Seit mehr als einem Jahr gehen weltweit junge Menschen auf die Straße, um für mehr Klimapolitik zu demonstrieren. Ihre Forderungen sind ähnliche wie jene des Klimavolksbegehrens.

Foto: APA/Hochmuth

Klimaschutz in der Verfassung, ein CO2-Gesetz und ein Klimacheck für sämtliche Gesetze: Für diese und andere Forderungen will das Klimavolksbegehren ab Herbst Stimmen sammeln. Noch hapert es bei der Finanzierung: Die Crowdfundingkampagne ist noch weit vom Ziel entfernt. Prominente Unterstützer sollen der Initiative nun mehr Gehör verleihen. Deren Leiterin Katharina Rogenhofer hat sich unter anderem Renate Christ an Bord geholt. Die Biologin bekleidete bis vor wenigen Jahren eine Spitzenfunktion im Weltklimarat und kennt die heimische Politik aus ihrer Zeit im Umweltministerium. DER STANDARD hat beide getroffen.

STANDARD: Die Berichte des Weltklimarats sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Finden sich die Empfehlungen in der Politik wieder?

Christ: Global wird der Rat sehr wohl wahrgenommen. Wir haben in der Vergangenheit große Auswirkungen auf die Klimapolitik gehabt. In Österreich bin ich eher enttäuscht, die Empfehlungen schlagen sich nicht in der Politik nieder. Österreich hat seit dem Jahr 1990 seinen CO2-Ausstoß um kein einziges Gramm reduziert. Wir hatten einen großen Anstieg bis 2005, mittlerweile sind wir wieder auf dem Niveau von 1990 – dem Basisjahr für die Klimakonvention.

STANDARD: Welche Länder gehen mit gutem Beispiel voran?

Christ: Es gibt viele europäische Länder, die seit 1990 durch konsequente Maßnahmen 20 Prozent ihrer Emissionen reduzieren konnten. In Österreich aber wird gerne gesagt: Die Amerikaner sollen es zuerst machen. Vielleicht ist die nationale Politik dort im Moment nicht so klimafreundlich. Wenn man aber Städte wie New York oder Bundesstaaten wie Kalifornien anschaut, sieht man, dass wirklich etwas weitergeht. Da können wir uns sehr wohl etwas abschauen.

STANDARD: Das passiert nicht?

Christ: Nein. In Österreich haben wir hingegen die Mission 2030. Das ist ein Papier, das sehr gut in die 1990er-Jahre gepasst hätte. Es geht jetzt nicht mehr um ein Pilotprojekt hier und eine Förderung oder Einzeltechnologie dort – im Moment ist Wasserstoff politisch ja populär -, es geht um langfristige, breite Maßnahmen. Vor diesen scheut man glaube ich auch aus Angst vor einer Konfrontation mit dem Verkehrsministerium zurück.

Im Gespräch mit dem STANDARD ergänzen Christ und Rogenhofer einander immer wieder. Beide wollen Österreichs Klimapolitik vorantreiben.
Foto: Regine Hendrich

Rogenhofer: Wir haben auch gesehen, was die EU zu unserem Entwurf des nationalen Energie- und Klimaplans gesagt hat. Dass er bei weitem nicht ausreicht und nicht mit genügend Maßnahmen unterfüttert ist. Wir müssen auf nationaler Ebene wirklich nachbessern.

STANDARD: Welche Hebel sind notwendig, um in Österreichs Klimapolitik etwas voranzubringen?

Christ: Zwei Elemente sind wichtig: kurz- und mittelfristige Strategien, um die von der EU gesteckten Klimaziele zu erreichen, sowie preisliche Maßnahmen – und zwar in Form einer CO2-Steuer. Zusätzlich sind regulatorische Maßnahmen notwendig. Es dürfen beispielsweise keine Häuser mehr gebaut werden, die zum Heizen oder Kühlen zusätzliche Energie benötigen. Das kann man über die Bauordnung lösen. Außerdem brauchen wir ein gesamtösterreichisches Verkehrskonzept, das diesen Namen verdient. Mit einheitlichen Tarifen, aufeinander abgestimmten Fahrplänen – auch am Wochenende und abends.

Rogenhofer: Allein klimaschädliche Subventionen abzubauen würde relativ viel Geld in der Staatskasse belassen, das man für solche Investitionen nutzen kann. Auch die Steuer kann in eine soziale Richtung gelenkt werden, damit es nicht Haushalte trifft, die bereits wenig verdienen oder niedrige Pensionen bekommen.

