Am Montag gab es noch eine weitere Hausdurchsuchung in einem FPÖ-Bauernhaus in Osttirol.

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Nachdem DER STANDARD am Dienstag über Razzien bei Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus, FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo und Novomatic-Chef Harald Neumann berichtete, kamen am Dienstag weitere Details zu den Ermittlungen an die Öffentlichkeit.

Nach einem Bericht der Tageszeitung "Heute" bestätigte mittlerweile die FPÖ, dass es am Montag eine weitere Razzia in einer Tiroler Pension in St. Jakob im Defereggental gegeben hat. Dieses Bauernhaus gehört seit 2012 dem FPÖ-Bildungsinstitut, auch Strache hat es mehrfach genutzt, um dort zu urlauben. Strache soll sich damals für den Kauf des Hauses eingesetzt haben, angeblich um einen Rückzugsort für den "Tag X" – für bürgerkriegsähnliche Zustände – zu haben. Das berichtete "Die Presse". In der Pension könnte sich der innere Führungskreis im Fall einer Krise zurückziehen.

Die FPÖ stellt allerdings fest, dass entgegen den Medienberichten keine Gegenstände sichergestellt worden seien. "Heute" berichtete von aus einem Tresor beschlagnahmten Festplatten, auf denen Aufzeichnungen über Zahlungsflüsse aus der Glücksspielbranche vermutet würden. Am Mittwoch bemühte sich das FPÖ-Bildungsinstitut um Distanz und gab an, dass das "Freiheitliche Bildungsinstitut St. Jakob in Osttirol" nichts mit dem "Freiheitlichen Bildungsinstitut" zu tun habe. Jedoch ist der Vereinsvorstand des "FPÖ-Bildungsinstituts St. Jakob in Osttirol" ausschließlich mit FPÖ-Politikern besetzt und eine Vorfeldorganisation der Wiener Landespartei. Das wurde mittlerweile von der FPÖ bestätigt.

Ermittlungen

Die Hausdurchsuchungen fanden im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) statt. Sie will sich auf Nachfrage nicht äußern, ob Gegenstände beschlagnahmt wurden.

Auch neue Details aus dem Ibiza-Video wurden veröffentlicht: Laut "Süddeutscher Zeitung" sprach Strache davon, ein neues Gesetz machen zu wollen, das "geordnete Spielkasinos" erlaube.
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Beschuldigt sind laut WKStA sechs Personen und ein Verband, also ein Unternehmen. Dabei dürfte es sich um die Novomatic handeln. Novomatic bestätigte die Hausdurchsuchungen nicht. Bei den Personen handelt es sich um Sidlo, Neumann, Novomatic-Eigentümer Johann Graf, Gudenus, Strache und Ex-FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs. Mithilfe von Novomatic soll Sidlo Casinos-Finanzvorstand geworden sein. Als Gegenleistung hätten die FPÖ-Politiker Novomatic Glücksspiellizenzen versprochen. Ihnen wird Bestechlichkeit und Bestechung vorgeworfen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

"Novomatic zahlt alle"

Grundlage für die Hausdurchsuchungen ist eine detaillierte anonyme Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft mit angeblichem Insiderwissen. Das Ö1-"Morgenjournal" berichtete am Mittwoch über weitere Details des zehnseitigen Durchsuchungsbefehls.

Der Durchsuchungsbefehl sei betitelt mit "Strafsache gegen Heinz-Christian Strache und andere". Dabei müssten die genauen Befugnisse Straches in puncto Glücksspielthemen in seiner Zeit als Vizekanzler offenbar noch geprüft werden. Jedenfalls aber sei "eine Beitragstäterschaft anzunehmen". Zitiert wird auch die Aussage Straches aus dem Ibiza-Video: "Novomatic zahlt alle."

Am Dienstag veröffentlichte die "Süddeutsche Zeitung" ein bisher unbekanntes Zitat von Strache aus dem Ibiza-Video. Darin beschwert sich Strache, dass es nicht sein könne, dass viele Österreicher im Internet zocken oder zum Spielen in die Slowakei fahren. Sobald er an der Regierung sei, müsse sich das ändern. "Wir machen ein Gesetz, wo wir geordnete Spielkasinos zulassen", zitiert die "SZ" den damaligen Vizekanzler.

Auf Twitter wurden nun auch Ausschnitte aus dem am 22. August erscheinenden Buch "Die Ibiza-Affäre" der "SZ"-Autoren Frederik Obermaier und Bastian Obermayer veröffentlicht, das neue Infos zu Szenen aus dem Video beschreiben soll. Demnach hat Strache auf Ibiza zugesichert, er wolle das Monopol der Casinos Austria aufheben und die Lizenzen ausschreiben. Bezogen auf das Glücksspiel, so wird im Buch zitiert, sagte Strache: "Das ist verdammt schwer. Aber das geht."

Dreiervorstand besetzt

Im Durchsuchungsbefehl sollen auch Details über die Vorgehensweise bei der Besetzung des Vorstands der Casinos Austria enthalten sein. Dort heißt es: "Es sollten in dem 3er-Vorstand die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ vertreten sein." Ausgemacht sei weiters gewesen, dass "jede der drei Aktionärsgruppen – die staatliche Beteiligungs AG ÖBAG, die tschechische Sazka-Gruppe und die Novomatic – einen der Vorstände benennen sollte".

