Höhlenbären waren keine Freunde von Schnee und Eis. Während der letzten Kaltzeit suchten sie sich Plätzchen im Warmen – dieser fand seines nahe dem italienischen Vincenza.
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Zürich – Wie alle Kontinente war auch Europa während des Pleistozäns von Megafauna besiedelt – von Mammuts und Wollnashörnern über Riesenhirsche bis zu Höhlenbären, Löwen und Säbelzahnkatzen. Und wie alle anderen Kontinente mit Ausnahme Afrikas und – mit Einschränkungen – Asiens ist diese Megafauna weitestgehend verschwunden, nachdem sich dort der moderne Mensch ausgebreitet hat.

Einen prominenten Vertreter dieser eiszeitlichen Megafauna hat sich nun ein internationales Forschungsteam um Verena Schünemann von der Universität Zürich und Herve Bocherens von der Uni Tübingen genauer angesehen: Der Höhlenbär (Ursus spelaeus) war mit dreieinhalb Metern Länge deutlich größer als ein heutiger europäischer Braunbär. Selbst den in Alaska lebenden Kodiakbären, die größte heute lebende Braunbären-Unterart, hätte er hinter sich gelassen. Die letzten dieser riesigen Bären dürften vor etwa 28.000 bis 25.000 Jahren ausgestorben sein.

Faktoren, die zum Aussterben führten

Gründe für das Verschwinden dieser einstmals prägenden Spezies wurden schon verschiedene vermutet: zum einen die üblichen Verdächtigen – ein klimatischer Wandel und die Ausbreitung des Menschen –, zum anderen aber auch ein etwas speziellerer: Entgegen ihrem Image als Räuber scheinen sich Höhlenbären nämlich rein pflanzlich ernährt zu haben. Das könnte sie zu unflexibel gemacht haben, um mit tiefgreifenden Veränderungen ihres Lebensraums fertig zu werden.

Alle genannten Faktoren mögen ihr Scherflein beigetragen haben. Dem Menschen schreiben Schünemann und ihre Kollegen aber in einer neuen Studie, die im Fachblatt "Scientific Reports" erschienen ist, eine Schlüsselrolle zu. Als Untersuchungsmaterial dienten ihnen Fossilienfunde von 59 Höhlenbären an 14 Orten in verschiedenen europäischen Ländern, darunter auch in der Schweiz. Überreste der Tiere wurden in den Freiburger Voralpen in der Höhle "Bärenloch" gefunden.

400.000 Jahre der Stabilität, und dann ...

Anhand der DNA-Daten konnten die Forscher fünf Abstammungslinien identifizieren, die auf einen gemeinsamen Vorfahren vor rund 450.000 Jahren zurückgehen. Diese verschiedenen Höhlenbär-Linien verteilten sich über Europa, und der Bestand blieb bis vor rund 50.000 bis 40.000 Jahren stabil.

Dann jedoch begann er drastisch zu schrumpfen – rund 10.000 Jahre, bevor sich das Klima zur vorerst letzten Kaltzeit des Eiszeitalters aufschaukelte. Wären Klimaveränderungen der Hauptgrund für das Verschwinden des Höhlenbären gewesen, würde man mit einem allmählichen Rückgang des Bestands rechnen. Doch es ging recht schnell.

Dieser Bärenschädel wurde in einer Höhle nahe Belgrad gefunden.
Foto: R.Kowalczyk

Der relativ plötzliche Einbruch des Bestands vor rund 40.000 Jahren wiederum fällt verdächtigerweise mit der Ausbreitung des modernen Menschen in Europa zusammen. Die Ergebnisse deuten damit stark auf eine Rolle des Menschen beim Aussterben des Höhlenbären hin.

Laut den Forschern kann sich die Präsenz des Menschen in mehrfacher Weise negativ ausgewirkt haben: zum einen direkt, durch Bejagung – aber auch indirekt, etwa indem die neueingewanderten Zweibeiner den Bären ihre Überwinterungsmöglichkeiten streitig machten. Die bisherigen Analysen von Höhlenbärenfossilien lassen darauf schließen, dass die Tiere stark an ihre Geburtshöhle gebunden waren. Doch die Menschen brauchten ebenfalls einen Unterschlupf – und sie wurden nicht nur immer mehr, sie verharrten auch zunehmend länger an einem Ort, heißt es in der Studie.

Damals wie heute

Eine weitere negative Konsequenz der Ausbreitung des Menschen könnte noch subtiler und dennoch auf lange Sicht tödlich gewesen sein: Mit der Abkühlung des Klimas und dem schrumpfenden Nahrungsangebot zerfiel der Bestand der Höhlenbären in viele Subpopulationen, die sich in Regionen mit moderatem Klima zurückzogen.

Möglicherweise, so die Forscher, erschwerte der Mensch den Austausch zwischen diesen verschiedenen Gruppen und untergrub damit die Stabilität des Gesamtbestands weiter. Dasselbe Problem in globalem Maßstab haben heute viele Tierarten, deren Gesamtbestand vermeintlicherweise noch beruhigend hoch ist – der sich in Wahrheit jedoch auf viele regionale und lokale "Inselpopulationen" verteilt, was den langfristig notwendigen genetischen Austausch verhindert. (jdo, APA, 18. 8. 2019)