Der Ilopango-See liegt in der Caldera des gleichnamigen Vulkans in El Salvador. Im sechsten Jahrhundert erschütterte die Eruption des Vulkans die Welt.

Foto: NASA Earth Observatory

Das sechste Jahrhundert war definitiv nicht die angenehmste Zeit, um am Leben zu sein. Auch wenn der dunkle und kalte Eindruck, der vom Mittelalter oft generell vorherrscht, auch nicht ganz so stimmt – speziell für die 530er- und 540er-Jahre ist er zutreffend: Große Teile der Nordhalbkugel wurden zu dieser Zeit von einem anhaltenden Kälteeinbruch erfasst, die Folgen waren fatale Missernten und Hungerkatastrophen. Zeitgleich setzten auch noch Pestepidemien ein.

Diese äußerst unwirtliche Periode beschäftigt Forscher schon lange. Durch Baumring-Untersuchungen konnten Klimatologen schon vor Jahrzehnten rekonstruieren, dass die Temperatur ab dem Sommer des Jahres 536 um mehrere Grad Celsius fiel. Nach einer kurzen Erholung setzte um 540 dann abermals eine Abkühlung ein.

Sonne ohne Strahlkraft

Zeitgenössische Berichte vervollständigen das düstere Bild. So hielt etwa der Geschichtsschreiber Prokopios von Caesarea fest: "Die Sonne, ohne Strahlkraft, leuchtete das ganze Jahr hindurch nur wie der Mond und machte den Eindruck, als ob sie fast ganz verfinstert sei. Außerdem war ihr Licht nicht rein und so wie gewöhnlich."

Was löste diese fatale Verfinsterung aus, die Teile der Welt in die Kälte und viele Menschen in den Hungertod stürzte? Dafür gab es lange konkurrierende Theorien: Über Asteroideneinschläge wurde ebenso spekuliert wie über gewaltige Vulkanausbrüche. Durch massive Einschläge oder Eruptionen emporgeschleudertes Material, Gas- und Schwebepartikel könnten sich durch Höhenwinde rasch verbreitet und die Sonneneinstrahlung vermindert haben.

Beides ist in der Erdgeschichte immer wieder passiert. Der indonesische Vulkan Tambora schleuderte beispielsweise 1815 so viel Asche und Aerosole in die Atmosphäre, dass 1816 in Europa und Nordamerika als das "Jahr ohne Sommer" in die Geschichtsbücher einging – mit Missernten und Hungernöten.

Ilopango-Eruption

Inzwischen ist man sich weitgehend einig, dass Vulkane auch hinter dem Unglück im sechsten Jahrhundert steckten. Erst im Vorjahr präsentierten Forscher eine Studie, die konkrete Hinweise auf einen der Schuldigen brachte: Sie konnten die Anomalie von 536 mit einem schweren Vulkanausbruch auf Island in Verbindung bringen, dessen Aschewolken der nördlichen Hemisphäre Finsternis brachten. Welche Vulkane aber noch daran beteiligt gewesen sein könnten – und vor allem, wodurch die neuerlichen Veränderungen ab 540 verursacht wurden –, war bisher nicht eindeutig geklärt.

Die Caldera des Ilopango in El Salvador. Die hellen Ablagerungen im Vordergrund stammen von der Eruption im Jahre 539.
Foto: Armin Freundt/GEOMAR

Jetzt hat ein internationales Forscherteam eine Antwort gefunden: Ein zweiter "Ground Zero" dürfte im heutigen El Salvador liegen, wie die Wissenschafter in den "Quaternary Science Reviews" berichten. Schon aus früheren Studien war bekannt, dass der Ilopango irgendwann zwischen dem dritten und dem sechsten Jahrhundert einen massiven Ausbruch durchgemacht hatte, bei dem Material fast 50 Kilometer in die Höhe geschleudert worden war. Unmittelbar betroffen davon waren Maya-Siedlungen, deren Bewohner durch die fatalen Folgen der Eruption den Tod fanden oder zur Flucht gezwungen waren.

Maya-Baustopp

Um diesen Ausbruch zeitlich besser eingrenzen zu können, machten sich die Wissenschafter um Clive Oppenheimer von der Universität Cambridge und Armin Freundt vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel auf die Suche nach stummen Zeugen der Katastrophe. Die fanden sie in Form von drei fossilen Baumstämmen, die rund 30 Kilometer vom Vulkan entfernt unter Asche begraben worden waren. Anhand der Baumringe und mithilfe der Radiokarbonmethode gingen die Forscher der Datierung auf den Grund. Wie sich herausstellte, starben alle drei Bäume irgendwann zwischen den Jahren 500 und 545.

Anschließend modellierten die Wissenschafter anhand weiterer Daten atmosphärische Zirkulationsmuster nach dem Ilopango-Ausbruch und kamen zum Ergebnis: Der wahrscheinlichste Ausbruchszeitpunkt liegt im Herbst 539. Das würde die neuerliche anhaltende Klimaabkühlung um das Jahr 540 erklären – und passt auch zu archäologisch dokumentierten Baustopps der Maya in dieser Region. Wie die Forscher weiter berichten, dürfte es sich bei der Ilopango-Eruption um einen der weltweit zehn stärksten Vulkanausbrüche in den vergangenen 7.000 Jahren gehandelt haben. (David Rennert, 25.8.2019)