"Allein klimaschädliche Subventionen abzubauen würde relativ viel Geld in der Staatskasse belassen", meint Rogenhofer. Dieses sollte für klimafreundliche Investitionen genützt werden.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Eine CO2-Steuer ist auch im Wahlkampf Thema. Einige Parteien fürchten durch einen nationalen Alleingang einen Nachteil für den Wirtschaftsstandort.

Rogenhofer: Das ist ein Argument, das in die falsche Richtung geht. Natürlich wäre es gut, wenn wir ein EU-weites Konzept hätten. Irgendjemand muss den ersten Schritt machen – wie Schweden es zum Beispiel getan hat. Dort gibt es eine im europäischen Vergleich ziemlich saftige nationale CO2-Steuer. Und Schwedens Wirtschaft ist weitergewachsen.

Christ: In der Diskussion werden häufig zwei Dinge vermischt: Ein Teil der Emissionen – und zwar die aus großen Betrieben – unterliegt ja ohnehin dem Emissionshandel. Die haben durch die limitierten Zertifikate sowieso eine Begrenzung. Die Steuer würde eher bei den übrigen Emissionen einen Lenkungseffekt erzeugen.

STANDARD: Klimaschutz ist im anlaufenden Wahlkampf ein großes Thema. Wie ernst nehmen Sie die Ankündigungen der Parteien?

Rogenhofer: Generell finde ich es gut, dass Klima zu so einem großen Thema wurde. Es zeigt, dass genügend internationales Interesse vorhanden ist. Die Parteien müssen sich jetzt darauf beziehen. Ich sehe es als Aufgabe des Volksbegehrens, hier weiter politischen Druck zu erzeugen. Das Thema darf nach der Wahl nicht einfach vom Tisch gekehrt werden. Ein Mindestmaß muss endlich erreicht werden. Wir reden nicht von einer Kür, sondern von der Pflicht, die wir erfüllen müssen.

Christ: Die Frage ist jetzt auch: Wollen wir wieder Strafe zahlen, oder wollen wir das Geld nicht lieber in zukunftsweisende Technologie investieren? Ich verstehe nach wie vor nicht, wieso wir das Kioto-Ziel nicht erreicht haben und lieber Strafen zahlen wollten.

Christ versteht nicht, wieso Staaten lieber Strafzahlungen auf sich nehmen, anstatt früh Geld in Klimapolitik zu investieren.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Mit welchen Kosten rechnen Sie in Österreich?

Rogenhofer: Es gibt Hochrechnungen, wonach Zahlungen in der Höhe von 30 bis 36 Milliarden Euro auf uns zukommen. Für klimaschädliche Subventionen, CO2-Zertifikate, die wir zukaufen müssen, und für künftige Klimaschäden. Das Geld könnten wir wesentlich besser investieren. Die Frage ist: Warum ist die klimaschädliche Variante meistens die billigere? Wenn Menschen die Möglichkeit haben umzusteigen, dann machen sie das auch.

Christ: Hier ist die Politik gefragt. Die frühere Umweltministerin (Elisabeth Köstinger, Anm.) hat ständig von Freiwilligkeit gesprochen. Auch wenn man sagt, das Volk ist wirklich willig, kann man manche Dinge ohne strukturelle und politische Vorgaben als Einzelner einfach nicht machen. Da braucht es Regeln, steuerliche Maßnahmen und eine völlige Abschaffung der Förderung von fossilen Energieträgern.

STANDARD: Die EU-Kommission hat sich Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel gesetzt. Im Volksbegehren ist das gleiche Ziel mit dem Datum 2040 versehen. Ist das realistisch?

Rogenhofer: Dabei stellt sich die Frage, wie ernst wir die Sache nehmen. Ich glaube schon, dass 2040 realistisch ist. Die Zahl wird auch von vielen Wissenschaftern genannt. 2050 müssen wir global eine Nettonull erreichen. Einige Länder müssen hier voranschreiten, damit sich das ausgeht. Österreich kann sich das als eines der reichsten Länder leisten und ist den Bewohnern schuldig, gute Alternativen zur Verfügung zu stellen.

Christ: Gewisse Maßnahmen im Verkehr, der Energie und der Städteentwicklung muss man einfach langfristig denken. Wenn ich die Infrastruktur jetzt in die falsche Richtung lenke, dann ist sie gebaut und wird verwendet. Es müssen außerdem alle Regeln und Gesetze durchforstet werden. Dabei darf Klimaschutz aber nicht nur etwas für jene werden, die es sich leisten können. (Nora Laufer, 19.8.2019)