Ein Rad steht oben, eines unten. Die Stellplätze sind wie in einem Autoparkhaus nummeriert.

Stefanie Ruep

"Fahrräder haben Vorrang, Autos warten, denn sie sind nur geduldet", sagtStadträtin Susanne Schildermann von der sozialliberalen Regierungspartei D66.

Stefanie Ruep

Mit dem QR-Code am Stellplatz kann man sein Fahrrad orten.

Stefanie Ruep

Über 1.000 Leihräder stehen den Nutzern der öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung um in der Stadt weiterzufahren.

Stefanie Ruep

Der Verkehrssprecher der Grünen, This Weistra, erklärt die Herangehensweise beim Neugestalten der Straßen: "Wir planen zuerst die Fahrradspuren, dann die Fußgänger und wenn noch Platz übrig ist, bekommen die Autos noch eine Spur."

Stefanie Ruep

Mit dem Fahrrad und den beiden Kindern mitten in die Innenstadt.

Stefanie Ruep

Parkplätze für Fahrräder werden auch in der Stadt dringend benötigt.

Stefanie Ruep

Mehr Platz für Fahrräder und nur eine Spur in beide Richtungen für Autos.

Stefanie Ruep

Die eheamlige Autobahn im Bahnhofsgebiet wird derzeit wieder ausgebaggert. Nächstes Jahr soll wieder Wasser durchfließen. Die Gracht soll bis 2030 ein grünes Naherholungsgebiet werden.

Stefanie Ruep

Kinder werden in den Niederlanden ganz selbstverständlich am Fahrrad mitgenommen. Sind sie alt genug, fahren sie selbst.

Stefanie Ruep

Utrecht – Fahrräder über Fahrräder parken in der neu eröffneten Radgarage am Utrechter Hauptbahnhof. Seit 2014 wurde die Garage stetig erweitert, am Montag sind die letzten Parkflächen eröffnet worden. Mit 12.500 Abstellplätzen auf drei Etagen ist es das größte Fahrradparkhaus der Welt, sagt Susanne Schilderman stolz. Die Stadträtin ist Mobilitätssprecherin der sozialliberale Democraten 66, einer der Stadtregierungsparteien in Utrecht. In der Mitte führt ein Gehweg durch die zweistöckigen Doppelparker, außen rundherum treten die Radfahrer in die Pedale zum Ausgang.

Wie in einem Autoparkhaus sind die Stellplätze in der Fahrradgarage nummeriert, ein Leitsystem zeigt an, wo noch Stellplätze frei sind. 24 Stunden lang kann man sein Rad im neuen Parkhaus kostenlos parken. Wer das Rad länger dort lässt, muss zahlen – 1,25 Euro am Tag. Registriert wird das mit einem Kartensystem, beim Ein- und Ausfahren wird die Karte gescannt. Damit würden die Menschen ermutigt, ihr Fahrrad nicht dauerhaft stehen zu lassen, sagt Schilderman. Mit einem Jahresabo um 70 Euro können Radfahrer auf allen zwölf bewachten Fahrradparkplätzen der Stadt ihr Fiets abstellen.

Die größte Fahrradgarage der Welt im Video.
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Neben dem großen Parkhaus gibt es noch weitere Abstellplätze beim Bahnhof – insgesamt finden dort 30.000 Räder Platz. Von Fahrradorganisationen gibt es bereits Bedenken, dass diese nicht ausreichen könnten. Denn die Anzahl der Stadtbewohner und somit auch die der Räder wächst stetig und der Utrecht Centraal ist der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt der Niederlande.

Radverleih mit Öffi-Karte

Stadtrat Thijs Weistra findet sein Fahrrad nicht sofort in der neuen Parkgarage, als er von seinem Arbeitstag in Den Haag am Bahnhof ankommt. Der Verkehrssprecher von Groen Links hat beim Abstellen vergessen, den QR-Code am Stellplatz zu scannen, mit dem das Fahrrad geortet werden könnte.

