Die Affäre hat alle Ingredienzen einer Soap-Opera. Eine Hauptrolle spielt ein einflussreicher Businessman namens Jordan Kamchev, mit einem Nettovermögen von 228 Millionen Euro der reichste Mensch Nordmazedoniens. Ihm werden unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betrug und Geldwäsche vorgeworfen. Dazu kommt die Chefin der Sonderstaatsanwaltschaft, die eigentlich gegen Korruption vorgehen sollte. Katica Janeva steht nun aber im Verdacht, Geld dafür genommen zu haben, dass sie Kamchev aus dem Hausarrest entlassen wollte.

Dritter Akteur ist der schillernde Showman Bojan Jovanovski, der zuweilen mit gold-schwarzer Sonnenbrille und in Frauenkleidern eine Dragqueen mimt und als Boki 13 große Bekanntheit genießt. Er besitzt einen TV Sender namens Eins TV und hat beste Kontakte zur sozialdemokratischen Regierung.

Bojan Jovanovski alias Boki 13 gilt in Nordmazedonien als schillernde Figur. Derzeit aber wäre es den Regierungsspitzen wohl lieber, möglichst wenig mit ihm zu tun zu haben.
Foto: Screenshot/instagram.com/boki13official

Boki 13 soll zwischen Janeva und Kamchev vermittelt und dafür selbst abgesahnt haben, so der Verdacht. Er und sein Komplize sitzen in Haft. Boki 13 wurde am 15. Juli festgenommen, als er eine Louis-Vuitton-Tasche mit 1,5 Millionen Euro bei sich trug. Janeva lenkte weiteren Verdacht auf sich, weil sie sagte, sie habe eines ihrer Handys verloren. Dieses wurde später in Belgrad gefunden, doch die Daten waren gelöscht.

Gefahr für Regierung

Mittlerweile ist der Skandal durch Veröffentlichungen von Audioaufnahmen in der italienischen Zeitung La Verità zu einer ernsten Gefahr für die Regierung geworden, denn auch Premier Zoran Zaev wird darin erwähnt. So ist Boki 13 zu hören, wie er über seine Bekanntschaft mit Zaev spricht und meint, dass dieser "keine Probleme machen" werde, ganz so, als ob Zaev in die Sache eingeweiht gewesen sei. Zaev selbst wies alle Vorwürfe zurück und sagt, er habe mit Jovanovski alias Boki 13 nur über dessen humanitäre Aktivitäten gesprochen. Er würde nicht zulassen, dass "ein paar Kriminelle, ein eitler Journalist und ein Schwuler die Regierung stürzen", so der Premier.

Hat Schimpfworte ausgeteilt: Zoran Zaev.
Foto: Janek SKARZYNSKI / AFP

Dabei verwendete der Regierungschef das Wort "peder", das für "Knabenschänder", also Päderast steht, aber auf dem Balkan als negative Bezeichnung für "schwul" verwendet wird. Zaevs Wortwahl sorgte für Entrüstung. Boki 13 droht nun laut der Zeitung Kurir aus dem Gefängnis heraus, dass er Beweise für angebliche Korruptionsdelikte von Zaev veröffentlichen werde, falls er nicht binnen drei Tagen in eine psychiatrische Klinik verlegt werde.

In dem ganzen Sommertheater bleibt offen, wer die Audioaufnahmen mit welchem Zweck gemacht hat. La Verità gilt als rechtsgerichtetes Medium. Und die rechte Oppositionspartei VMRO-DPMNE hat allen Grund, der Sonderstaatsanwaltschaft zu schaden. Gegen viele Vertreter der VMRO, allen voran Ex-Premier Nikola Gruevski, wurden Prozesse eingeleitet. Der wegen Amtsmissbrauchs verurteilte Gruevski setzte sich im Vorjahr nach Ungarn ab, als er ins Gefängnis gehen hätte müssen.

Glaubwürdigkeit beschädigt

Die VMRO-DPMNE verlangt nun den Rücktritt von Zaev und vorgezogene Neuwahlen. "Zaev ist der Kopf eines kriminellen Krakennetwerks", so die VMRO. Die Regierung versucht indes, den Schaden zu begrenzen – und hat ein Antikorruptionsteam ernannt. Die Glaubwürdigkeit der Sonderstaatsanwaltschaft ist aber bereits beschädigt – es war die einzige Institution, der die Mazedonier wirklich Vertrauen schenkten. Auf einer Aufnahme ist Chefin Janeva zu hören, wie sie mit Boki 13 redet. Sie sagt dabei, dass sie "alles unter Kontrolle" habe. Nun räumte sie ein, zwar mit Boki 13 gesprochen zu haben, aber nicht über den Deal mit Kamchev. Sie weist alle Vorwürfe zurück. Janeva wurde kürzlich entlassen, aber noch nicht einvernommen.

Staatspräsident Stevo Pendarovski rief dazu auf, dass die Staatsanwälte ihre Sommerferien verschieben sollten, um den Fall aufzuklären. Er betonte, dass die EU keine Zweifel daran entwickeln dürfe, dass Nordmazedonien mit solchen Fällen umgehen könne.

Über Janeva – die als Chefin der Sonderstaatsanwaltschaft bisher ein Symbol der Hoffnung in Nordmazedonien war – sagte er, er sei als Bürger enttäuscht. Man sei just von jenen Leuten verraten worden, "von denen wir erwartet haben, dass sie für Gerechtigkeit kämpfen", so Pendarovski.

Weitere Mitschnitte betreffen Gespräche zwischen Kamchev und Boki 13. Boki 13 sollte demnach erreichen, dass Kamchevs Hausarrest aufgehoben, ihm der Pass zurückgegeben und sein Fall zu den Akten gelegt wird. Das Geld dafür hatte Kamchev bereits abgezählt. (Adelheid Wölfl, 19.8.2019)