Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus sollen bei der Casag-Besetzung die Fäden gezogen haben.

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Seit Ermittler bei Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus, Novomatic und an weiteren Stellen Razzien durchgeführt haben, steht die Republik Kopf. Hausdurchsuchungen bei einem früheren Vizekanzler und selbst in einer Pension des FPÖ-Bildungsinstituts – das war bisher nur schwer vorstellbar. Auch der Druck auf die ÖVP wächst, weil Personalentscheidungen in staatsnahen Betrieben üblicherweise politisch akkordiert werden. Ein Überblick über die Entstehung von Casinos-Gate, die Verdachtslage und die politischen Implikationen.

Frage: Wie kam es zu den Hausdurchsuchungen?

Antwort: Auslöser sind Ungereimtheiten bei der Bestellung des blauen Finanzmanagers Peter Sidlo zum Finanzchef der Casinos Austria AG (Casag). Dass die Besetzung erfolgte, obwohl der eingeschaltete Headhunter Egon Zehnder gröbere Zweifel an der Qualifikation des blauen Bezirksrats geäußerte hatte, sorgte für Verwunderung. Als die Staatsanwaltschaft von angeblichen Gegengeschäften der FPÖ mit Casag-Aktionär Novomatic erfuhr, begann sie mit Ermittlungen, die zu den Razzien am Montag führten.

FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo soll den Posten bei Casinos Austria bekommen haben trotz mangelnder Qualifikation.
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Frage: Wie wurde die Staatsanwaltschaft informiert?

Antwort: In Form einer anonymen Anzeige, über die DER STANDARD schon im Mai berichtete. Darin wird detailreich und mit Insiderwissen gespickt die inkriminierte Bestellung Sidlos beschrieben.

Frage: Postenschacher bei Staatsbetrieben gilt in Österreich fast schon als alltäglich. Warum fährt die Justiz jetzt derartige Geschütze auf?

Antwort: Sie sieht in der Bestellung und dem Gegengeschäft Bestechung und Bestechlichkeit. Demnach habe Novomatic der Beförderung Sidlos zugestimmt, weil sich die FPÖ im Gegenzug für die Liberalisierung des Glücksspiels einsetzen werde. Wörtlich heißt es in der richterlichen Anordnung zu den Hausdurchsuchungen: "Johann Gudenus vereinbarte mit Novomatic-Vorstand Harald Neumann, dass Novomatic als FPÖ-Kandidaten Peter Sidlo benennen sollte. In enger Abstimmung mit Heinz-Christian Strache wurde im Gegenzug eine wohlwollende Unterstützung der Novomatic durch die FPÖ ausgemacht."

Novomatic soll sich Wohlwollen der FPÖ erkauft haben. Der Konzern weist das zurück.
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Frage: Rechtfertigt jede anonyme Anzeige eine derart vehemente Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft?

Antwort: Nein. Im aktuellen Fall hält die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Vorwürfe aber für "plausibel". Das wird u.a. damit begründet, dass die Anzeige Informationen zu "Vorgehen und Gesprächen, die teils nur im vertrauten Kreis stattgefunden haben sollen", enthält. Zudem spreche das schon angeführte Insiderwissen des Anzeigers dafür, dass die Anzeige wahrscheinlich richtige Anschuldigungen enthalte.

Frage: Wie sollten denn diese Gefälligkeiten der FPÖ überhaupt umgesetzt werden?

Antwort: Indem sich die FPÖ für gesetzliche Änderungen stark macht. Mit dem damaligen Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs hätten die Freiheitlichen auch über das für Glücksspiel zuständige Regierungsmitglied verfügt. Fuchs hat Novomatic-Eigentümer Johann Graf bei einer Spielermesse in London getroffen, dort aber nach eigenen Angaben keinerlei Gespräche zu dem mutmaßlichen Deal geführt. Änderungen im Bundesland Wien, wo das Automatengeschäft zum Leidwesen der Novomatic untersagt wurde, wären freilich erst nach einem Machtwechsel möglich.

