"For Forest oder die unaufhörliche Anziehungskraft der Natur" ist eine künstlerische Installation des Kulturvermittlers und Künstlers Klaus Littmann, die ab 8. September im Wörthersee-Stadion zu sehen sein wird – der STANDARD berichtete. Dieses größte Kunstprojekt in der Geschichte Kärntens hat seit Bekanntwerden seine Schatten vorausgeworfen. Der vermeintliche Konflikt dreht sich um die Frage, wie sinnvoll oder künstlerisch gehaltvoll 300 Bäume in einem Fußballstadion sind.

Gegen die Kunst

Tatsächlich ist der Konflikt um diese Ausstellung aber vielschichtig und umfasst verschiedene soziale und politische Dimensionen, die auf mehreren Diskursfeldern ausgetragen werden. Es geht also um eine Ausstellung, die den Streit um ein Kunstereignis untersucht, der hier zum Gegenstand der angewandten Kulturanalyse wird. Neun Studierende der Masterstudiengänge Angewandte Kulturwissenschaft und Visuelle Kultur erarbeiteten im Sommersemester 2019 in einem Lehrforschungsprojekt die Ausstellung "For Forest – ein Konflikt über Kunst? oder wie eine Stadt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht" und stellten dabei folgende Fragen: Wer sind die beteiligten Akteure des Streits? Welches Kunstverständnis kommt im Konflikt zum Tragen? Was sind die historischen Hintergründe und die politischen Interessen der beteiligten Akteure? Hierzu wurden rhetorische Strategien identifiziert und qualifiziert.

Ein wichtiger Aspekt der Analyse ist die Rückschau auf die historische Dimension des Konflikts. Denn Kunstkonflikte wie der um "For Forest" sind nicht neu in Österreich und haben insbesondere in Kärnten eine Geschichte. Hier wird insbesondere an drei historische Kunstkonflikte erinnert, bei denen es auch 1930, 1956 und 1999 nicht wirklich um Kunst ging, sondern ebenfalls bereits vielfältige andere Konfliktlagen verhandelt wurden.

Die Installation "For Forest" von Klaus Littmann wird am 8. September im Wörthersee-Stadion eröffnet. Im Bild: "Die ungebrochene Anziehungskraft der Natur", Bleistiftzeichnung 1970/71, handkoloriert, von Max Peintner.
Foto: APA/FOR FOREST/MAX PEINTNER

Das Beispiel der Klagenfurter Bahnhofsfresken von Giselbert Hoke (1956) ist im Übrigen ein schlagendes. Wer die Möglichkeit hat, sollte die permanente Mini-Ausstellung darüber im Klagenfurter Hauptbahnhof ansehen. Der zeitgenössische Protest gegen die Bahnhofsfresken war ein Ventil für jene anhaltend nazistische Gesinnung eines Teils der Kärntner Bevölkerung, die aufgrund der militärischen Niederlage der Nazi-Wehrmacht politisch nicht mehr opportun war. Im Protest gegen die sogenannte Entartete Kunst konnte sich diese Haltung verdeckt, aber öffentlich ausdrücken.

Klagenfurter Konfliktlinien

Der historische Konflikt über Kunst verweist auf ein Muster. Die "Randale" gegen Kunst diente als Vehikel für Unausgesprochenes, anderes oder nicht Abgegoltenes. Insofern regt eine historische Betrachtungsweise dazu an, nach über den Anlass hinausreichenden Gründen zu fragen. Die Kernthese der Ausstellung besagt, dass es beim Konflikt um "For Forest" um vieles geht, aber am wenigsten um Kunst. Insofern Kulturanalyse als Gesellschaftsanalyse verstanden wird, möchte die Ausstellung zeigen, welche tiefergehenden, über die Kunst hinausreichenden sozialen und politischen Konflikte im Streit um "For Forest" zum Tragen kommen. Die Ausstellung fragt also nach den verschiedenen Dimensionen von Sinn in diesem Konflikt. Folgende Konfliktlinien, die über den Stadionwald ausgetragen werden, lassen sich feststellen:

