Ein Solarpark in Ouarzazate im Süden Marokkos. Die Idee von Solarpaneelen in der Sahara scheiterte hingegen.

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Das Klima wird zu einer immer größer werdenden Debatte. Die Schlagzeilen über Rekordhitze und darauffolgende Unwetter nehmen zu. In Österreich war der heurige Juli der bisher heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es ist also ein Faktum, dass es heißer wird.

Die zunehmende Hitze wird für die Bevölkerung ein immer größeres Thema. Abkühlung soll her. Das bedeutet eine Zunahme von Klimageräten in privaten Haushalten. Der öffentliche Verkehr setzt auf Klimatisierung, und auch in den Städten wird über mehr Trinkwasserspender oder Wassersprühanlagen nachgedacht, um den Menschen ein wenig Erfrischung zu ermöglichen.

Grüner Strom aus der Sahara

Diese Möglichkeiten bekämpfen zwar die Symptome, lösen aber keinesfalls die Ursachen des Klimawandels. Im Gegenteil. Mehr Klimageräte bedeuten auch einen deutlich höheren Stromverbrauch und die Zunahme von Abluft. Nun ist die Energiewende zwar kein Fremdwort mehr, aber längst nicht in jedem Land ein großes Thema. Deutschland etwa will bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen. In den USA hält Präsident Donald Trump hingegen den Klimawandel noch immer für eine Spinnerei – folglich sind die USA aus dem Pariser Klimavertrag ausgestiegen. Über das Klima reden will Trump erst wieder, wenn die USA "Bedingungen vorfinden, die günstiger für ihre Wirtschaft, Arbeiter, das Volk und die Steuerzahler sind" – so teilte es das US-Außenministerium in seiner Austrittserklärung einst mit.

Doch neu ist die Debatte um Energiewende, grünen Strom oder nachhaltig erzeugte Energie auch nicht. Seit Jahrzehnten werden Pläne dazu ventiliert. Schon lange bevor Schüler in Europa für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gingen, zeigte eine kleine Grafik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt die Zukunft der Energiewende. Drei verschieden große, rote Quadrate in einer braun gezeichneten Sahara zeigten an, wie wenig Platz es nur bräuchte, um Europa – und sogar die ganze Welt – mit grünem Strom zu versorgen.

"Apollo-Projekt"

Aus dieser Idee entstanden vor zehn Jahren ein Traum und ein Projekt: Desertec – grüner Strom aus der Wüste als Energiewende. Peter Löscher, der damalige Chef von Siemens, sprach vom "Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts".

Doch der Traum währte nicht lange. Bereits fünf Jahre nach ihrer Gründung zerstritt sich 2014 die Desertec Industrial Initiative (DII). Viele der vor allem deutschen Unternehmen wie Siemens, Eon oder die Deutsche Bank verließen die Initiative wieder. "Desertec war eine große Idee", sagt DII-Geschäftsführer Paul van Son zur Nachrichtenagentur dpa. Aber von Anfang an sei die Grundidee darauf verengt gewesen, Strom von Afrika nach Europa zu bringen. Zerstritten habe man sich bei Fragen über riesige Stromnetze im Mittelmeer und bei der Frage, ob es nicht sinnvoller sei, erst einmal für den lokalen Markt in Nordafrika zu produzieren. "Alles, was mit erneuerbaren Energien zu tun hatte, war damals nicht marktfähig", sagt van Son.

Als gescheitert betrachtet van Son die Grundidee von damals dennoch nicht. Sie sei bereits in der Region Realität geworden, eben nur in anderer Form. Mehrere arabische Staaten liefern sich inzwischen nämlich ein Wettrennen beim Ausbau grüner Energie. Vor allem Marokko, dessen König die Energiewende schon vor längerem anordnete, will in Zukunft 52 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen speisen. In Ouarzazate im Süden Marokkos entsteht einer der größten Solarparks der Welt. Die deutsche Staatsbank KfW fördert das Projekt mit 800 Millionen Euro. Am Ende soll der Solarkomplex elektrische Energie für mindestens 1,3 Millionen Menschen erzeugen – vor allem in Marokko.

Auch in der ägyptischen Wüste entsteht ein riesiges Solarkraftwerk mit einer Leistung von 1,6 Gigawatt (rund 400 Gigawattstunden pro Jahr), in Abu Dhabi eine Anlage mit 1,2 Gigawatt. Saudi-Arabien will in den kommenden Jahren Solarkraftwerke mit einer Leistung von bis zu zehn Gigawatt installieren. Dazu kommen Windfarmen in Tunesien, Algerien und Marokko. Von dem hochgegriffenen Exportvolumen der Desertec-Initiative ist das aber weit entfernt: Das Ziel waren einmal etwa eine Million Gigawattstunden.

Neue Antreiber

"Die Idee lebt und wird auch vor allem von den Ländern selbst mit ambitionierten Ausbauplänen für erneuerbare Energien weiterverfolgt", sagt Strategieberater und Energieexperte Matthias Ruchser, der früher für das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik gearbeitet hat, zur dpa. "Antreiber sind inzwischen vor allem die Golfstaaten und China."

Und eine alte Idee sei wieder neu entdeckt worden, sagt Ruchser: "Power to X". Es gehe nicht mehr nur alleine um Stromerzeugung, sondern aufgrund des Klimawandels auch darum, Ethan oder Wasserstoff herzustellen, um sie in Brennstoffzellen im Keller oder Auto zu nutzen. Zur Herstellung von Wasserstoff wird aber viel Energie benötigt. Energie, die man in den Wüsten Marokkos oder Saudi-Arabiens gewinnen könne. Dann wären diese Stoffe auch nachhaltig. Denn derzeit sieht es bei Wasserstoff ganz anders aus. Als Alternative zu Diesel und Benzin wird Wasserstoff zwar gehypt. Laut dem Verband für Erneuerbare Energie Österreich kommen derzeit 99 Prozent des weltweit hergestellten Wasserstoffs aus fossilen Energieträgern. Damit ist Wasserstoff ein verdeckter Klimakiller.

Eine zuverlässige Versorgung mit Energie – am besten grün erzeugt und leistbar – wird durch die Erderwärmung weltweit zu einem immer größeren Thema werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass in Europa erst weniger als fünf Prozent der Haushalte mit einer Klimaanlage ausgestattet sind. Diese Zahl wird mit den Hitzewellen steigen. Klimatisierung könnte damit innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem Haupttreiber der weltweiten Stromnachfrage werden.

UN-Sonderberichterstatter Philip Alston hat kürzlich sogar vor einer "Klima-Apartheid" gewarnt. Seinem Bericht zufolge können wohlhabende Menschen sich besser vor der Erwärmung schützen, weil sie sich Klimageräte oder Generatoren (die anspringen, sollte der Strom ausfallen, was in Ländern mit extremer Hitze vor allem im ländlichen Raum immer wieder passiert) leisten können. Ärmere Menschen hätten hingegen keine Chance, der Hitze zu entkommen. (Bettina Pfluger, 12.8.2019)