Es kommt Bewegung ins Amtszimmer der Bürgermeisterin (Caroline Peters, re., mit Anke Schubert).

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Die ARD-Krimiserie Mord mit Aussicht ist längst abgedreht. Schade, denn Theresia Walsers Amok-Groteske Die Empörten gäbe einen hübschen neuen Fall für das beliebte krachlederne Ermittlungsteam in der Eifel ab. Statt beim Fernsehen ist Walsers boulevardeskes Stück bei den Salzburger Festspielen gelandet, wo es am Sonntagabend im Landestheater Uraufführung hatte und deutlich deplatziert wirkte. Und das trotz Hauptdarstellerin Caroline Peters. Sie spielt eine zupackende Bürgermeisterin, die einen Amoklauf in der Fußgängerzone (jemand will "Allahu Akbar"-Rufe gehört haben) politisch zu managen hat. Ein Mann kam zu Tode, viele wurden verletzt. Auch der Amokläufer starb.

War es überhaupt ein Amoklauf? Oder doch ein Unfall? Kann man von einem Attentat sprechen? Und wer nützt die Interpretationen für welche politische Agenda? Davon handelt das Drama, das von Anfang an Arsen undSpitzenhäubchen-Charme versprüht. Denn beim "Täter" handelt es sich ausgerechnet um den Halbbruder der Bürgermeisterin, die – es ist kurz vor den Wahlen – keine Aufregung brauchen kann und die Leiche gemeinsam mit ihrem zweiten Bruder Anton (Sven Prietz) in einer historischen Truhe in ihrem Amtszimmer versteckt. Keine gute Idee. Natürlich lugt, wenn der Amtssekretär Pilgrim (André Jung) eintritt, noch ein Fuß des unsachgemäß verstauten Toten aus dem Truhenspalt.

Christuskreuz rauf oder runter?

Walsers "finstere Komödie" will eine gesellschaftspolitische Diskussion führen, allerdings in endlos abgegriffenen Koordinaten aus gefühlten zehn Jahren Migrations- und Integrationsdebatte: Christuskreuz in öffentlichen Amtsstuben; tolerante, aber dann doch auch xenophobe Muslime; Kopftuchträgerin ist gleich Putzfrau; heimattümelnde Rechtspartei; opportunistische Liberale; unwissende, ängstliche Bürger.

Stücken mit politisch-aufklärerisch gezimmertem Plot wie diesem, der wie eine Billardkugel politische Oberflächenreize touchiert, geht am Theater meist die Luft aus. Und so bleibt diese redselige Rathaus-Schrulle auf der Bühne eine erratische Anordnung mit matten Witzen. Regisseur Burkhard C. Kosminski versucht mit Bravourstücken auf der Leiter (Jung, der das Kreuz auf- und abhängt) und einem lukullischen Bühnenbild von Florian Etti entgegenzusteuern; dieses umschmeichelt den holzvertäfelten Regionalpolitikerbunker mit vorbeiziehenden alpinen Postkartenidyllen. Aber Kosminski, der langjährige Regiepartner Walsers und seit dem Vorjahr Intendant am Schauspiel Stuttgart, mit dem diese Uraufführung koproduziert wurde, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er eine Fernsehepisode auf zwei Stunden Sprechtheater erfolglos hochzujazzen versucht.

Deftige Vokabeln

Die makabere Komödie – sie ist soeben in Walsers Theatersammelband Morgen in Katar bei Rowohlt erschienen – lässt auch sprachlich die Muskeln spielen. Sie will mit deftigen Vokabeln wie "Nazizahnschmelz", "Idyllen-Gülle", "Balkandreck", "Stammbaum-Gulag" oder "Volkswadenstimmung" in Richtung Eskalation drängen. Erreicht aber eher Geschmacklosigkeit denn Schock.

Theresia Walser, die mit Stücken wie King Kongs Töchter (1998) oder Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel (2013) Erfolge feierte, ist eine wichtige Stimme der zeitgenössischen Dramatik, die weiblichen Figuren Raum verschafft. Im Fall von Die Empörten ist einfach die Adresse falsch. Vielleicht lassen sich die Fernsehkrimiproduzenten von Mord mit Aussicht ja noch einmal überreden? (Margarete Affenzeller, 20.8.2019)