1. Die künstlerische Installation wird von Freund und Feind des Projekts von Littmann als Abrechnung mit dem Größenwahn der Ära Jörg Haiders gelesen. Die Tatsache, dass in Kärnten ein so groß dimensioniertes Fußballstadion nicht benötigt wird und die Stadt Klagenfurt jedes Jahr eine Million Euro Unterhaltskosten bezahlen muss, ist ein tiefsitzender Stachel im Fleisch, der sowohl Gegner wie Befürworter Haiders mobilisiert. Die Projektgegner sehen ihren geliebten Landeshauptmann und ihre Anhänglichkeit an Haider blamiert.

2. Über "For Forest" wird auch der Gegensatz zwischen "denen da oben" und "uns hier unten" ausgetragen. Volkskultur wird Hochkultur gegenübergestellt. Die FPÖ hat zudem die grundlegende historische Erfahrung gemacht, dass man aufgrund einer weitverbreiteten Kunstfeindschaft in den Reihen ihrer Klientel gegen "die da oben" beziehungsweise gegen die angeblichen Eliten mobilisieren kann.

3. Eine Variante davon ist das Thema Fußball gegen Kunst, wobei nicht alle Fußballfans oder Vereinsfunktionäre Gegner des Projekts sind. Als der Wolfsberger AC überraschend in die Qualifikationsrunde der Europa League aufgestiegen war, hatten die Gegner der Kunstinstallation wieder einen Vorwand und behaupteten, das Projekt sei fußballfeindlich, da diese Spiele nun nicht im Wörthersee-Stadion ausgetragen werden können. Der Vertrag zwischen der Firma Littmann Kulturprojekte und der Stadt Klagenfurt war allerdings schon zwei Jahre vorher geschlossen worden, als diese Entwicklung kaum absehbar war. Die Europa-League-Spiele darf der WAC nicht in seinem eigenen Stadion austragen.

4. Littmann bekommt außer dem Erlass der Stadionmiete keine öffentliche Unterstützung. Er finanziert das Projekt mit circa zwei Millionen Euro eigenständig. Dennoch wurde ferner versucht, die angebliche Intransparenz der Finanzierung zu behaupten. Es wurde immer wieder unterstellt, es würde dennoch öffentliche Gelder geben. Als dieser Nachweis misslang, wurden neue Subventionen erfunden, um die regierenden Parteien in Stadt und Land anzugreifen und in Misskredit zu bringen. Neuerdings werden auch kommunale Unterstützungen für künstlerische Initiativen im Rahmenprogramm als Subventionen für die Kunstaktion ausgegeben.

5. Die lokale Kunst- und Kulturszene ist weitgehend auf der Seite von "For Forest". Allerdings wird hier durchaus kritisiert, dass Littmann ständig betone, keine Steuergelder zu benötigen und zu bekommen. Für die finanziell ausgelaugte Kulturszene in Kärnten ist es überlebensnotwendig, dass öffentliche Gelder für Kunst zur Verfügung stehen und prinzipiell legitim sind. Es wird befürchtet, dass das Projekt die Tendenz zum privaten Mäzenatentum weiter beschleunigen könnte. Dennoch gibt es auch hier Neid und Missgunst für die internationale Aufmerksamkeit, die das Projekt bereits jetzt erzielt hat.

