Hätte die ÖVP ihretwegen nicht eines Samstags im Juli eine Presseaussendung verschickt, die Homepage wäre bis heute so gut wie niemandem bekannt. Ein paar Verschwörungstheoretiker hätten sich dort vielleicht getummelt und bestätigt gefühlt. Alle anderen, die sich hinverirrten, hätten höchstens den Kopf geschüttelt und die Seite wieder verlassen.

Juwelen und Menschenfresser

Denn die Vorwürfe sind größtenteils völlig absurd: Bundespräsident Alexander Van der Bellen soll gegen den Autor des Blogs einen Mordauftrag erteilt und dafür "von Israelis" Beutejuwelen kassiert haben. Führende Politikerinnen der Wiener Grünen würden gerne Menschenkinder essen, ist etwa auch zu lesen. Und Sebastian Kurz habe in seiner Kindheit in Kinderpornos mitgewirkt. Die groteske politische Komponente: Der Ex-Kanzler und ÖVP-Chef sei dadurch erpressbar und würde deshalb "israelische Operationen" finanzieren.

Wie DER STANDARD nun erfahren hat, sind bereits mehrere Politiker und öffentliche Personen gegen die Schmuddelseite vorgegangen. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist an der Sache dran, ein Sprecher des BVT bestätigt laufende Ermittlungen.

Der rote EU-Politiker Andreas Schieder ist schon im Mai gegen die abstruse Seite vorgegangen.
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Andreas Schieder, EU-Parlamentarier der SPÖ, ließ über seinen Anwalt schon im Mai eine Sachverhaltsdarstellung einbringen. Er war unter anderem als "israelisches Arschloch" und "Giftmörder" bezeichnet worden. "Wir haben aufgrund der Absurdität der Seite aber von einer Zivilklage Abstand genommen und das nicht öffentlich thematisiert", sagt der Rechtsanwalt Michael Pilz, der die Sozialdemokraten regelmäßig vertritt.

Will heißen: Man wollte den Gedanken eines Verschwörungstheoretikers nicht zu zusätzlicher Aufmerksamkeit verhelfen.

Anklagebehörde lässt warten

Die Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD immer wieder rechtlich berät, ist ebenfalls seit längerem für eine Mandantin in der Angelegenheit aktiv und wartet – wie Pilz – auf die Aufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. Auch sie wäre damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen, um weiteres Aufsehen zu vermeiden.

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hat einen anderen Weg gewählt: Als Beleg für die besonders schmutzigen Anwürfe gegen Kurz machte er mit einer Medienaussendung vor gut zwei Wochen die Seite und deren im deutschen Thüringen angesiedelten Betreiber öffentlich und echauffierte sich über einen Tiefpunkt im Nationalratswahlkampf. Die Seite existiert übrigens bereits seit September 2018.

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Karl Nehammer hatte rechtliche Schritte angekündigt, von denen die ÖVP nun doch absieht.
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ÖVP sieht von rechtlichen Schritten ab

Die Volkspartei hatte Ende Juli auch rechtliche Schritte angekündigt. Auf Nachfrage in der ÖVP-Zentrale am Dienstag will man davon nun aber doch absehen, wie erklärt wird. Auch wenn die Kritik an der Seite aufrecht bleibe.

"Die Veröffentlichung der ÖVP war kontraproduktiv, weil sie natürlich zu einer verstärkten Verbreitung geführt hat. Damit wurde allen von der Website Betroffenen weiterer Schaden zugefügt", ärgert sich die Anwältin Windhager. "Das hätte vermieden werden können, aber offenbar ging es der ÖVP gar nicht darum, die Verbreitung der rechtswidrigen Inhalte zu unterbinden, sondern darum, daraus politisch Kapital zu schlagen."

Seitenbetreiber als "moderner Nationalist"

Wie das "Volksblatt" berichtete, haben auch deutsche Behörden kürzlich Ermittlungen eingeleitet. Der Betreiber der Seite ist zwar Österreicher, lebt jedoch in Deutschland. Auch Kanzlerin Angela Merkel wird auf der Internetseite des Bloggers beschimpft und in abstruse Geschichten verstrickt.

Der Betreiber des abstrusen Blogs bezeichnet sich als "Aktivist im Arbeitskreis NSU".
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Der Seitenbetreiber bezeichnet sich selbst als "Aktivist im Arbeitskreis NSU", der sich zu einem "radikalen modernen Nationalismus" bekennt. Seine Einträge enthalten oft eindeutig antisemitische Bezüge. Gewettert wird eigentlich gegen Politiker jedweder Couleur. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird in einem neueren Eintrag etwa eine erotische Nacht mit "Lobbyorganisationen und korrupten Journalisten" auf einer Berghütte angedichtet, bei der auch ein "Negerbaby" gequält worden sei. In fast jedem Text wird über seltsame Verbindungen zu Israel fantasiert.

Mögliche Rechtsweg gegen "Zoom"

Was eine andere Homepage betrifft, will sich die ÖVP den Rechtsweg übrigens noch offenhalten. Gegen die Seite "Zoom", die sich als Aufdeckerplattform versteht, würde man rechtliche Schritte derzeit prüfen. (Katharina Mittelstaedt, 14.8.2019)