Von 2008 bis 2016 war Rudolf Hundstorfer Sozialminister.

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Rudolf Hundstorfer im Wahlkampf.

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Wien, 2. Mai 2006: Gemeinsam mit Rudolf Hundsdorfer eröffnen die damaligen Spitzenpolitiker Wolfgang Schüssel, Hubert Gorbach, Karl-Heinz Grasser, Jörg Haider und Andreas Khol Bawag-Sparbücher.

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Trauerrede von Pamela Rendi-Wagner.

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Videonachruf Rudolf Hundstorfer.
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Rudolf Hundstorfer, der am Dienstag mit 67 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben ist, war einer der letzten Vertreter einer sozialdemokratischen Politikergeneration, die Österreich jahrzehntelang geprägt hatte, aber zuletzt aus der Zeit gefallen schien.

Er saß als Präsident des Gewerkschaftsbundes und als Sozialminister in der Regierung von Werner Faymann an den Schalthebeln der Macht, ohne dass man ihm seinen politischen Ehrgeiz oder sein taktisches Geschick ansah. Er war als Minister populär und scheiterte dennoch 2016 spektakulär als SPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat.

Hundstorfer war stets jovial, authentisch und kompromissbereit, ein starker Verfechter der Sozialpartnerschaft, die er gemeinsam mit dem langjährigen Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hochhielt. "Er war ein großartiger Partner und Mensch", schrieb Leitl in einer ersten Reaktion.

Aufstieg aus einfachen Verhältnissen

Seine politische Karriere war Hundstorfer nicht in die Wiege gelegt. Er stammte aus einfachen Verhältnissen in Wien und begann nach der Hauptschule eine Lehre als Bürokaufmann beim Wiener Magistrat. Erst später legte er die Externistenmatura ab und arbeitete sich langsam als Kanzleibediensteter hoch. Auch in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, wo er sich schon früh engagierte, ging es langsam bergauf. Er war Jugendvertrauensmann, Organisationsreferent und im Alter von 50 Jahren schließlich Vorsitzender seiner Teilgewerkschaft. Er war Wiener Gemeinderatsabgeordneter und sogar zwölf Jahre Vorsitzender des Gemeinderates. Ab 2003 saß er auch als Vizepräsident im ÖGB-Präsidium – und war dennoch nur wenigen bekannt.

ÖGB-Chef Katzian und Ex-ÖVP-Chef Mitterlehner über Rudolf Hundstorfer.
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Das änderte sich erst 2006 mit der Bawag-Affäre rund um die Karibik-Geschäfte von Helmut Elsner. ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch musste zurücktreten, und Hundstorfer übernahm eine Organisation, die am Rande des finanziellen Ruins stand. Rasch verkaufte er die gewerkschaftseigene Bank an den US-Fonds Cerberus und arbeitete daran, das ramponierte Image des ÖGB wieder herzustellen.

Karrieresprung dank Bawag-Affäre

Dass bei der Nationalratswahl 2006 die SPÖ trotz der Bawag-Krise die ÖVP überholte und Alfred Gusenbauer Bundeskanzler wurde, war auch Hundstorfer zu verdanken. Dass Gusenbauer die Gewerkschaftsvertreter per Interview aus dem Parlamentsklub warf, trübte ihr Verhältnis der beiden.

Umso stärker war die Achse mit Werner Faymann, der ihn 2009 als Sozial- und Arbeitsminister in die Regierung holte, gerade als die Weltwirtschaft infolge der Weltfinanzkrise in den Abgrund zu schlittern schien. Hundstorfer unterstützte eine expansive Fiskal- und Arbeitsmarktpolitik und konzentrierte sich vor allem auf den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Man nahm im ab, dass ihm das Schicksal von Jobsuchenden am Herzen lag.

Bremser bei Pensionsreformen

Beim Thema Pensionsreform stand er auf der Bremse, unternahm aber zahlreiche Maßnahmen, um das faktische Antrittsalter anzuheben. Er war überzeugt, dass dies ausreichen würde, um das Pensionssystem nachhaltig zu erhalten. Sein vorsichtiger Kurs wurde letztlich auch von der Regierung Kurz fortgeführt.

Hundstorfer wehrte sich auch gegen die automatische Anpassung des Antrittsalters an die Lebenserwartung, die in zahlreichen EU-Staaten Usus ist. Als Faymann sich im November 2014 mit ihm vor der Presse stellte und erklärte: "Ich bin froh, dass ich mit Rudi Hundstorfer hier stehe und nicht mit einem Automaten", war diese damalige ÖVP-Forderung vom Tisch.

Desaströse Präsidentschaftskandidatur

Ein Jahr später ließ er sich von Faymann zur Präsidentschaftskandidatur drängen, aber er wehrte sich auch nicht dagegen. Der Wahlkampf wurde zum Fiasko. Der sonst so spontane Politiker wirkte bei den TV-Debatten hölzern und unsicher, wie ein Apparatschik aus der Vergangenheit. Die schlechten Umfragewerte machten ihn noch weniger souverän. Im ersten Wahlgang erreichte Hundstorfer am 24. April 2016 mit 11,28 Prozent der Stimmen nur den vierten Platz. Sein Scheitern läutete auch das Ende der Karriere seines Freundes Faymann ein.

Danach wurde der Austria-Fan Präsident der Österreichischen Bundessportorganisation (BSO) und 2018 Vorsitzender der Wiener Volkshilfe. Während seiner politischen Laufbahn kämpfte er stets mit seinem Gewicht und legte wert auf ein elegantes Auftreten.

Sein Tod während eines Urlaubsaufenthalts in Kroatien kam unerwartet. Er hinterlässt eine Frau, eine Tochter und zwei Stiefkinder. (Eric Frey, 20.8.2019)