Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache stellte sich erstmals nach dem Ibiza-Skandal in einem langen Interview den Fragen österreichischer Journalisten. Dabei bezeichnete er die jüngsten Ermittlungen in der Novomatic-Causa und die Hausdurchsuchung bei ihm als "Akt der Willkür und des Unrechts".

Foto: Christian Fischer

In der "ZiB 2" am Sonntag verteidigte die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, die Vorgehensweise der Justiz.

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Wien – Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, verteidigte am Sonntag in der "ZiB 2" die Ermittlungen gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Der wegen seiner Aussagen im Ibiza-Video zurückgetretene FPÖ-Vizekanzler hatte beklagt, dass die Hausdurchsuchung bei ihm in der Causa Casinos ein "Akt der Willkür des Unrechts" sei.

Eine Hausdurchsuchung sei "nie ein Akt der Willkür", widersprach Matejka Strache in der "ZiB 2". Jede Hausdurchsuchung beruhe auf einer richterlichen Bewilligung, das könne man nicht als Unrecht bezeichnen. Die Staatsanwaltschaft sei per Gesetz verpflichtet, "in alle Richtungen gleichmäßig zu agieren und zu untersuchen, das ist ihr gesetzlicher Auftrag". Die "Justiz greift alle gleich stark an", so Matejka zu Straches schweren Vorwürfen an die Justiz.

Justiz ist nicht "Austragungsort für Wahlkampf"

Dass auch aus anderen Parteien Kritik an der Justiz zu hören ist, erklärte sich Matejka damit, "dass hier sehr viel Wahlkampfgeplänkel dabei ist". Sie forderte die ÖVP auf, klarzustellen, dass die Justiz nicht Teil der von der Volkspartei vermuteten "Schmutzkübelkampagne" in der Schredder-Affäre sei. Sie verstehe zudem die Empörung über die Anfragebeantwortung des Justizministers dazu nicht, denn dieser habe letztlich nur gesagt, dass man einen Zusammenhang zwischen dem Ibiza-Video und dem Schreddern von Festplatten durch einen ÖVP-Mitarbeiter nicht ausschließen kann.

"Das liegt in der Natur der Sache, die Staatsanwaltschaft muss allen Informationen nachgehen, sie muss sie prüfen und dann schauen, ob ein Anfangsverdacht da ist. Und solange sie noch nicht so weit ist und diese Aussage nicht tätigen kann, kann man eben auch nichts ausschließen. Nicht mehr und nicht weniger wurde gesagt", so Matejka.

"Man sollte hier grundsätzlich einmal aufhören, der Justiz irgendeine politische Motivation zu unterstellen. Die Justiz arbeitet unabhängig", sagte die Präsidentin der Richtervereinigung Sabine Matejka in der "ZiB 2" am Sonntag.
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Justiz stirbt keinen "stillen Tod"

Gegen Ende des TV-Interviews betonte Matejka, dass die Unabhängigkeit der Justiz zwar gegeben sei, dass sie allerdings in der Ressourcenknappheit einen indirekten Eingriff in die Justiz sehe.

Angesichts der prekären budgetären und personellen Situation in der Justiz hat die Richtervereinigung am Montag einen Forderungskatalog an die nächste Regierung vorgestellt. Zur Austria Presseagentur sagte Matejka: "Wir sterben ganz sicher keinen 'stillen' Tod." Die Standesvertretung setze sich mit Nachdruck für die ausreichende Ausstattung der Justiz ein. Justizminister Jabloner hatte Anfang Juli vor dem "stillen Tod" der Justiz wegen des Versagens früherer Regierungen bei deren finanzieller Ausstattung gewarnt.

Matejka verlangt von allen Parteien und besonders der nächsten Regierung ein "klares Bekenntnis" zur ausreichenden Ausstattung der Justiz – sei deren Funktionieren doch unabdingbar für den Rechtsfrieden und den Wirtschaftsstandort. Lippenbekenntnisse dazu gebe es immer wieder, aber nach dem strikten Sparkurs der letzten Jahre müsse die nächste Regierung dringend handeln. Reformen – von denen dann immer die Rede sei – trage die Richterschaft gerne mit, wenn sie sinnvoll sind, effizientes Arbeiten ermöglichen und ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Forderung nach Kanzleipersonal

Was die Justiz aktuell nötig hat, hat die Richtervereinigung unter dem Titel "Ressourcen für den Rechtsstaat" zusammengefasst. Gefordert wird eine "Aufnahmeoffensive" beim Kanzleipersonal – könnten doch viele Gerichte nur mehr einen Notbetrieb aufrechterhalten, weil in den vergangenen Jahren 400 Posten abgebaut wurden.

Die Digitalisierung allein reiche nicht aus, um das abzufedern – schon gar nicht mit dem wenigen IT-Personal. Da müsse ebenfalls aufgestockt werden – wie auch bei den Richtern: Die 40 Zivil- und Strafrichterposten mehr, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs seit Jahren nötig sind, müssten endlich als Planstellen verankert werden. Das Bundesverwaltungsgericht brauche 50 zusätzliche Richter, um den Rucksack von 40.000 Beschwerdeverfahren binnen fünf Jahren abbauen zu können.

Mehr Gehalt für "alle Justizarbeiter" gefordert

Verbesserungen verlangt Matejka aber auch beim Gehalt: "Alle Justizarbeiter" – vom Richter über den Dolmetscher bis der Bewährungshilfe – müssten angemessen entlohnt werden. Die aktuelle Besoldung, vor allem auch der Richteramtsanwärter, sei nicht mehr konkurrenzfähig. Das Gehaltssystem müsse attraktiver werden, um geeignetes, gut qualifiziertes Personal zu bekommen. Zur Sicherung der Qualität müsse auch das 2018/19 gekürzte Fortbildungsbudget wieder ausreichend dotiert werden.

Zusätzliches Geld brauche die Justiz zudem für dringend gebotene Sanierungen und Modernisierungen der Justizgebäude – im Hinblick auf Sicherheit und Barrierefreiheit.

Aber auch abseits des Budgets gibt es aus Sicht der Richter Handlungsbedarf: Sie bekräftigen die langjährige Forderung nach einer unabhängigen Weisungsspitze für die Staatsanwälte – und die Stärkung der Unabhängigkeit auch bei Personalbesetzungen: Besetzungsvorschläge für richterliche Gremien sollten für alle Posten verbindlich sein.

Für das Vertrauen in den Rechtsstaat sei zudem ausreichendes Wissen nötig. Deshalb fordert die Richtervereinigung, dass politische Bildung ein verpflichtendes Unterrichtsfach wird – und ausreichende Ressourcen für die Medienarbeit der Justiz. (red, APA, 19.8.2019)