Das Protein LIN-53 kontrolliert die Funktionsfähigkeit der Muskulatur, die Lebenserwartung und den Spiegel eines essentiellen Zuckers. Dadurch könnte es großen Einfluss auf das gesunde Altern haben, vermuten Forscher.

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Forscher des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) haben ein Protein entdeckt, das erheblichen Einfluss auf eine gesunde Muskulatur und die Lebenserwartung hat. Wenn Tieren das Protein LIN-53 fehlt, haben sie schwerwiegende Muskelschäden und eine eingeschränkte Beweglichkeit. Sie sterben früher im Vergleich zu Tieren, die dieses Protein haben.

LIN-53 ist nicht irgendein Protein, es ist ein sogenannter Histon-Chaperon. Es bindet an Histone, also jene Moleküle, an die sich die langen DNA-Stränge eng anschmiegen, um in den Zellkern zu passen. Verändert sich ein Histon kann das letztendlich dazu führen, dass das Ablesen der Gene hoch- oder heruntergefahren wird. Das wiederum beeinflusst die Entwicklung, Funktion und Lebenserwartung eines Organismus.

LIN-53 gilt als "epigenetischer Faktor", weil das Protein durch sein Zusammenspiel mit Histonen dabei hilft, Gene zu aktivieren oder zu deaktivieren. So können vererbbare Eigenschaften auf den Nachwuchs übergehen, ohne dass dabei die zugrundeliegende DNA-Sequenz verändert wird.

Ein Faktor, zwei Wege

Die Forschergruppe vom BIMSB untersuchten, ob dieser epigenetische Faktor Einfluss darauf hat, wie lange ein Organismus lebt (Lebensspanne) und wie lange der Organismus dabei gesund ist (Gesundheitsspanne). Zudem wollten sie herausfinden, ob Lebens- und Gesundheitsspanne unmittelbar zusammenhängen. "Wenn wir älter werden, bemerken wir normalerweise Alterungserscheinungen, die von einem Verlust von Muskelmasse begleitet sind", sagt Studienleiter Baris Tursun.

Das Team untersuchte die Rolle von LIN-53 in Caenorhabditis elegans, einem nur einen Millimeter langen Wurm. C. elegans wird auch als Nematode bezeichnet und ist einer der primären Modellorganismen in der Alterungsforschung, da viele seiner Gene hochgradig konserviert sind oder artenübergreifend gefunden werden. "Es ist ein so kleiner Organismus und trotzdem sind menschliche Gewebe, Signalwege und Genregulation ähnlich. Deshalb können wir die Ergebnisse vom Nematoden auf den Menschen übertragen", sagt Stefanie Müthel, Erstautorin der Studie.

Nachdem die Forscher das Gen für LIN-53 entfernten, bewegten sich die Würmer weniger und lebten kürzer als Würmer, die dieses Gen noch hatten. Das zeigt, dass LIN-53 eine wichtige Rolle für eine gesunde Muskulatur und die Lebensspanne spielt. Das Team forschte weiter und entdeckte, dass LIN-53 die Entwicklung der Muskulatur durch den molekularen Komplex NuRD und die Lebensspanne durch einen anderen Komplex, Sin3, beeinflusst. Demnach ist LIN-53 an zwei unterschiedlichen Signalwegen beteiligt.

Guter Zucker

"LIN-53 ist ein Teil von sieben unterschiedlichen molekularen Komplexen, die die Modifizierung und Struktur des Chromatins regulieren", sagt Müthel. "Ich war überrascht und glücklich darüber, dass wir die Komplexe klar definieren konnten, die für die Gesundheits- und Lebensspanne von Bedeutung sind."

Weitere Analysen lieferten eine mögliche Erklärung dafür, warum LIN-53 so leistungsfähig ist. Tiere ohne LIN-53 hatten nur geringe Werte eines Zuckers, der Trehalose genannt wird. Er besteht aus zwei Glukosemolekülen und ist für eine normale Lebensspanne bei Wirbellosen unerlässlich. Die Interaktion zwischen LIN-53 und Sin3 betraf Gene, die den Stoffwechsel regulieren, einschließlich der Produktion dieses Zuckers.

Um zu verstehen, wie genau LIN-53 mit NuRD und Sin3 interagiert und die Zuckerbildung hemmt, sind den Forschern zufolge noch weitere Studien notwendig. Da das Protein LIN-53 und das menschliche Protein RBBP4/7 nahezu identisch sind, können die Erkenntnisse als Wegweiser dienen, um beim Menschen die Antworten zu ähnlichen Fragen zu finden. "Wir möchten alle gesund altern. Sobald wir die Zusammenhänge zwischen dem Altern und allen begleitenden nachteiligen Auswirkungen kennen, können wir überlegen, wie wir sie voneinander abkoppeln können", sagt Studienleiter Baris Tursun. (red, 18.8.2019)