Mit dem Kinderbob bergabrutschen. Für Gäste aus dem arabischen Raum ein Glücksmoment, für den sich die weite Reise allemal lohnt.

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Es sind Momente des ungläubigen Staunens, der Begeisterung, des Glücks, die sich Tag für Tag in einem eigens abgesteckten Terrain des Gletschers am Kitzsteinhorn in Kaprun zutragen: Frauen, Männer, Kinder aus dem arabischen Raum stehen, knien, kugeln das erste Mal in ihrem Leben im Schnee.

"Für die Araber leben wir im Paradies", erklärt der Salzburger Tourismusforscher Kurt Luger die Faszination, die Salzburg und hier vor allem der Pinzgau auf die Gäste aus der arabischen Welt ausübt. Das Wort Paradies entstamme dem Persischen und bedeutete in den Wüstenregionen ursprünglich so viel wie "ein Platz mit Wasser, Leben und viel Grün", sagt Luger. Wie im Pinzgau eben.

"Sellamsee"

Wichtigste Destination des arabischen Tourismus ist die Bezirkshauptstadt Zell am See. Von den insgesamt 170.000 Ankünften in Österreich pro Jahr entfallen rund die Hälfte auf die Region Zell am See, heißt es bei der Salzburger Land Tourismusgesellschaft. Und es seien gute Gäste, die da kommen: Im Schnitt würden 220 Euro pro Tag und Person ausgegeben. Damit lägen die Araber auf Platz zwei hinter den Gästen aus China.

Hoteliers, Restaurants, Taxibetreiber und andere tourismusrelevante Betriebe haben sich rasch auf die Gäste aus dem Nahen Osten eingestellt. So trifft man in Kaprun, Krimml oder "Sellamsee", wie die Reisenden aus dem Nahen Osten Zell radebrechend nennen, oft auch auf arabische Aufschriften oder Speisekarten. Von Konflikten, wie vor Jahren mit Schweden, die alkoholbedingt wahre Gewaltexzesse ablieferten, berichtet niemand.

"Keine begnadeten Autofahrer"

Das bestätigt auch die Exekutive. Die Araber seien zwar "keine begnadeten Autofahrer", heißt es vonseiten der Pinzgauer Polizei, es gebe aber kaum "relevante Zwischenfälle". Alles spiele sich im "verwaltungsrechtlichen Bereich" ab. Auch das Verhüllungsverbot ist nur am Rande Thema. Heuer seien bisher 300 Organmandate zu je 50 Euro verhängt worden.

Zu Spannungen kommt es nur an neuralgischen Punkten. Ein solcher ist der kleine, idyllische Hintersee am Talschluss des Felbertales in der Stadtgemeinde Mittersill. "Das Gebiet ist besonders kleinräumig und bei den arabischen Gästen sehr beliebt", berichtet der parteiunabhängige Bürgermeister Wolfgang Viertler im STANDARD-Gespräch.

Entsprechend vermüllt sei der See im Sommer. Inzwischen wurde am Hintersee ein Picknick- und Grillverbot verhängt.

"Kein Müllbewusstsein"

"Wie in vielen Dritte-Welt-Kulturen gibt es auch im arabischen Raum kein Müllbewusstsein", erläutert Luger das Phänomen, das ein als Paradies empfundener Ort verdreckt zurückgelassen werde. Tourismusforscher Luger warnt aber vor europäischer Überheblichkeit: "Schauen sie sich ein Festivalgelände nach dem Wochenende an", sagt er.

Indes hat auch die FPÖ das Thema für ihre Zwecke entdeckt. Landesparteichefin Marlene Svazek polemisiert auf Facebook "der Hintersee im Felbertal oder das Gebiet rund um die Krimmler Wasserfälle" – also "die unberührte Natur des Nationalparks" – würden von arabischen Männern "samt verschleierter Entourage", als Grill- und Picknickzone betrachtet. "Das geht eindeutig zu weit."

Kommunikation

Beim Tourismusverband in Krimml weiß man von einem Grill- und Picknickproblem allerdings nichts. Obschon man täglich mehr als tausend arabische Tagestouristen zähle.

Man setze auf Kommunikation, sagt Tourismus-Chefin Petra Lemberger. Man sei am Wasserfall mit einigen Mitarbeitern unterwegs, "wenn man auf die Leute zugeht und mit ihnen spricht, gibt es kein Problem".

Eine Erkenntnis, die auch Bürgermeister Viertler für den Mittersiller Hintersee gewonnen hat. In der kommenden Saison werde man nicht nur Verbotstafeln aufstellen. Gemeinsam mit der Nationalparkverwaltung wolle man kommendes Jahr auch Ansprechpersonen direkt am Hintersee positionieren. (Thomas Neuhold, 13.8.2019)