Auch eine konkrete Vorgehensweise soll ausgemacht gewesen sein: "Johann Gudenus vereinbarte mit Novomatic-Vorstand Harald Neumann, dass Novomatic als FPÖ-Kandidaten Peter Sidlo benennen sollte. In enger Abstimmung mit Heinz-Christian Strache wurde im Gegenzug eine wohlwollende Unterstützung der Novomatic durch die FPÖ ausgemacht. Gegenstand war insbesondere die Erteilung einer 'Casino Lizenz in Wien' und einer 'nationalen Online Gaming Lizenz'", heißt es in dem Durchsuchungsbefehl, aus dem der ORF zitiert.

Treffen in London

Auch über ein Treffen mit Novomatic-Eigentümer Graf und Ex-Staatssekretär Fuchs wird darin berichtet: "Fuchs akkordierte mit Johann Graf, dem Eigentümer der Novomatic, bei einem Treffen in London den Deal", heißt es. Fuchs und Strache wird auch vorgeworfen, dass sie "unter Ausnützung ihrer politischen Positionen Druck auf den Aufsichtsratsvorsitzenden der Casinos AG, Walter Rothensteiner, ausübten bzw. ausüben ließen".

Strache sprach bereits am Dienstag von einem "politischen Angriff" und einem "feigen Angriff auf meine Glaubwürdigkeit". Er betonte, dass an den Vorwürfen nichts dran sei und er sich bei den Ermittlungen uneingeschränkt kooperativ verhalte. Auch Sidlo und Novomatic bestreiten alle Vorwürfe. Letztere erklärte am Mittwoch in einer Aussendung, dass keiner der FPÖ-Funktionäre – weder Strache noch Fuchs – in der endgültigen Verantwortung gewesen seien, um Entscheidungen für diesen Themenkreis zu treffen. Zudem beteuerte der Glücksspielkonzern die Kooperation mit den Behörden.

Die Casinos Austria erklärten, dass es gegen sie selbst keine Vorwürfe gebe. Vielmehr sei man potenzielles Opfer, sollte Novomatic tatsächlich Vorteile bei Glücksspiellizenzen erhalten haben. Sidlo bleibt laut Casinos Austria vorerst Finanzdirektor. Man will die nächste planmäßige Aufsichtsratssitzung Ende September abwarten.

Auch Fuchs wies am Dienstag alle Vorwürfe gegen ihn zurück, bestätigte aber die Teilnahme an einer Glücksspielmesse in London. Eine etwaige Vergabe von Lizenzen sei dort aber nicht Thema von Gesprächen gewesen.

Fehlende Qualifikationen

Politischen Druck habe es anscheinend auch gegeben, weil Sidlo die geeigneten Qualifikationen für den Finanzvorstand nicht vorweisen konnte. "Der Aufsichtsratsvorsitzende der Casinos, Walter Rothensteiner, wies den Personalberater an, sich auf die Beschreibung des Profils von Sidlo zu beschränken", berichtete Ö1 unter Berufung auf den Durchsuchungsbefehl. Dabei soll Rothensteiner dem Aufsichtsrat die Conclusio des Personalberaters vorenthalten haben, "wonach Peter Sidlo nicht die erforderliche Qualifikation aufwies".

FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo soll den Posten bekommen haben, trotz mangelnder Qualifikationen.
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Heftige Reaktionen

Am Dienstag gab es scharfe Kritik der Parteien an der abgewählten ÖVP-FPÖ-Regierung. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda ortet nach den Hausdurchsuchungen "einen weiteren handfesten türkis-blauen Korruptionsskandal" und forderte die Österreicher auf, "das türkis-blaue System der gekauften Politik" am 29. September abzuwählen.

Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn sieht sich bestätigt: "Wir haben immer vor dieser 'blauen Glücksfee' gewarnt", erklärte er in einer Aussendung. Schellhorn forderte Sidlos umgehende Suspendierung, auch in der Nationalbank, wo Sidlo Mitglied des Generalrats ist.

Pilz fordert U-Ausschuss

Für Peter Pilz von der Liste Jetzt zeigt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein weiteres Mal, dass nur auf sie bei der Korruptionsbekämpfung Verlass sei. Er forderte, nach der Nationalratswahl einen Ibiza-U-Ausschuss einzurichten.

"Unfassbar und unverantwortlich, was die FPÖ in weniger als zwei Jahren zum Schaden der Republik angerichtet hat", sagte die grüne Bundesrätin Ewa Ernst-Dziedzic. "Und die ÖVP hat offensichtlich nicht nur zugeschaut, sondern scheint auch abgenickt zu haben." Die ÖVP selbst forderte "rasche und umfassende Aufklärung". SPÖ und Neos reagierten darauf empört: Auch die ÖVP habe Verantwortung, da Vorstandsbesetzungen im Ministerrat unter Vorsitz des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz beschlossen wurden. Die FPÖ betonte, dass die "neue Parteiführung, aber auch die FPÖ damit in keinerlei Zusammenhang" stehe. (red, 14.8.2019)