Johann Graf, Novomatic-Gründer, Milliardär.
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Frage: Sind diese Vorwürfe nicht weit hergeholt?

Antwort: Diese Argumentation verfolgen zumindest einige der Beschuldigten. Insbesondere Novomatic betont, dass weder Fuchs noch Strache in der Verantwortung stünden, das Glücksspiel maßgeblich zu ändern. Und am Automatengeschäft in Wien habe der größte Anbieter Europas "auch kein wirtschaftliches Interesse mehr", teilte Novomatic mit. Die FPÖ kritisiert den "eigenartigen Zeitpunkt" der Razzien: Dass die Justiz bis "zur heißen Phase des Wahlkampfs gewartet" hätte, obwohl die Anzeige im Juni eingebracht wurde, lege den Verdacht nach "politischem Kalkül" nahe.

Frage: Wo fanden die Hausdurchsuchungen statt?

Antwort: Bei Strache, Gudenus, Sidlo, in dessen Casag-Büro und bei der Novomatic. Zudem kam es zu einer "freiwilligen Nachschau" in einer Pension des FPÖ-Bildungsinstituts in St. Jakob im Tiroler Defreggental.

In der Pension Enzian im Defreggental wurden die Ermittler ebenfalls vorstellig.
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Frage: Was wurde beschlagnahmt?

Antwort: Strache und Gudenus, die wesentliche Teile ihrer Kommunikation über Mobiltelefon durchführen, mussten ihre Handys abgeben. Zudem wurden Laptops, Kalender und andere technische Geräte konfisziert. Länger gedauert haben soll die Razzia in St. Jakob, da sich kein Schlüssel für einen Tresor gefunden haben soll. Dieser sei dann von einem Wiener FPÖ-Mitarbeiter nach Tirol eskortiert worden, wird kolportiert.

Frage: Wer ist beschuldigt?

Antwort: Neben Strache, Gudenus, Sidlo und Fuchs auch Graf und Novomatic-Chef Harald Neumann. Zudem Novomatic selbst – denn auch sogenannten Verbände können gestraft werden. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe vehement. Strache spricht zudem von politischen Angriffen, die mit dem Wahlkampf in Verbindung stünden.

Frage: Hängt die Causa mit Ibiza zusammen?

Antwort: Formal nicht, indirekt aber schon: Strache hat schon im Ibiza-Video gemeint: "Novomatic zahlt alle." Zudem veröffentlichte die "Süddeutsche Zeitung" kürzlich neue Ausschnitte, in denen der damalige FPÖ-Chef über die Auflösung des Monopols der Casag spricht. Strache hat sich nach Bekanntwerden der Finca-Affäre von seinen Aussagen distanziert, Novomatic Parteienfinanzierung bestritten. In die neuen Ermittlungen ist zudem die Soko Ibiza involviert, die auch bei den Hausdurchsuchungen mitwirkte.

Frage: In der Affäre steht die FPÖ im Fokus. Was ist mit der ÖVP?

Antwort: Am Donnerstag bezeichnete sie die Berichte über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die einen Zusammenhang zwischen "Ibiza-Video" und dem Schreddern von Festplatten aus dem Kanzleramt seitens eines ÖVP-Mitarbeiters nicht ausschließt, als "unglaublichen Schmutzkübel-Wahlkampf". Daraufhin zeigten sich die Neos "überaus verwundert", dass die Unabhängigkeit der Justiz von der Volkspartei in Frage gestellt werde. Im Fall der Bestellung Sidlos hält sich die Volkspartei öffentlich auffällig zurück und fordert die volle Aufklärung des Falles. Die Opposition sieht darin Heuchelei. Es sei unglaubwürdig, dass Sidlo ohne volle Einbindung der ÖVP bestellt worden sei, so der Tenor. Aktienrechtlich bestellt freilich der Aufsichtsrat den Vorstand. Als gelernter Österreicher weiß man allerdings, dass im staatsnahen Bereich die Politik bei Posten ein gewichtiges Wörtchen mitredet. (Andreas Schnauder, 15.8.2019)