Foto: Heyne

34 Jahre nach dem legendären DeLorean aus "Zurück in die Zukunft" ist wieder mal ein Auto als Zeitmaschine unterwegs: diesmal ein besonders stilvoller Ford Modell A aus dem Jahr 1929 mit ein paar technischen Verbesserungen (Wasser als Treibstoff!), der den schönen Namen Eleanor trägt. Er fährt auf der Straße – was selbstverständlich klingt, im konkreten Fall aber ein Netzwerk von Schlupflöchern durch die Zeit meint und unsere Protagonisten durch ein paar Jahrhunderte Vergangenheit und ein paar Jahrzehnte Zukunft der US-Geschichte führt.

Und so beginnt es

Widerwillig lässt der achtjährige Eli Teague aus der Kleinstadt Sanders in Maine seine Comics zurück, nachdem ihm Mama nahegelegt hat, er solle mal rausgehen und was erleben. Be careful what you wish for! Der Ausflug mündet in Elis erste Begegnung mit Harriet "Harry" Pritchard und deren Oldtimer. Nach ein paar ominösen Andeutungen wimmelt Harry den Kleinen ab und braust davon – ein Muster, das sich bei ihren späteren Begegnungen wiederholen wird. Stets ist Eile angesagt, da offensichtlich ein finsterer Verfolger hinter Harry her ist.

Mit 13 trifft Eli Harry dann zum zweiten Mal (an Kapiteln gemessen geht das übrigens ruckzuck), und erst jetzt entdeckt Eli, dass "der" seltsame Fremde, der einen Dreispitz und Kleidung aus dem 18. Jahrhundert trägt, weiblich ist. Ohne dass er sich dessen bewusst ist, keimt in ihm damit eine Schwärmerei für Harry auf. Bis zur dritten Begegnung muss er allerdings lange warten. Doch mit 29 kann er er endlich aktiv werden. Muss er sogar aktiv werden, nachdem er unangenehm nahen Kontakt mit Harrys Verfolger hatte und feststellen musste, dass der vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckt.

Eli folgt Harry also quer über den Kontinent in der geheimen Hoffnung, ihr Retter zu sein. Sie sieht das etwas nüchterner ("Jetzt habe ich Sie am Hals, Mr. Teague."), doch wie man es auch dreht und wendet: Am Ende des ersten Romanabschnitts sitzen beide im Oldtimer und beginnen durch die Zeiten zu gleiten.

Nicht wirklich eine Spoilergrenze, aber irgendwie schon

An der Stelle lade ich jetzt alle diejenigen, die sich überraschen lassen wollen, dazu ein, mit dem Lesen der Rezension aufzuhören. Hier verläuft keine "harte" Spoilergrenze – die ziehe ich normalerweise nach etwa einem Drittel, und dieses erste Drittel enthält im konkreten Fall genügend Informationen, um das Buch einordnen und bewerten zu können. Aber manchmal macht es einfach mehr Spaß, die Lektüre gänzlich unbeleckt zu genießen. Wer "Die Schleife" also bei null beginnen will: Bitte hier aussteigen.

Peter Clines hat mit den Zombie-Romanen um die "Ex-Heroes" oder der Spukhaus-Mystery "Der Spalt" schon gezeigt, dass er gängigen Motiven neue Frische einhauchen kann, ohne bewährte Erzählmuster tatsächlich zu verlassen. Wie ein neuer Pop-Song, der zwar nicht innovativ ist, aber eine eingängige Melodie hat. Hier ist das gewählte Muster das der Secret History bzw. des Verschwörungsthrillers, Unterkategorie übernatürlicher Einschlag, Unterunterkategorie "Zwei Fraktionen von Geheimgesellschaften befehden einander quer durch die Zeitalter". Das sind im konkreten Fall Suchende wie Harry, denen die buchstäblich gesichtslosen Verfolger nachjagen. Eli muss nämlich entsetzt feststellen, dass diese unter ihren Masken weder Augen noch Mund oder Nasenlöcher haben.

Der verlorene Traum

Der Schatz, den beide Fraktionen suchen, wird als der Traum bezeichnet. Und es ist kein anderer als "Der Amerikanische Traum" höchstselbst, der irgendwann ("zufälligerweise" im Jahr, in dem John F. Kennedy erschossen wurde) verloren gegangen ist. Einmal mehr zeigt Clines hier seinen Hang zur Nostalgie. In früheren Werken äußerte sich der in erster Linie in Form popkultureller Verweise. Die gibt es hier zwar auch, doch geht die Nostalgie nun einen Schritt weiter.

Wenn Harry und Eli zwischen dem Wilden Westen und der nahen Zukunft hin- und herspringen, gelangen sie mitunter an Orte, an denen die Zeit angehalten zu haben scheint. Und zwar deshalb, weil die Bewohner dieser Orte einen bestimmten Zeitabschnitt als perfekt empfunden und durch ihr kollektives Begehren unbewusst eingefroren haben – sei es die Wirtschaftswunderzeit, seien es die prä-digitalen 1980er Jahre. Kein Zufall ist jedenfalls, dass all diese fixierten Idyllen in der Vergangenheit liegen.

"Älter ist besser", sagt Harry einmal und bezieht sich damit in der konkreten Situation zwar darauf, dass die Automobiltechnologie ab Mitte der 80er zu kompliziert geworden sei, doch spiegelt der Satz auch den Geist des Romans wider. Einmal wird sogar darüber philosophiert, was wohl aus der Welt geworden wäre, wenn es die USA nie gegeben hätte – nicht als alternativhistorisches Gedankenspiel, sondern aus der alten Wunschvorstellung entsprungen, eine Bestimmung zu haben. Auch der Traum ist freilich längst ausgeträumt.

Gelungenes Abenteuer mit einem Schuss Wehmut

Clines' Roman bietet jede Menge Unterhaltung, von witzigen Dialogen über Schießereien und Verfolgungsjagden bis zu sorgfältig geknüpften Zeitschleifen (so manches scheinbar nebensächliche Detail aus den Anfangskapiteln wird später noch Bedeutung erlangen). Letztlich dreht sich der Roman trotz aller Leichtigkeit aber um den Verlust der Unschuld. Für Eli, der wie jeder, der in einen Secret-History-Plot gerät, an Wissen gelangt, das sein Leben für immer verändern wird. Und eine Ebene tiefer für den Amerikanischen Traum respektive diejenigen, die ihn träumten.