Sieht sich zu Unrecht in FPÖ-Nähe gerückt: der Historiker Michael Wladika (re.) bei der Präsentation des "Rohberichts" der Historikerkommission.

Foto: APA / Hans Punz

Im Gastkommentar kritisiert der Historiker und Jurist Michael Wladika, dass sein Beitrag verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben wurde. Die Eingangsfrage beantwortet er mit Hinweis auf seine Tätigkeit und seine Projekte freilich mit Nein.

Vorvergangenen Montag, 5. August 2019, am Tag der Präsentation des "Rohberichts" der Historikerkommission der Freiheitlichen Partei Österreichs, und auch in den Tagen danach stellte sich mir überraschenderweise die Frage, ob ich zum Parteihistoriker der FPÖ mutiert bin. Vielleicht könnte man dies auch anhand des Pressefotos annehmen, welches mich mit dem Generalsekretär Christian Hafenecker, dem Parteiideologen Andreas Mölzer und dem Vorsitzenden der Historikerkommission, Professor Wilhelm Brauneder, zeigt. Doch erscheint mir diese Sichtweise geradezu absurd.

Gefährliche Etikettierung

Genauso wenig wie ein Historiker, der etwa über die Voest forscht, zum Industriehistoriker wird, wird jemand, der sich, wie ich, unter anderem mit den Anfängen von politischen Parteien seit der Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigt, zum Parteihistoriker irgendwelcher Parteien. Auch finde ich diese Etikettierung, die zumeist von der interessierten Öffentlichkeit vergeben wird, gefährlich, schwingt doch immer der Verdacht von Parteilichkeit, ja wissenschaftlicher Korruption mit.

So saß ich bei der Pressekonferenz als einzig erschienener Vertreter der übrigen Autoren auf dem Podium, und meine Unabhängigkeit als Wissenschafter wurde, vielleicht zu wenig laut, aber von den Vortragenden doch mehrmals betont. Vielleicht muss ich es an dieser Stelle nochmals tun:

Neben meiner nunmehr zwanzigjährigen Tätigkeit als Provenienzforscher für die Museen der Stadt Wien beziehungsweise elfjährigen Tätigkeit für die Leopold Museum Privatstiftung habe ich auch als Experte etwa für politische Parteien, Deutschnationalismus, Nationalsozialismus, Entnazifizierung und die Restitutionsproblematik nach 1945 in verschiedenster Weise versucht, für Ausgewogenheit und Neutralität in heiklen politischen Fragen zu sorgen. Fakten und ihre Interpretation standen dabei für mich als Jurist und Historiker immer im Mittelpunkt.

Die Palette reicht dabei unter anderem von Projekten für die Historikerkommission der Republik Österreich, einem Projekt für die Israelitische Kultusgemeinde Wien, der gemeinsam mit Professor Oliver Rathkolb durchgeführten Studie über die Reichsforste von 1938 bis 1945 im Auftrag der Österreichischen Bundesforste bis zur Vortragstätigkeit auf der großen Antisemitismuskonferenz "An End to Antisemitism" im Februar 2018, für das Jüdische Museum Wien, für die Grünen und schließlich zu den beiden Projekten für ÖVP und FPÖ. Zuletzt habe ich im Rahmen eines Projekts über die Hausgeschichte der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, welches ich wieder gemeinsam mit Professor Rathkolb durchgeführt habe, die Provenienzforschung übernommen.

Nur ein Torso

In der Endphase meiner Abfassung der gruppenbiografischen Untersuchung der "Repräsentanz von Politikern und Mandataren mit NS-Vergangenheit in der ÖVP von 1945 bis 1980" kam die Idee auf, neben einem in Prozenten fassbaren Vergleich der Funktionäre der SPÖ mit NS-Vergangenheit auch einen solchen mit Funktionären der FPÖ durchzuführen. Diesbezügliche vollständige biografische Untersuchungen gab es nicht, weswegen ich eine kurze Parteigeschichte des Verbands der Unabhängigen (VdU) und der frühen FPÖ mit den Biografien der damals führenden Persönlichkeiten erstellt habe, auf die jedoch bei der Analyse nicht zurückgegriffen wurde.

So wurde ich quasi vom Generalsekretariat der ÖVP beziehungsweise vom Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka an die Historikerkommission der FPÖ weitergereicht und habe diese Aufgabe aus wissenschaftlicher Neugierde gerne angenommen.

Sicherlich gibt es vieles an der Herangehensweise der Kommission zu kritisieren. Ich möchte es bei zwei Dingen belassen, die mich in meinem Umfeld betreffen:

Mein Beitrag für die Historikerkommission zerfiel in zwei Teile: zum einen in der Überarbeitung und Ergänzung der oben erwähnten, ursprünglichen kurzen Studie. Zum anderen begann ich an den Biografien sämtlicher Mandatare und führender Funktionäre des VdU / der FPÖ zu arbeiten, wofür jedoch das zeitliche Korsett von eineinhalb Jahren zu eng geschnürt war. Jeder, der schon einmal an ein ähnliches Projekt herangegangen ist, wird mir beipflichten. So wurde am 5. August nur der erste Teil meines Gesamtberichts präsentiert – ein momentaner Torso. Dabei wäre es sinnvoller gewesen, das gesamte Ergebnis meiner Studie abzuwarten.

Nun wurde mein unfertiger Bericht von zwei Personen im Umfeld der FPÖ für den sogenannten "Rohbericht" auf zwei Seiten gekürzt. Dies geschah ohne mein Zutun, wobei die Herangehensweise mehr als "unglücklich" zu bezeichnen ist. So ist auch bei der Zusammenfassung meines Beitrags vieles aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt wiedergegeben worden.

Unerfreuliches Endergebnis

Ich werde nun in den nächsten Wochen und Monaten die Lebensläufe sämtlicher Politiker des VdU / der FPÖ mit politischen Mandaten und leitenden Parteifunktionen von 1949 bis 1983 (Bundes-, Landesparteiobmänner, Nationalrats- und Bundesratsabgeordnete sowie die Abgeordneten der einzelnen neun Landtage) in Form von Biografien aufarbeiten. Das Ziel dieses Teils soll wie bei der ÖVP-Studie sein, jene Personen mit NS-Vergangenheit zu erfassen und nach einer analytischen Aufarbeitung einem prozentuellen Vergleich mit jenen der SPÖ und ÖVP zuzuführen. Zu Recht hat Andreas Mölzer in der Pressekonferenz darauf hingewiesen, dass das Endergebnis wohl "für die FPÖ nicht sehr erfreulich" sein werde. (Michael Wladika, 12.8.2019)