Adrian "Wardain" Noel Mury ist einer der besten heimischen "League of Legends"-Spieler.

Foto: Mousesports

Adrian "Wardain" Noel Müry ist einer der besten österreichischen "League of Legends"-Spieler. Der Salzburger hat den Sprung in den E-Sport geschafft – er ist bei G2 Heretics, dem Farmteam von G2, unter Vertrag, dem aktuell wohl besten "LoL"-Team der Welt. Mit seinem Team ist der Österreicher bereits im Halbfinale der Liga, das am heutigen Montag stattfindet.

STANDARD: Sie sind Toplaner [Eine Position beim MOBA "LoL" – Anmerkung der Redaktion] bei G2 Heretics. Wie hat es Sie nach Spanien verschlagen?

Adrian "Wardain" Noel Müry: Ich habe lange Zeit in der DACH-Szene gespielt und war auch schon bereits vorher einen Split [Saison – Anmerkung der Redaktion] bei dem spanischen Club Giants dabei. Nach dem Summer Split 2018 bei Mousesports habe ich das Angebot von G2 Heretics bekommen und mich nach längerem Vergleichen mit anderen Angeboten dann für das Team entschieden.

STANDARD: G2 ist aktuell das beste Team in der LEC, der höchsten europäischen Spielklasse – "Wunder" wohl einer der stärksten Toplaner der Liga. Wie gut stehen da die Chancen für einen Aufstieg?

Müry: Meiner Meinung nach ist "Wunder" mit Abstand der Beste in seiner Position in Europa, abgesehen davon war er auch in der Vergangenheit oft als überhaupt bester Spieler des Westens im Gespräch. Ich denke, es wäre sehr unrealistisch, mir momentan irgendwelche Chancen auszurechnen, jedoch habe ich den Vorteil, dass ich direkt von dem Besten lernen kann.

STANDARD: Was ist das Erfolgsrezept von G2?

Müry: Kurz gesagt ist es ihre Flexibilität und die extrem starke individuelle Klasse jedes einzelnen Spielers sowie ihr Teamwork und ihr Spielverständnis. Ein Team wie dieses hat es im Westen noch nie zuvor gegeben.

STANDARD: Sie leben im Gaming-House von G2 Heretics. Wie sieht dort Ihr Alltag aus?

Müry: Der Wecker klingelt etwas vor 11 Uhr, und man macht sich für den Tag fertig, danach geht die Arbeitszeit in Form von individuellem Training (SoloQ) los. Gegen 14 Uhr gibt es Mittagessen und im Anschluss ein kleines Teamtreffen. Um 15 Uhr startet dann das gemeinsame Training (Scrim), das meistens bis circa 20 oder 21 Uhr dauert. Daraufhin gibt es Abendessen, und danach habe ich Freizeit beziehungsweise trainiere allein weiter.

STANDARD: Können Sie von Ihrem Beruf leben?

Müry: Ich bin seit circa zwei Jahren im E-Sport tätig und kann seitdem sehr gut von meinem Beruf leben. Wie in jedem anderen Job auch, hat man ein monatliches Gehalt. Dazu kommen Preisgelder, Prämien und weitere Einkommensmöglichkeiten wie beispielsweise über Social Media.

STANDARD: Sie sind einer der wenigen Österreicher, die "Challenger" bei "LoL" erreicht haben – wie viel Spielen war dafür nötig?

Müry: Wenn ich ehrlich bin, würde ich mich als alles andere als talentiert beschreiben. Alles, was ich erreicht habe, resultiert aus enorm viel Zeit und Hingabe. Es ist schwierig, pauschal zu sagen, wie viel Zeit insgesamt von mir investiert wurde, aber es handelt sich auf jeden Fall um viele Stunden, fast täglich über drei Jahre hinweg.

STANDARD: Was macht für Sie der Reiz des Toplaners ist?

