Goma – Als Esperance Nabintu mit ihrem einjährigen Sohn vergangene Woche das medizinische Zentrum in der kongolesischen Millionenstadt Goma verließ, in dem beide einen Monat lang untergebracht waren, wurde sie freudig von einer kleinen Menschenmenge empfangen. "Ich bin von Ebola geheilt", war auf ihrem weißen T-Shirt zu lesen.

Für Nabintus Mann hingegen war jede Hilfe zu spät gekommen. Sein Tod, der zweite Fall in Goma innerhalb kürzester Zeit, hatte im Juli große Wellen geschlagen und dazu geführt, dass die Weltgesundheitsorganisation einen globalen Gesundheitsnotstand ausrief – aus Angst, das Virus könnte von der Demokratischen Republik Kongo auf die Nachbarländer Ruanda und Uganda überspringen. Diese hat sich bislang nicht bewahrheitet. Die einzigen zwei anderen bekannten Ebola-Infizierten in Goma, Esperance Nabintu und ihr Sohn, sind geheilt und dürfen nach einer vierwöchigen Behandlung nachhause gehen.

Dennoch können die internationalen Ebola-Helfer, die seit dem Ausbruch der Epidemie vor einem Jahr gegen die Verbreitung des Virus kämpfen, noch lange nicht aufatmen. "Die Ebola-Epidemie im Kongo ist eine der komplexesten Krisen weltweit", sagt Elias Diab, der Leiter des Unicef-Notfallteams für Goma und ehemalige Koordinator des Ebola-Einsatzes im Kongo, zum STANDARD. Mit Einsätzen in Krisengebieten kennt sich Diab aus: Bis Anfang 2018 war der gebürtige Libanese im vom Krieg zerrissenen Jemen tätig.

Gewalt im Herzen des Ebola-Gebiets

Den Ebola-Ausbruch dürfe man nicht nur als Gesundheitsnotfall betrachten, sondern als Teil einer humanitären Krise in einem extrem gefährlichen Land. Die meisten Ebola-Fälle konzentrieren sich auf den Osten des Bürgerkriegslandes, die Regionen Nordkivu und Ituri, die von Gewalt zwischen Rebellengruppen und der kongolesischen Armee gezeichnet sind und kürzlich Schauplatz grausamer Massaker wurden. Die bewaffneten Auseinandersetzungen sind aber nicht der einzige Grund, warum der Ebola-Einsatz so komplex ist.

Die humanitären Helfer haben ein großes Problem: Bei Ebola-Infizierten, die nicht rechtzeitig oder gar nicht Hilfe suchen, liegt die Sterblichkeit bei knapp 70 Prozent, zudem ist das Infektionsrisiko für andere extrem hoch. Viele Bewohner im Osten des Kongo hegen jedoch eine tiefe Skepsis gegenüber den Helfern und lehnen deren Unterstützung ab. "Die Menschen sind von Gewalt und Massakern traumatisiert und sehen uns als verlängerten Arm der verhassten Regierung, insofern wird unsere Arbeit durch dieses Misstrauen erschwert", sagt Diab.

Im Kongo sind seit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie im Sommer vergangenen Jahres bereits fast 1.900 Menschen an der Krankheit gestorben.
Foto: APA/AFP/JOHN WESSELS

Die Angst vor einem Tod unter vermummten Fremden

Der Ebola-Einsatz sei extrem intim, sagt Diab. Deshalb brauche man das Vertrauen und die Kooperation von Stammesältesten und Vertrauenspersonen. "Bei einem Ebola-Verdacht nimmt man nicht etwa nur die Kinder aus der Schule. Helfer tauchen in einer Montur auf, in der sie Außerirdischen gleichen, nehmen betroffene Personen und ihre Nächsten mit, isolieren sie, impfen sie, und im Falle, dass sie sterben, verweigert man ihren Familien traditionelle Beerdigungsrituale."

Einige Menschen im Osten des Kongo sehen im Ebola-Virus eine Verschwörung: Sie glauben, dass Ebola eine Erfindung ist oder verbreitet wurde, um der Regierung zu nützen. Andere verstehen nicht, warum für den Ebola-Einsatz so viel Geld ausgegeben und Aufwand betrieben wird. "In den betroffenen Regionen leiden große Teile der Bevölkerung an Hunger, Gewalt und Armut, und viel mehr Kinder sterben an Malaria als an Ebola", sagt Diab. Deshalb müsse man auch anderweitig humanitäre Hilfe leisten, vor allem für Frauen und ihre Kinder. Zudem leben in der am meisten betroffenen Region viele isolierte, traditionelle Stämme, die ihr Schicksal lieber in die Hände von Naturheilern legen.

"Inzwischen wissen wir aber, dass man auf keinen Fall mit der Tür ins Haus fallen darf", sagt der Leiter des Ebola-Notfallteams. Bei einem möglichen Ebola-Fall müsse man zwar schnell handeln und die Sicherheit der Einsatzkräfte in dem Bürgerkriegsland gewährleisten. Man dürfe aber nicht einfach mit einer bewaffnete Eskorte aufkreuzen und Erkrankte mit verdächtigen Symptomen kommentarlos mitnehmen. Das stehe im Widerspruch zu den Traditionen vieler Stämme und religiöser Bräuche.

Neue Medikamente zeigen erfreuliche Erfolgsrate

"Inzwischen haben wir mit unserer Überzeugungsarbeit große Fortschritte erzielt", sagt Diab. Zehntausende Kongolesen wurden mit einem hocheffizienten Wirkstoff geimpft. Täglich gehen weiterhin hunderte Notrufe ein, in denen über Symptome von Ebola berichtet wird – fast alle davon falscher Alarm. Trotzdem grenzt es für Diab an ein Wunder, dass es ein Jahr gedauert hat, bis ein Ebola-Fall Goma erreichte. "Wir haben uns seit Monaten auf den Ernstfall, dass der Virus aus einer stark betroffenen Region in die Großstadt geschleppt wird, vorbereitet."

Neben den Ebola-Fällen in Goma wurden in den vergangenen Wochen erstmals auch drei Menschen in der Region Südkivu mit dem Ebola-Virus diagnostiziert. In allen Fällen führte die Infektionskette auf Menschen zurück, die aus Nordkivu und Ituri angereist waren. "Trotzdem darf man die Mobilität der Menschen nicht einschränken; sie müssen zur Arbeit, zu ihren Familien und in Nachbarländer reisen dürfen", sagt Diab. "So stark in das alltägliche Leben der Menschen einzugreifen würde die Stimmung gegen uns Helfer noch mehr aufheizen."

Umso wichtiger sei es, dass Überlebende an die Öffentlichkeit treten und bezeugen, dass Ebola kein Todesurteil sein muss, wenn man rechtzeitig Hilfe sucht. Es gelte, die Aura des Terrors, die Ebola aufgrund der hohen Sterblichkeit umgibt, drastisch abzuschwächen. Dass zwei Medikamente, die seit November getestet wurden, bei kürzlich infizierten Patienten eine noch nie da gewesene Erfolgsrate von 90 Prozent zeigten, könnte dazu beitragen. (Flora Mory, 20.8.2019)