Die Kombination von Zug und Fahrrad ist ein Schlüssel zur nachhaltigen Mobilität. Das hat die Politik in der von einer Koalition aus Grünen, Linksliberalen und Christdemokraten regierten Stadt mit gezielten Maßnahmen vorangetrieben. Dazu gehört auch ein Radverleihsystem, das von der staatlichen Eisenbahngesellschaft Nederlandse Spoorwegen betrieben wird. Ausgeliehen werden die Räder mit der OV-Chipkarte, einer Art Kreditkarte, die für alle öffentlichen Verkehrsmittel in den Niederlanden gilt und an Automaten mit Geld aufgeladen werden kann.

Die 350.000-Einwohner-Stadt setzt seit Jahren auf den Ausbau der Radinfrastruktur. So hat Utrecht einen Radverkehrsanteil von 60 Prozent bei den innerstädtischen Alltagswegen erreicht. Zum Vergleich: Die Stadt Salzburg hat einen Anteil von 20 Prozent. In Utrecht sind über 125.000 Radfahrer auf dem 245 Kilometer langen Radwegenetz unterwegs.

Mehr Platz für Fahrräder als für Autos

Um Platz für die Räder zu schaffen, wurden ganze Straßenzüge komplett neu gestaltet, erklärt der grüne Stadtrat. "Wir planen zuerst die Fahrradspuren, dann die Fußgänger, und wenn noch Platz übrig ist, bekommen die Autos noch eine Spur." Dementsprechend ist fast die ganze Altstadt rot gepflastert oder asphaltiert – rote Fahrbahn bedeutet Radweg. Viele Bereiche der Innenstadt sind Begegnungszonen, auf vierspurigen Autostraßen wurden in der Mitte zwei Spuren mit Bäumen bepflanzt, alte Bahntrassen wurden zu Fahrradstraßen, und Radfahrer profitieren auch von der grünen Welle. Bewegungssensoren an Kreuzungen schalten für Radfahrer die Ampeln auf Grün. Bei der Neugestaltung von Verkehrswegen werden auch die Bürger mit Online-Befragungen und Sprechstunden eingebunden.

An der Vredenburg kann es in der Rushhour zu Fahrradstaus kommen
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Gleich nach der Ausfahrt aus der neuen Parkgarage gelangen die Radfahrer auf den meistbefahrenen Radweg der Niederlande. 33.000 Räder werden an der Vredenburg pro Tag in jeder Richtung gemessen. In der Rushhour kann es zu richtigen Fahrradstaus von mehreren hundert Metern Länge kommen. Denn über die Eisenbahngleise gibt es derzeit nur zwei Fahrradübergänge, damit konzentriert sich das Radverkehrsaufkommen an diesen Stellen. Die Stadtregierung plant deshalb einen breiten Fahrradtunnel, sagt Weistra. Ziel sei, neue Brücken und Tunnel über die Grachten und Bahnschienen zu bauen, um Fahrradhighways in die Regionen errichten zu können. In den letzten drei Jahren wurden jährlich mehr als 15 Millionen Euro nur in Fahrradinfrastruktur gesteckt.

Auf der Autobahn soll wieder Wasser fließen

Bei einer Fahrt durch das Fahrradparadies ist es kaum vorstellbar, dass Utrecht einmal eine Autostadt war. Um eine Autobahn zu bauen, wurden in den 70er-Jahren sogar Grachten trockengelegt. Nun werden diese Verkehrssünden wieder rückgebaut, die Ufer begrünt. Die Gracht vor dem Bahnhof soll den Menschen bis 2030 als Naherholungsgebiet zurückgegeben werden. Derzeit sind die Bagger noch am Buddeln, ab nächstem Jahr wird wieder Wasser durch den Kanal fließen.

Heute laute die Devise in der gesamten Stadt: "Fahrräder haben Vorrang, Autos warten, denn sie sind nur geduldet", erklärt Susanne Schilderman. Radfahren sei in den Niederlanden ein Teil der Kultur. Bereits für Kinder ist es normal, mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren. "In der Stadt ist das Fahrrad das komfortabelste und attraktivste Verkehrsmittel", sagt die Stadträtin. Das Fahrrad ist sattelfest im Alltag integriert. (Stefanie Ruep, 20.8.2019)