Zunächst eine grundsätzliche Übereinstimmung: Staatliche Verschuldung ist an sich weder rechts noch links. Vielmehr geht es um die Qualität staatlicher Investitionen beziehungsweise um die gesellschaftliche Nachhaltigkeit, die diese erzeugen. Die höchsten Schuldenquoten weisen unter anderem so unterschiedliche Staaten wie Japan, die USA, Italien, Frankreich, Ägypten und der Libanon auf. Zu den "Musterschülern" gehören nach dieser Rechnung demgegenüber der Oman, Kasachstan und Norwegen. Schweden wiederum liegt hier irgendwo zwischen Bosnien und dem Iran. Nichtsdestotrotz erklärt Franz Schellhorn im Kommentar der anderen (siehe "Als Sparen noch links war") den Schuldenabbau für unausweichlich und benennt den skandinavischen Staat als Positivbeispiel.

Negativbeispiel Schweden

Ein "knallharter Sparkurs mit tiefen Einschnitten in das Sozialsystem" (Schellhorn) zeigt im ehemaligen Wohlfahrtsstaat Schweden seine verheerende Wirkung. Laut einer bei Agenda Austria selbst wiedergegeben Aufstellung galten 8,3 Prozent der Bewohner des Landes im Jahr 2015 als relativ arm (Österreich: 5,1 Prozent). Nach einer anderen Aufstellung waren 2017 mehr als 15 Prozent der schwedischen Bevölkerung armutsgefährdet (Österreich: 14,3 Prozent). Im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit liegt das Land mit 18,3 Prozent knapp hinter Portugal. Bemerkenswert: Auch in Schweden tragen staatliche Leistungen zwar weiter maßgeblich zur Reduktion von Armut bei. Die entsprechenden Quoten wären sonst doppelt so hoch.

Das Land ist allerdings schon längst nicht mehr Spitzenreiter Europas in Sachen Sozialstaat. So war das österreichische System zumindest noch in den Jahren vor Schwarz-Blau in puncto Armutsbekämpfung besser ausgebaut, also effizienter als in Schweden. Die gesellschaftlichen Folgen im ehemaligen Modellstaat sind übrigens an allen Ecken und Enden sichtbar: ständige Skandale in der Altenpflege, Jugendunruhen in Stockholm, eine der gefährlichsten rechten Szenen Europas. All das ist weder neu noch überraschend: Sparen bei den Armen ist einfach schlecht für die Gesellschaft. Und damit weder ein Modell für Österreich noch links.

Die Macht der Parlamente

Gemeindebauten des "roten Wien" wurden aus Mitteln der Wohnbausteuer finanziert.
Foto: robert newald

Das heurige Jubiläum des Modells "rotes Wien" zeigt demgegenüber auf: Selbst unter wesentlich schwierigeren Rahmenbedingungen als heute gibt es immer politische Handlungs- und Widerstandsoptionen. Das Wien der 1920er war zudem ein schlagender Beweis, dass nicht Schulden, sondern Verteilungsfragen schon immer im Zentrum linker Politik standen. Auf jedem Gemeindebau aus der Zeit ist zu lesen: "Finanziert aus Mitteln der Wohnbausteuer". Aber nicht nur diese stark progressive Steuer, sondern eine ganze Reihe von intelligenten Verteilungsmaßnahmen trieben die Steuerquote für Besitzende und Vermögende nach oben und hielten – trotz vorbildlicher Sozialleistungen – die Verschuldung niedrig. Beendet wurde dieses Experiment übrigens nicht durch, sondern im Namen der Märkte.

Es ist heute durchaus sinnvoll, die autoritären Gedanken zur Überwindung der Wirtschaftskrise von damals zu studieren. Buchstäblich messerscharf wurden durch Ludwig von Mises und seine Anhänger Anfang der 1930er die angeblichen Naturgesetze der (kapitalistischen) Ökonomie über "mühsame" demokratische Institutionen (wie zum Beispiel die Gewerkschaften) gestellt. Schellhorns "Entdeckung", dass nicht mehr das (schwedische) Parlament über die weitere Zukunft des Landes entscheidet, sondern vielmehr die Kapitalmärkte, ist somit vor allem eine Drohung und Warnung an uns alle. (John Evers, 14.8.2019)