6. Ein zentrales Diskursfeld ist die Frage der Ökologie. Littmann siedelt sein Projekt im Kontext der Debatten um Ökologie, Klimawandel und Nachhaltigkeit an. Die Gegner versuchen hingegen die (notwendigen) Widersprüche einseitig zu betonen, die mit so einem Großprojekt verbunden sind. Während die Befürworter das Anliegen positiv sehen, versuchen die Gegner dem Projekt nachzuweisen, welche ökologische Problematiken damit verbunden sind. Das Muster ist ähnlich wie bei der Abwehr der globalen Schülerbewegung #FridaysForFuture. Einzelne Probleme werden dazu herangezogen, das Anliegen insgesamt in Abrede zu stellen. Hier zeigt sich die Problematik der Übersetzbarkeit eines künstlerischen Anliegens gegenüber einer Denkweise, die das Symbolische und auch den Wert des Metaphorischen nicht denken kann oder will.

Die studentische Ausstellung über Kunstkonflikte vor dem Klagenfurter Rathaus.
Foto: Klaus Schönberger

Ohnmacht und Sinnlosigkeit

Die Kritik an "For Forest" erscheint sicherlich in zahlreichen Aspekten wie eine Fata Morgana. Bisweilen erinnert die Ablehnung in Stil und Heftigkeit an den gegenwärtigen kulturalistischen Rassismus. Es ist aber davor zu warnen, alles als absurd abzutun. Es gilt auf einen Aspekt hinzuweisen: Die kulturwissenschaftliche Forschung zu Kunstkonflikten hat gezeigt, dass die Kritik an Kunstwerken im öffentlichen Raum häufig auch ein Indiz für die als unzureichend empfundene Möglichkeit zur Teilhabe in kommunalen Angelegenheiten ganz allgemein ist. Die Frage der Beteiligung ist hier nur ein Punkt. Aber generell lässt sich sagen, dass es die Ohnmacht ist, die Menschen anfällig werden lässt für rechtspopulistische und rechtsextremistische Ideologie. Und sowohl Rassismus wie auch ihre Abneigung gegen die Kunst suggerieren ihnen fälschlicherweise Handlungsfähigkeit.

Die aus künstlerischer Perspektive plausibelste Kritik hat der Kunstvermittler Gerhard Pilgram vom Klagenfurter Unikum formuliert. Für ihn bedarf es keiner (ökologischen) Begründung für "For Forest". Er stellt das Surreale und das vermeintlich Sinnlose dieser Kunstinstallation in den Mittelpunkt, und das ist für ihn Rechtfertigung genug. Das Kunstwerk erschließt sich für ihn nicht über Rahmenprogramme oder zusätzliche Interpretationen. Das vermeintlich Sinnlose ergibt für ihn den tatsächlichen Sinn. Und damit zeigt er sich durchaus einverstanden mit allen Kritikern von "For Forest", die das ganze Projekt als sinnlos ansehen. Aber eben ganz anders und mit einer völlig anderen Schlussfolgerung.

Die Wurzeln des Konflikts

Bei genauerer Betrachtung lässt sich unterhalb der Bodendecke der sichtbaren Streitpunkte ein weitverzweigtes Wurzelwerk der eigentlichen Ursachen entdecken. Dieses symbolisiert die Verbindungen zwischen den verschiedenen Konflikten. Sie wuchern als Diskursfragmente in unterschiedliche Richtungen. Kein einzelnes Muster erklärt den Konflikt um das Kunstwerk allein, die Verzweigungen sollten nicht zu Abkürzungen in der Erklärung verleiten. Vielleicht ergeben aber der Konflikt und die Bäume im Stadion überhaupt erst jenes Gesamtkunstwerk im Sinne der von Littmann intendierten sozialen Plastik.

PS: Am Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete in Kärnten die Redewendung "in den Wald gehen", sich am antifaschistischen Befreiungskampf gegen die deutsch-österreichische Nazi-Wehrmacht zu beteiligen. Die in Kärnten bis heute immer noch nicht wohlgelittenen Partisanen hatten oft keine andere Wahl. Sie mussten in den Wald gehen. Das war ein vorbildliches Handeln. Die Ausstellung lässt den Betrachtern die Wahl, ob sie sich für oder gegen den Wald im Stadion entscheiden möchten. (Klaus Schönberger, 22.8.2019)