Museum Barberini 2017 einen mäzenatischen Coup landete: Von Beginn an lief das Haus an höchst geschichtsträchtigem Ort (gegenüber der Nikolaikirche am Alten Markt) prächtig.

Zu Recht ein Publikumsmagnet

Man kann es als gelungene Aktualisierung jener Verbindung zwischen (neuer) Aristokratie und Aufklärung sehen, die gerade in Potsdam zwar immer wieder ins Neo-Bourgeois-Biedermeierliche umschlägt, aber eben doch auch ein wenig Tiefe und Goethe'sche Weite in eine deutsche Geschichte bringt, die deswegen das 20. Jahrhundert ja nicht gleich vergessen macht.

Wege des Barock ist nun auch ein Publikumsmagnet, und durchaus zu Recht. Man kann die Epoche hier gleichsam ein wenig von der Seite betrachten, dafür immer wieder mit verblüffenden Aspekten. Es ist keineswegs so, dass alles auf das berühmteste Bild hinauslaufen muss: auf den Narziss von Caravaggio, der so über seine Spiegelerscheinung gebeugt ist, dass man fürchtet, er würde jeden Moment durch ein Eis brechen, das gar nicht vorhanden ist.

Spiel mit den Lichtquellen

Man stößt zum Beispiel mehrfach auf den Heiligen Hieronymus – und blickt dann einem Mann ins Gesicht, der über seiner Schreib- und Übersetzungsarbeit alt geworden ist. Sein Gesicht ist aber auf eine Weise lebendig (und nach heutigen Kriterien auch: realistisch wiedergegeben), wie das nur ein sehr guter Maler darstellen kann.

Das Spiel mit den Lichtquellen in einer Welt, die noch auf Kerzen angewiesen war, ist bei einem Nachtarbeiter wie Hieronymus natürlich auch besonders deutsam. Wie eine Zusammenfassung könnte man so das Bild Der Künstler bei der Arbeit von Michael Sweerts nehmen. Ein Niederländer, der nach Rom ging, um die Wege des Barock vom Ausgangspunkt aus zu verfolgen, malte Mitte des 17. Jahrhunderts einen Künstler zwischen zwei Gipsfiguren, die für zwei ästhetische Grundpositionen standen: Nachahmung der Wirklichkeit, wie es Caravaggio vertrat, oder Nachahmung der Antike, die konservative Haltung, für die vor allem Guido Reni stand.

Wer wissen will, wofür Sweerts sich entschieden hat, muss Der Künstler bei der Arbeit mehr oder weniger als Suchbild entziffern – und findet für die Lösung im Museum Barberini viele spannende Anhaltspunkte. Notfalls kann man aber auch den Katalog konsultieren. (Bert Rebhandl aus Potsdam, 12.8.2019)