Im zweiten ORF-"Sommergespräch" vor der Nationalratswahl war Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei Tobias Pötzelsberger zu Gast.

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Wien – "Sommergespräche" heißen nicht nur so, weil sie im Sommer stattfinden. Sie sollen auch so aussehen. Irgendwie sommerlich. Darum hat der ORF sie heuer auf die Terrasse der Vorabendsendung "Studio 2" verlegt, um dort im Idealfall ein abendliches Sommeridyll als Hintergrundbild liefern zu können. Pech nur, wenn der Sommer gerade nicht nach Sommer aussieht. Just am Montagabend herrschte knapp eineinhalb Stunden vor Beginn des ORF-"Sommergesprächs" mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, wie Moderator Tobias Pötzelsberger zu Beginn sagte, noch "Weltuntergangsstimmung" in Wien. Aber sie hatten "ein bissl ein Glück" und das Gewitter, das es in sich hatte, zog so schnell, wie es heftig war, vorüber.

Punkt 21.05 Uhr ging’s los. Draußen. Umrahmt von Kerzen und Topfpflanzen, zwei Gläser mit Wasser und die Notizen des Journalisten auf dem Tisch, eröffnete der ORF-Fragensteller mit dem Thema Tourismus und Transit. Wie einen Ausgleich finden zwischen Wirtschaftsinteressen und Lebensqualität der betroffenen Anwohner? Auf welche Seite würden sich die wirtschaftsfreundlichen Neos denn da schlagen? Meinl-Reisinger plädierte für "effektive Verkehrskonzepte" und "Balance", nahm aber gleich die erste Ausfahrt, um einen pinken Kernpfeiler einzuschlagen: "Die Freiheit des Einzelnen ist etwas sehr Wichtiges. Sie endet aber dort, wo die Freiheit des anderen betroffen ist."

Für Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist es die erste bundesweite Wahl als Spitzenkandidatin.
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Und sie nutzte das Thema, um sich für eine "aufkommensneutrale CO2-Steuer" starkzumachen. Arbeit müsse entlastet werden, aber die Steuerquote dürfe insgesamt nicht steigen. Vor allem müsse künftig gelten: "Umweltverschmutzung braucht einen Preis." Wer mehr verschmutzt, soll mehr zahlen müssen. Oder: "Ein regionaler Apfel muss billiger sein als einer aus Chile." Ja, Autofahren oder Fliegen würde teurer werden, nicht aber im ersten Schritt Heizöl, das eine "soziale Frage" sei. "Das Ganze muss sozial verträglich passieren."

Die Lohn- und Einkommenssteuern seien in Österreich "einfach zu hoch", sagte die Neos-Chefin, die "die Menschen wieder in die Lage versetzen will, sich ein – wenn auch bescheidenes – Vermögen aufzubauen".

Tobias Pötzelsberger im Gespräch mit Beate Meinl-Reisinger über Parteispenden und Einflussnahme.
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Nach dem Klimaschwerpunkt gefragt, warum jemand Neos statt der Grünen wählen solle, antwortete Meinl-Reisinger: "Weil wir zwischen Umwelt und Wirtschaft ein ,und' setzen – plus Bildung", die allem anderen vorangestellt werden müsse, zumal sich unter Türkis-Blau "nichts verändert habe. Es war Show, Show, Show." Im Übrigen habe die ÖVP-FPÖ-Regierung den "Weg in die autoritäre Politik" beschritten, und das unter Mitwirkung der "Neigungsgruppe Rechtsextremismus".

Ob sie dennoch mit der ÖVP regieren würde, lässt Meinl-Reisinger die Menschen bei der Wahl entscheiden. Es sei im Übrigen "komplett blödsinnig", wenn jemand den Neos vorwerfe, sie hätten beim Misstrauensantrag, der aus Bundeskanzler Sebastian Kurz Altkanzler Sebastian Kurz gemacht hat, nicht mitgestimmt, um sich die Tür für eine etwaige Regierungsbeteiligung offenzuhalten.

