Johann Gudenus (links) war jahrelang ein enger Vertrauter von Heinz-Christian Strache (rechts). Das Foto zeigt sie 2014 – also drei Jahre vor Ibiza und fünf Jahre vor ihren Rücktritten.

Foto: APA/Fohringer

Wie kam es dazu, dass sich im Sommer 2017 der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, sein Vize Johann Gudenus und dessen Ehefrau in der berühmten Finca auf Ibiza einfanden, in der sie heimlich bei Gesprächen mit einer vermeintlichen Millionärin aus Russland gefilmt wurden? Darauf gibt eine Klagsschrift nun detaillierte Antworten. Johann Gudenus hat den Wiener Anwalt Heinz Schimanko damit beauftragt, gegen dessen Kollegen R. M. vorzugehen, der seine Involvierung in das Ibiza-Video bereits bestätigt hat.

Gudenus will erreichen, dass R. M. ihm das rund siebenstündige Video übergeben und seine eigene Kopie dann vernichten muss. Außerdem möchte er erfahren, wie viel Geld mit dem Clip verdient wurde. Der Streitwert wird mit 68.000 Euro beziffert. In der Klagsschrift, die dem STANDARD vorliegt, äußert der Anwalt des einstigen FPÖ-Klubobmanns die Befürchtung, dass "im Zuge des hart geführten Wahlkampfs der politischen Parteien weitere Teile des Ibiza-Videos veröffentlicht" oder Medien zur Verfügung gestellt werden.

Anbahnung über Gudenus' Ehefrau

In dem Schriftsatz, über den zuerst Ö1 und ausführlich der Blog "EU-Infothek" berichtet haben, dokumentiert Gudenus' Anwalt, wie es zum Treffen auf Ibiza kam. Der Erstkontakt zwischen Gudenus und dem russischen Lockvogel soll schon im Jänner 2017 über zwei andere Personen angebahnt worden sein, nämlich zwischen Gudenus' Ehefrau und einer mit ihr bekannten Immobilienmaklerin. Letztere erzählte Tajana Gudenus von einer vermögenden Russin, die sich "für Immobilien der Familie des Klägers im Kremstal interessiere", wie es in der Klagsschrift heißt. Im März kam es zu einem Abendessen mit der Immobilienmaklerin, dem Ehepaar Gudenus, dem jetzt beklagten Wiener Anwalt R. M. sowie dem russischen Lockvogel und dessen Begleitung J. H., der ebenfalls eine falsche Identität vorgab.

Wurde mit "Mercedes-Maybach" vorgefahren

Gudenus hielt den Lockvogel unter anderem deshalb für glaubwürdig, weil sie "von einem Chauffeur in einer Luxuslimousine Marke Mercedes-Maybach" zum Treffen gebracht wurde. Die Immobilienmaklerin versicherte Gudenus, dass es sich bei dem Lockvogel tatsächlich um eine reiche Russin handle. Sie gab an, eine Überweisung der angeblichen Oligarchennichte von sieben Millionen Euro auf ein Treuhandkonto des Wiener Anwalts R. M. gesehen zu haben. Da diese Überweisung nicht existiert, ist für Gudenus' Anwalt "fraglich", ob die Immobilienmaklerin und Bekannte von Gudenus' Ehefrau "eine Komplizin" sein könnte – es gilt die Unschuldsvermutung, die Maklerin war für den STANDARD am Freitagvormittag nicht erreichbar.

Investments angekündigt

Im April 2017 folgte dann eine "Besichtigung" von Gudenus' Liegenschaft, später traf man sich noch im "Stadtwirt" in Wien. Dabei soll R. M. versichert haben, dass die Oligarchennichte bereits Geld überwiesen habe. Gudenus erhoffte sich vom Verkauf seiner Immobilie bis zu 15 Millionen Euro. Im Mai 2017 zeigte der Anwalt R. M. dann in seiner Kanzlei einen gefälschten Reisepass des Lockvogels, der ihr auch die lettische Staatsbürgerschaft bescheinigte.

Parallel fanden mehrere Gespräche zwischen Gudenus und dem Münchner Detektiv J. H. statt, der ein Treffen auf Ibiza arrangieren wollte, am besten mit dem damaligen FPÖ-Chef Strache. Es hieß, die angebliche Russin wolle noch viel größere Summen in die österreichische Wirtschaft investieren und suche dafür Kontakt zur FPÖ. Im Juni 2017 war es dann so weit – es folgten die berüchtigten heimlichen Filmaufnahmen, in denen Strache und Gudenus frei über vermeintlich illegale Parteienfinanzierung, die Privatisierung von Trinkwasser und die Übernahme der "Kronen Zeitung" plauderten.

Eine Reihe von Klagen

Der Anwalt R. M. betonte kurz nach Erscheinen des Videos im Mai 2019 über seinen Anwalt, dass es sich um "ein zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt, bei dem investigativjournalistische Wege beschritten wurden", gehandelt habe. Das bestreitet Gudenus mit Verweis darauf, dass das Video in den Monaten nach seiner Aufnahme gegen hohe Geldsummen angeboten worden sein soll. Schlussendlich landete das Video bei "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung", die ausschnittsweise Sequenzen veröffentlichten.

Mittlerweile hat der Clip nicht nur Neuwahlen und die Rücktritte Straches und Gudenus' ausgelöst, sondern auch zu Ermittlungen und einer Reihe von Privatklagen geführt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft interessiert sich etwa dafür, warum FPÖ-Politiker Peter Sidlo zum Finanzchef der Casinos Austria wurde. Diesbezüglich gab es eine Reihe von Razzien, auch bei Strache und Gudenus – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 16.8.2019)