Scheinmedikamente ohne Wirkstoff können eine heilende Wirkung haben. Besonders deutlich zeigt sich das bei Schmerzen.

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Gut belegen lassen sich Placeboeffekte in der Behandlung von Schmerzen. Das wohl bekannteste Beispiel stammt aus den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Der US-amerikanische Militärarzt Henry Beecher konnte im Lazarett nicht mehr alle verwundeten Soldaten mit Morphin versorgen, sämtliche Schmerzmitteldosen waren aufgebraucht.

In seiner Not spritzte er statt des Opiats eine Kochsalzlösung, den Patienten teilte er aber mit, dass es sich um Morphium handelt. Die Notlüge hatte Erfolg: Die Schmerzen der Soldaten ließen nach, als hätten sie tatsächlich Morphin erhalten.

Forscher gehen davon aus, dass die Wirkung von Placebos auf einer konditionierten Lernerfahrung basiert. Diese Mechanismen laufen weitgehend unbewusst ab: Hat unser Körper gelernt, dass eine Behandlung schmerzstillend wirkt, schafft das auch ein Placebo-Medikament.

Erwartungshaltung

Der Körper kann eigene, schmerzhemmende Substanzen, sogenannte Endorphine, produzieren, die er auch bei einer Scheinbehandlung ausschüttet. Die daran beteiligten Mechanismen im zentralen Nervensystem lassen sich in funktionellen MRT-Untersuchungen darstellen. Studien zufolge ist eine Placebo-Spritze, die von einem Arzt im weißen Kittel verabreicht wird, genauso wirksam wie eine verdeckte Morphin-Infusion.

Damit Placebos ihre Wirkung entfalten, ist es nicht nur ausschlaggebend, was der Patient gelernt und damit konditioniert hat, es kommt auch auf die Erwartungshaltung an. So konnte etwa die Neurologin Ulrike Bingel von der Uniklinik Essen zeigen, dass ein hochpotentes, sehr kurz wirksames Opioid doppelt so gut wirkt, wenn der Arzt ankündigt, dass nun ein starkes Schmerzmittel zum Einsatz kommt.

Teilte man den Probanden hingegen mit, dass sie einem Hitzereiz ausgesetzt werden und keine Medikation erhalten – was nicht stimmte –, war das Schmerzempfinden genauso groß wie ohne Schmerzmittel. Die Angst, dass nichts mehr vor dem Hitzereiz schützt, hat die Wirkung des Opioids gänzlich aufgehoben. (Günther Brandstetter, 27.8.2019)