Müry: Als ich angefangen habe, Toplane zu spielen, war noch alles sehr anders als heute. Die Rolle hat sich durch ein fast konstantes Eins-gegen-eins-Szenario ausgezeichnet, bei dem man extrem aggressiv spielen konnte. Heute ist alles sehr teamorientiert, und die Toplaner sind meistens die, die am Ende des Tages die wenigsten Ressourcen bekommen und nicht mehr die gleichen offensiven Möglichkeiten wie früher haben. Man könnte also sagen, dass auf jeden Fall ein Teil des Reizes für mich über die Zeit verlorengegangen ist. Jedoch ist es enorm schwierig, die Rolle zu wechseln, wenn man sich erst einen Namen gemacht hat – und so bin ich immer bei Toplane geblieben.

STANDARD: Würden Sie sagen, dass es je nach Position charakterliche Unterschiede gibt?

Müry: Definitiv. Mein Charakter wäre beispielsweise viel besser geeignet für die Support- oder Jungle-Position. Ich bin sehr aktiv und kommunikativ und möchte ständig das Spiel mitgestalten, normalerweise sind Toplaner eher der ruhige Part des Teams. Allgemein könnte man sagen, dass bestimmte Positionen bestimmte charakterliche Eigenschaften erfordern.

STANDARD: Wie wird bei G2 Heretics ein neuer Patch mitsamt der sich ändernden Meta analysiert?

Müry: Natürlich machen sich die Spieler ihre eigenen Gedanken zu Änderungen im Spiel, jedoch haben wir das große Privileg, über einen Topanalysten zu verfügen, der uns immer mit den nötigen Informationen in Form eines Patch-Meetings versorgt.

STANDARD: Wie sind Sie überhaupt zu "LoL" gekommen?

Müry: Ich habe erst sehr spät angefangen, Videospiele zu spielen, und bin mit circa zwölf Jahren zu "Starcraft" gekommen. Danach bin ich nach und nach – anfangs erst widerwillig – auf den "LoL"-Zug aufgesprungen.

STANDARD: Wer wird "LoL"-Weltmeister?

Müry: G2 natürlich!

STANDARD: Haben Sie Ihre Eltern und Freunde bei Ihrem Weg unterstützt?

Müry: Meine Freunde haben mich immer unterstützt, und dafür bin ich auch sehr dankbar, gerade weil durch meine sehr lange Abwesenheit im Ausland der Kontakt immer weniger geworden ist. Meine Eltern haben mich nie unterstützt und waren beziehungsweise sind sehr gegen meinen Weg. Auch wenn es ein enormer Vorteil ist, Eltern zu haben, die einen unterstützen, habe ich mit der Zeit realisiert, dass es letztlich auf mich und die Leute, die mich unterstützen, ankommt und man gewisse Dinge einfach nicht ändern kann.

STANDARD: Wie lange wollen Sie noch im E-Sport bleiben?

Müry: Ich sage es mal so: Solange es mir Spaß macht und solange ich gut genug bin, werde ich meinen Traum verfolgen. Mir macht das Studium allerdings auch sehr viel Freude, und so kann ich mir vorstellen, damit weiterzumachen, sollte es mit der E-Sport-Karriere nicht mehr funktionieren.

STANDARD: Wie sehen Sie die Lage des E-Sports in Österreich?

Müry: Ich denke, der E-Sport in Österreich hat einen sehr schwierigen Weg hinter sich beziehungsweise auch noch vor sich, da die grundlegend sehr konservative Haltung im Land dem Ganzen ziemlich entgegensteht. Jedoch gibt es glücklicherweise viele engagierte Menschen, die sich dieser schwierigen Aufgabe angenommen haben, und es geht definitiv steil bergauf.

STANDARD: Zuletzt noch: In welche Richtung wird sich der E-Sport in den kommenden Jahren entwickeln?

Müry: Ich denke, da der E-Sport immer mehr zum Mainstream wird und die Industrie enorme Umsätze macht, wird es nicht mehr lange dauern, bis kompetitives Gaming genauso zum Alltag gehören wird wie eine jede populäre Sportart. Immer mehr große Firmen wie KIA, Mercedes-Benz, Audi oder State Farm, um nur einen Bruchteil zu nennen, steigen ein und wollen ein Stück vom Kuchen, da braucht es keinen Hellseher, um zu wissen, dass das sehr schnell neue Dimensionen annehmen wird. (Daniel Koller, 19.8.2019)