Assistenztechnik in jeder Form wird im Labor der Fachhochschule getestet.

Foto: FH Technikum Wien / Felix Büchele

Die Fakultät für Electronic Engineering der FH Technikum Wien beschäftigt sich seit zehn Jahren mit Assistenztechnologien und Smart Homes. Das im Mai eröffnete "Assisted Living Labor" ist so besehen ein passendes Jubiläumsgeschenk. Es bietet auf 250 Quadratmetern eine realitätsnahe Umgebung zum Erforschen, Entwickeln und Testen von Assistenztechnologien in "Smart Homes".

Es gibt einen Schlafraum mit Krankenbett, ein Wohnzimmer mit Sofa und Multi-Media-Anlage, eine Küche und ein für die Bedürfnisse körperlich beeinträchtigter Menschen ausgerüstetes Badezimmer.

Das Ziel von Assistenztechnologien ist es stets, betroffenen Menschen ihren Alltag zu erleichtern. So unterschiedlich deren Bedürfnisse, so individuell sind auch die jeweiligen Lösungen. Es gibt am Markt natürlich Geräte von kommerziellen Anbietern, welche die Erfordernisse von Menschen mit Einschränkungen adressieren.

"Sie sind aber sehr teuer und außerdem oft nicht sehr anpassungsfähig", sagt Friedrich Praus, Leiter des Studiengangs "Smart Homes und Assistive Technologien". "Jeder Mensch ist anders, und jede Behinderung ist anders. Unser Ansatz ist es deshalb, möglichst flexible Lösungen für die jeweilige Person zu entwickeln."

Jeder kann Technik nachbauen

Die Technologien stehen außerdem unter einer Open-Source-Lizenz. Das nötige elektrotechnische Fachwissen und Kenntnisse in der Programmierung von Microcontrollern vorausgesetzt, kann also im Prinzip jeder die Entwicklungen der FH-Forscher selbst nachbauen. Im Rahmen des EU-Projekts Asterics (Assistive Technology Rapid Integration & Construction Set) haben die Wiener außerdem eine frei verfügbare Softwareplattform geschaffen, mit deren Hilfe man vergleichsweise einfach selbst Assistenztechnologien entwickeln kann.

Ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit sind Eingabetechnologien für Menschen mit starken motorischen Einschränkungen bis hin zur kompletten Lähmung. Für sie ist das Internet oft die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Viele der Entwicklungen zielen deshalb darauf ab, PCs oder Tablets einfacher bedienbar zu machen.

Etwa die "Flipmouse", die sich für Menschen eignet, die ihre Hände nicht mehr bewegen können. Das Eingabegerät erfüllt alle Funktionalitäten einer normalen Computermaus, wird aber ausschließlich mit dem Mund bedient. Es wird an einem Gestell montiert in Kopfhöhe angebracht.

Steuerung mit den Lippen

Durch Lippenbewegungen steuert man den Cursor am Bildschirm, Blasen oder Saugen löst einen Klick bzw. Doppelklick aus. Das Gerät wird auf einem 3D-Drucker hergestellt, die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 50 Euro.

Eine andere Lösung erlaubt es, die Augenbewegungen des Nutzers zu erkennen und den Cursor so durch die Blickbewegung am Bildschirm zu steuern. Für Menschen mit Lähmung wurde ein Muskelsensor entwickelt. An der Haut angebracht, misst er winzige Muskelaktivitäten. Auch diese Signale können als Eingabeinformationen genutzt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Integration von Assistenztechnologien in Systeme zur Heim-Automatisierung. Die Anbindung erfolgt über den in der Gebäudeautomation gebräuchlichen KNX-Standard. Im neuen Labor sind etliche Demonstrationsanwendungen installiert, welche einen Einblick in die Möglichkeiten bieten. So überwacht ein Sensor den Küchenbereich.

Befindet sich für eine bestimmte Zeitspanne keine Person im Raum, schaltet das System automatisch die Herdplatte ab. Ein anderes Beispiel: Ein unter dem Teppichboden angebrachter Sensor erkennt, ob jemand gestürzt ist. Auch die genannten Eingabegeräte lassen sich einfach anbinden und dann beispielsweise zum Bedienen von Fernseher oder Hi-Fi-Anlage nutzen.

Alltag vereinfachen

Im Vollausbau kann man Szenarien umsetzen, die den Alltag des Bewohners so weit wie möglich vereinfachen sollen. Von der tageszeitabhängigen automatischen Licht- und Jalousiesteuerung über eine Kontrolle des Betriebszustandes elektrischer Küchengeräte bis zum Aktivieren der Alarmanlage setzt die Technik kaum Grenzen.

"Mittels der Technologie sollen Menschen mit den Fähigkeiten, die sie noch haben, das erreichen, was sie erreichen möchten", sagt Praus. Allerdings: "Sehr wenige Menschen mit Behinderung wissen über die technischen Möglichkeiten Bescheid."

Das im September anlaufende und von der Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien geförderte Projekt "Wissensdrehscheibe für barrierefreie Technologien" soll das ändern. Es zielt darauf ab, die wissenschaftliche Expertise an interessierte Unternehmen und Organisationen zu vermitteln. (Raimund Lang, 14.8.2019)