Ein 59 Jahre alter Mann ist im Mai in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände gestorben.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – Vier Menschen sind seit 2009 in österreichischer Schubhaft gestorben. Das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Innenministeriums an die Neos hervor. Drei dieser Fälle waren bekannt. Der vierte Todesfall trug sich im Jahr 2013 im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel zu und dürfte laut APA-Informationen natürlicher Ursache gewesen sein. Näheres war vorerst nicht zu erfahren. Die Polizei erteilt keine Auskunft über abgeschlossene Verfahren, hieß es auf Anfrage. Das Innenministerium verwies auf weitere Recherchen.

"Hungerstreikerlass" und Amtsärztesitzungen

Drei der vier Todesfälle ereigneten sich im Polizeianhaltezentrum Wien am Hernalser Gürtel, es ist das größte der 14 Polizeianhaltezentren in Österreich.

Zwischen 1999 und 2009 sind sieben Todesfälle von Schubhäftlingen bekannt, besonderes Aufsehen erregte der Fall des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma, der auf dem Flug nach Sofia in Polizeigewahrsam starb. Die drei den 25-Jährigen begleitenden Fremdenpolizisten hatten ihn laut Zeugen in der Maschine gefesselt und geknebelt. Das Gericht in Korneuburg stellte in seinem Urteil knapp drei Jahre später den Erstickungstod fest und verurteilte die Polizisten wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen.

Aufgrund zahlreicher Vorkommnisse in Polizeianhaltezentren wurden immer wieder Maßnahmen getroffen, um Todesfälle zu vermeiden. In der Anfrage aufgeführt sind unter anderem standardisierte Untersuchungsbögen für definierte Symptomkomplexe, regelmäßige Amtsärztesitzungen in den Landespolizeidirektionen oder ein "Hungerstreikerlass", nachdem im Falle vorzugehen ist.

Viele Unklarheiten bei aktuellem Fall

Der jüngste Todesfall in einem Polizeianhaltezentrum ereignete sich am 12. Juni. Dabei starb ein 58-jähriger Ungar im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände aus bisher unbekannter Ursache. Krisper stellte in ihrer nun beantworteten Anfrage vom 18. Juni an das Innenministerium diesbezüglich einige Fragen. Viele davon wurden mit Verweis auf das bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängige Ermittlungsverfahren nicht beantwortet.

So bleibt unklar, wann der Gesundheitszustand des 58-Jährigen erstmals überprüft wurde und wie viele amtsärztliche Untersuchungen stattfanden. Auch ob einschreitende Beamte Wahrnehmungen zum Gesundheitszustand hatten und wie oft und wann der Zustand des Schubhäftlings überprüft wurde, wird nicht beantwortet. Ebenfalls im Dunklen bleibt, wie weit die Notfalltaste und das Bett in der Einzelzelle des Ungarn voneinander entfernt lagen und ob gegen die damals diensthabenden Beamten im PAZ bereits einmal Disziplinarverfahren anhängig waren.

Über ein Drittel der Disziplinarverfahren enden mit Freisprüchen

Laut der Anfragebeantwortung wird nicht gesondert erhoben, wie viele Disziplinarverfahren gegen Bedienstete in Polizeianhaltezentren durchgeführt werden oder wurden. Gegen Angehörige der österreichischen Bundespolizei wurden seit 2017 jedenfalls 307 Disziplinarverfahren geführt. 283 davon richteten sich gegen Männer. Eines dieser Verfahren stand in Zusammenhang mit Diensthandlungen in einem Polizeianhaltezentrum. So ermöglichte eine Dienstpflichtverletzung eines Beamten den Fluchtversuch eines Häftlings.

108 der Disziplinarverfahren wurden eingestellt oder endeten mit Freisprüchen. Sieben Disziplinarverfahren führten zu einer Entlassung aus dem Exekutivdienst. In einem achten Verfahren kam es zu einem freiwilligen Austritt eines Beamten. In 140 weiteren Fällen wurden andere dienstliche Konsequenzen gesetzt – etwa Versetzungen zu anderen Dienststellen, ein Absehen von der Strafe, Verweise oder Geldstrafen. 52 Verfahren waren zum Anfragezeitpunkt noch im Gange. (red, APA, 19.8.2019)