Der Brexit-Notfallplan der britischen Regierung wurde nach dem Singvogel Goldammer benannt. Das hat das Vögelchen nicht verdient.

Was kann die arme Goldammer dafür? Dass die britische Regierung ihre Planung für den chaotischen Brexit ausgerechnet nach dem Singvögelchen benannt hat, grenzt an Verleumdung. Operation Rohrkrepierer oder Knieschuss wären viel angemessenere Namen für die mutwillige Selbstverstümmelung, die Boris Johnson und seine Spießgesellen anstreben.

Vielleicht wollten die Londoner Beamten auch nur dezent darauf hinweisen: Wie die gelben Vögel unverdrossen auch an heißen Hochsommertagen vor sich hinsingen, weisen Kritiker seit Monaten auf die katastrophalen Folgen eines No Deal hin. An Häfen würden sich Lastwagen stauen, Zuckerkranken und Grippe-Gefährdeten müssten abgelaufene Medikamente gespritzt werden, Lebensmittel würden über Nacht teurer, zwei wichtige Raffinerien wären von der Schließung bedroht. Polizei und Armee sähen sich mit Unruhen konfrontiert, nicht zuletzt an der inneririschen Grenze, deren Offenhaltung London eigentlich versprochen hat.

Der Premierminister beschwört den No Deal als Druckmittel gegenüber Brüssel: Die EU werde in der Frage des irischen Backstop nur nachgeben, wenn das Chaos glaubwürdig sei. Aber selbst wenn die 26 EU-Partner Irland im Stich lassen wollten, wäre keineswegs gesichert, dass das Unterhaus dem Austrittsvertrag zustimmen würde. Johnson spielt mit dem Feuer. Paris und Berlin sollten ihm dies in aller undiplomatischer Deutlichkeit sagen. (Sebastian Borger, 18.8.2019)