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Die Ermittlungen gegen den deutschen BND wurden auf Eis gelegt.

DPA

Aus der von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Juni 2018 geforderten "vollen Aufklärung" ist bisher nichts geworden. Die Staatsanwaltschaft und das Bundesamt für Verfassungsschutz wurden aktiv, nachdem STANDARD und Profil in einer gemeinsamen Recherche enthüllten, dass der BND im Zeitraum 1999 bis 2006 fast 2000 Telefon-, Fax- und Mobilanschlüsse sowie E-Mail-Adressen in Österreich überwachte. Darunter Ministerien, Universitäten, Unternehmen, Botschaften und in Wien angesiedelte internationale Organisationen wie die OPEC oder die Internationale Atomenergiebehörde IAEA.

Die zuständige Staatsanwaltschaft Wien hat die Ermittlungen gegen den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) "abgebrochen", wie Sprecherin Nina Bussek dem STANDARD bestätigt.

Spionage zum Nachteil Österreichs

In einer ersten Reaktion bezeichnete Van der Bellen die Berichte damals als "ernst". Kurz sprach von einem "enormen" Ausmaß der Überwachung. "Unter befreundeten Staaten darf es so etwas nicht geben", betonte der einstige Kanzler. Nach diesen Statements beauftragte die Staatsanwaltschaft Wien das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit Ermittlungen. Spionage "zum Nachteil Österreichs" und Wirtschaftsspionage lautete der Vorwurf.

Überraschend kommt der Abbruch der Ermittlungen nicht. Die türkis-blaue Regierung hatte kein Interesse, deswegen mit Deutschland einen Konflikt auszutragen. Die ÖVP wollte den Abbruch der Ermittlungen nun nicht einmal kommentieren.

Die Überwachung durch den BND sorgte für weltweite Schlagzeilen.
faz

Für die BVT-Agenten war die Angelegenheit eine paradoxe Situation, da sie gegen einen ihrer engsten Partner ermitteln mussten. Noch dazu inmitten der BVT-Affäre, in der das Verhältnis zwischen heimischen Verfassungsschützern und ausländischen Geheimdiensten ein großes Thema war. Immer wieder ging es um die Frage, ob das BVT von Diensten wie dem BND weiterhin Informationen bekomme. Für BVT-Chef Peter Gridling kam der Abbruch der Ermittlungen nicht unerwartet. Da Deutschland schwer kooperieren kann, "gibt es wenig Erfolgsaussichten", sagt er zum STANDARD.

Auch keine Ermittlungen gegen die NSA

Es wurden aber nicht nur die Ermittlungen gegen den BND, sondern auch jene gegen die US-amerikanische NSA wurden auf Eis gelegt. Die Staatsanwaltschaft Wien leitete bereits unmittelbar nach den ersten Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden im Jahr 2013 Nachforschungen gegen die Amerikaner ein, da diese laut Snowden massenhaft österreichische Ziele ausspioniert haben – auch in Kooperation mit dem BND am weltgrößten Internetknotenpunkt in Frankfurt. Allein mithilfe ihrer Überwachungsprogramme können die NSA und BND die Verbindungsdaten des europäischen Internetverkehrs aufzeichnen. Auch damals forderten Regierung und Opposition "rasche Aufklärung". FPÖ, Neos und Grüne sprachen sich dafür aus, Snowden Asyl zu gewähren. Daraus wurde freilich nichts.

Vertrag mit der NSA

Dafür wurde bekannt, dass zwischen den USA und Österreich ein Vertrag besteht, der die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen der NSA und dem Heeresnachrichtenamt HNaA, dem Auslandsnachrichtendienst des österreichischen Bundesheeres, festgelegt. Die Presse bezeichnete den Vertrag als "eines der großen Geheimnisse der Republik". Bis heute ist der genaue Inhalt des Papiers nicht bekannt. In einem von dem Online-Magazin The Intercept vor wenigen Wochen erstmals veröffentlichten NSA-Dokument finden sich aber Hinweise über die Zusammenarbeit. Demnach wird die Zusammenarbeit des US-Geheimdienstes mit Österreich "als streng vertraulich" eingestuft, da Österreich ein neutrales Land sei.

Die NSA über die Zusammenarbeit mit Österreich.
Foto: Screenshot

Auch in anderen Snowden-Unterlagen finden sich zahlreiche Belege über die US-amerikanisch-österreichische Zusammenarbeit. In einem Papier wird Österreich als "privilegierter Partner" eingestuft, der schon im Kalten Krieg Informationen lieferte – und zwar besonders wertvolle Erkenntnisse über Russland und den Balkan. Seitens des Bundesheeres wird diese Zusammenarbeit nicht beestritten. Sie diene dem Schutz Österreichs, heißt es.

Das Bundesheer und die Amerikaner gehen seit Jahrzehnten gemeinsame Wege. Ein weithin sichtbares Zeichen dieser Zusammenarbeit findet sich auf der Königswarte bei Hainburg.

Die Königswarte.
Foto: sum

Dort wurde 1958 eine von den USA finanzierte Abhörstation des Bundesheeres errichtet, über die jahrzehntelang Telefon- und Funkverkehr im ehemaligen Ostblock und auf dem Balkan abgehört wurde. Für Österreich waren die gewonnen Erkenntnisse nur von eingeschränktem Wert, da das Bundesheer den verschlüsselten Funk nicht selbst knacken konnte. So wurden die Aufnahmen regelmäßig an den BND und US-Geheimdienste weitergereicht.

Neutralität spielte keine Rolle

Heute wird die Abhörstation vom Heeresnachrichtenamt genutzt, um Kommunikationssatelliten und Funk via Kurzwelle abzuhören. Weitere Peilstationen wurden in Neulengbach und Großharras (NÖ), Gols (Burgenland), Pirka bei Graz und Stockham bei Wels errichtet. Diese Horchstationen waren Teil einer Peilkette, die sich von Norwegen über Deutschland bis nach Italien zog. Auf die Idee, aus der Königswarte eine moderne Satellitenabhöranlage zu machen, kamen Mitarbeiter des HNaA. Der zuerst belächelte Vorschlag, ist mittlerweile eines der Vorzeigeprojekte des Nachrichtendienstes. Die gewonnen Informationen werden mit ausländischen Geheimdiensten geteilt. Etwa mit der NSA.

Schon Jahre vor Snowden, wurde dies bekannt. In den 1980er Jahren veröffentlichte die kommunistische Tageszeitung Volksstimme brisante Informationen über das Treiben auf der Königswarte. Sie veröffentlichte ein Dokument, dass die Beteiligung der USA am Bau belegt. (Markus Sulzbacher, 15.8. 2019)