Nicht nur Erntehelfer oder Saisonarbeiter, sondern sämtliche Bereiche des Arbeitsmarkts sollen von der EU-Verordnung betroffen sein.

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Während die Übergangsregierung keine Änderungen in Bezug auf Lehrlinge mit negativem Asylbescheid plant, wie das Sozialministerium am Montag mitteilte, sorgt ein anderer Aspekt rund um Asylwerber und Arbeit für Aufsehen. Die österreichische Regelung, wonach Asylwerbern der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt abseits von Erntehelfer- und Saisonarbeiterjobs auch noch nach neun Monaten verwehrt werden kann, widerspricht offenbar EU-Recht. Entsprechende gerichtliche Entscheidungen seien in letzter Zeit ergangen, erklärt Arbeiterkammer-Experte Johannes Peyrl im Gespräch mit dem STANDARD.

Zuvor hatte das Ö1-"Morgenjournal" über diese Entwicklung berichtet. Hintergrund der schleichenden Arbeitsmarktöffnung ist eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2013, wonach Asylwerber nach neun Monaten einen Job erhalten dürfen.

Nun setzte die Anwältin Michaela Krömer die Arbeitserlaubnis für einen Asylwerber durch, nachdem dessen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung durch das Arbeitsmarktservice abgelehnt worden war. Das AMS hatte sich dabei auf einen Erlass berufen, der laut Krömer EU-rechtswidrig sein dürfte. Der Tischlereibetrieb, bei dem der Asylwerber in Lehre gehen sollte, hatte in der Folge eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

Keine anderen Kandidaten

Nachdem bereits zweimal ein Ersatzkraftprüfungsverfahren, das österreichische oder andere EU-Bürger bevorzugt vermitteln würde, negativ ausgefallen war, wurde die Anwältin auf den Vorfall aufmerksam und legte eine Säumnisbeschwerde ein. Erst nach dem dritten gescheiterten Ersatzkraftprüfungsverfahren lenkte man beim Arbeitsmarktservice ein.

Peyrl erwartet nicht, dass die Rechtsprechung große Auswirkungen haben wird. Asylwerber seien zu Beginn ihres Aufenthalts in Österreich nur schwer vermittelbar – oft schon wegen Deutschproblemen. Zudem fänden sich für niedrigqualifierte Jobs oft einheimische Ersatzkräfte. Allerdings verweist der Experte für Migrationsrecht auch darauf, dass über eine von Türkis-Blau gestoppte Ausnahmeregelung 1.000 Asylwerber eine Lehrstelle gefunden hätten.

Österreich hat zugestimmt

Österreich hat der Verordnung der EU-Kommission übrigens grundsätzlich zugestimmt, sofern bestimmte Parameter wie Lohnbestimmungen oder die Arbeitsmarktüberprüfung eingehalten würden, erklärt Krömer. Eine letztgültige höchstgerichtliche Entscheidung gibt es in Österreich zu solchen Fällen noch nicht. Dennoch glaubt Krömer, dass sämtliche Ministeriumserlasse zum Thema rechtswidrig sein könnten. Das AMS wollte sich zunächst nicht dazu äußern. Das Sozialministerium erklärte, dass das AMS in zwei ähnlich gelagerten Fällen beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gehe.

Oberösterreichs Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) sieht sich darin bestätigt, dass das Schließen des Zugangs zur Lehre im September 2018 durch die damalige Bundesregierung europarechtswidrig war: "Es ist allerhöchste Zeit, dass die Bundesregierung und der Nationalrat dafür sorgen, dass diese offensichtliche Europarechtswidrigkeit, die schwere Nachteile für Betroffene, Integration und Wirtschaft bringt, beendet wird und dass ein freier Zugang zu Lehrstellen in Mangelberufen wieder ermöglicht wird."

Belakowitsch fürchtet innenpolitischen "Supergau"

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sorgt sich um den Arbeitsmarkt: "Der jüngste Fall einer Rechtsprechung trägt politischen und sozialen 'Sprengstoff' in sich." Österreich habe bereits rund 30.000 beim AMS arbeitslos gemeldete Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. Zu den Personen aus EU-Billiglohnländern und den legal im Land befindlichen tatsächlich Schutzbedürftigen kämen dann auch noch zigtausende Asylwerber auf den Arbeitsmarkt, vermutet sie. "Ohne eine starke FPÖ in der Regierung und ohne einen freiheitlichen Innenminister steuert Österreich auf einen arbeits- und migrationspolitischen Super-GAU zu." (red, 13.8.2019)