Null Lerneffekt nach Ibiza

Was aus der Ibiza-Affäre, die nicht nur FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, sondern in der Folge die gesamte ÖVP-FPÖ-Koalition untergehen ließ, gelernt worden sei, umschrieb Meinl-Reisinger mit zwei Worten: "Gar nichts." Eine Folge sei etwa "das völlig zahnlose Parteifinanzierungsgesetz", das im Fahrwasser der Affäre von SPÖ, FPÖ und Jetzt-Liste Pilz beschlossen wurde.

Beate Meinl-Reisinger von den Neos spricht im ORF-"Sommergespräch" über die Beziehung zur ÖVP und über Kandidaten der Neos.
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Teil der ORF-"Sommergespräche"-Show waren übrigens eingestreute "Minifragen", auf die ebensolche Miniantworten erbeten waren. Da verriet die Chefin der Pinken zwar nicht, wie ihr Spitzname in der Familie laute, wohl aber, dass sie schon einmal gekifft habe, das sei aber "sehr lang her".

In einem Abschnitt, in dem lange, ausführliche Antworten "erlaubt" oder erbeten waren, skizzierte Meinl-Reisinger die Themenfelder, die für Neos in der Politik spielentscheidend sind: "Bildung, Wirtschaft, Umwelt, Freiraum für Menschen, Entlastung, Generationengerechtigkeit." Zentraler Impetus ihres Politikverständnisses sei "Wirksamkeit".

"Anständige Politik"

Und als "Alleinstellungsmerkmal" der Neos nannte sie "ehrliche Lösungen". Und weiter: "Über allem steht anständige Politik." Darum halte sie auch die Spenden des Industriellen Hans Peter Haselsteiner an die Neos für nichts Unanständiges, weil transparent gehandhabt.

Das war der Moment, genau gesagt um 21.38 Uhr, an dem der Moderator "gerade einen Regentropfen gespürt" hat, man einigte sich aber: "Wir halten's noch aus."

Ja, drei Minuten, denn um 21.41 Uhr – man befand sich gerade in einer Minifragenrunde, in der die Neos-Chefin kundtat, dass eine ihrer Töchter in eine öffentliche und eine andere in eine private Schule gehe und dass der ORF nicht über den Steuertopf finanziert werden solle, aber "die GIS-Gebühr in der Form überholt" sei – vermeldete die Politikerin: "Jetzt tröpfelt's." Aber: "Wir sind nicht aus Zucker."

Bei einer "Minifragenrunde" war Meinl-Reisinger dazu aufgefordert, kurze Antworten auf schnell aufeinanderfolgende Fragen zu geben.
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Nun, der Regisseur sah das, wohl mit Blick auf das technische Equipment, etwas anders und beorderte die beiden Gesprächspartner regenbedingt nach drinnen. Moderator Pötzelsberger war für die kleine Wanderroute gewappnet und zitierte Karl Valentin, der einmal gesagt haben soll: "Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch."

Es blieben noch ein paar Minuten für das Thema Wohnen, es fiel auf Moderatorenseite das Wort "Betongold", dem auf Politikerinnenseite gekontert wurde: Es sei ein "berechtigter Wunsch", ja das "Natürlichsten der Welt", dass Menschen auch "Vermögen und auch Sicherheit im Alter aufbauen möchten". Die Wohnungsnot sei aber primär durch eine Maßnahme zu lösen: "Es muss mehr gebaut werden. Wir müssen mehr Wohnungen schaffen", sagte Meinl-Reisinger, und ja, "ein starker Mieterschutz ist notwendig."

"Profil"-Journalistin Eva Linsinger und der Politikwissenschafter Peter Filzmaier kommentierten das "Sommergespräch" mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger anschließend in der "ZiB 2".
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Und was sei mit den leerstehenden Wohnungen, fragte Pötzelsberger. Enteignen, wie etwa in Berlin diskutiert? "Ich will das nicht", stellte Meinl-Reisinger klar. Stattdessen müssten Anreize geschaffen werden, dazu gehöre auch "effektiver Rechtsschutz" für Vermieter, das sei "wesentlich sinnvoller als Enteignungen". (Lisa Nimmervoll, 12.8.2019)