"Wir sind im Augenblick noch auf einem Pfad in Richtung drei bis vier Grad Celsius Erwärmung", warnte Klimaforscherin Veronika Huber bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen.

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Alpbach – Ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um zwei Grad Celsius dürfte die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Europa um 50 Prozent erhöhen. Steigen die Temperaturen im Mittel um drei oder vier Grad, wird eine Steigerung der Hitzetoten um das Vierfache prognostiziert. Diese Schätzungen wurden am Dienstag bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen präsentiert.

Schon bei der Hitzewelle des Sommers 2003 wurden in ganz Europa vermehrte Todesfälle registriert. "In Paris waren es rund 2.000 hitzebedingte Todesfälle, in Gesamteuropa etwa 70.000", sagte Klimaforscherin Veronika Huber von der Universität Pablo de Olivade in Sevilla (Spanien). Im Juli dieses Jahres wurden in den Niederlanden mit maximal 40,7 Grad Celsius, in Belgien (bis zu 41,8 Grad), in Paris mit maximal 42,6 Grad Celsius und in Deutschland mit bis zu 42,6 Grad Celsius Spitzenwerte gemessen, wie es sie zuvor noch nie gegeben hat.

"Es wären ohne durch den Menschen verursachten Klimawandel drei Grad weniger gewesen", sagte die Expertin. Auch in bisher gemäßigten Klimazonen werde es der Expertin zufolge zunehmend zu Gesundheitsproblemen kommen: Anstieg der direkt hitzebedingten Todesfälle, vermehrte Pollenbelastung (Allergien) und die Verbreitung von Tropenkrankheiten (Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber und/oder Chikungunya-Erkrankung) durch neue Vektoren ("Tigermücke") dürften auch in Europa zunehmen. Chikungunya-Erkrankungen, die nicht auf den Import durch Reisende zurückzuführen waren, wurden bereits 2007 an der Adria, 2010 in Südfrankreich und in diesem Jahr in Spanien registriert.

Zwei Szenarien

Seit 1850 hat sich die weltweite Durchschnittstemperatur bereits um etwas mehr als ein Grad Celsius erhöht. "Es gibt zwei Pfade. Entweder wir kratzen die Kurve und bleiben bis zum Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad Celsius Erwärmung. Oder wir enden bis Ende des Jahrhunderts bei plus 4,5 Grad", erklärte Veronika Huber.

Nur die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens könne zur positiven Variante der Modellberechnungen führen, betonte die Expertin. Für ein Land wie Deutschland stünden beispielsweise nur noch 20 Jahre Zeit zur Verfügung, um den CO2-Ausstoß beenden. 1960 wurden weltweit rund 10.000.000.000 Tonnen (zehn Gigatonnen) CO2 in die Atmosphäre geblasen. 2018 waren es bereis 37,1 Gigatonnen. Der ständige Anstieg wurde nur unmittelbar nach der Finanzkrise vor rund zehn Jahren kurz unterbrochen. "Wir sind im Augenblick noch auf einem Pfad in Richtung drei bis vier Grad Celsius Erwärmung", meinte Huber.

Fehlende Gesundheitspläne

Bauliche und organisatorische Maßnahmen in Institutionen des Gesundheitswesens, Vorbereitungen für Hitzeperioden speziell für Risikogruppen (Babys, Kinder, Betagte, Obdachlose), mehr Aufklärung über die Gefahren und auch oft durchaus einfache Gegenmaßnahmen wären gefordert, sagte Werner Kerschbaum, ehemals Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK). "Das WHO-Regionalbüro Europa hat festgestellt, dass nur 18 Staaten von 53 Mitgliedsstaaten Gesundheitspläne für Hitzeperioden haben."

Das kann tragisch enden. "Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in stark hitzebedrohten Regionen. Hitzewellen sind vorhersagbar, die Auswirkungen beherrschbar", erklärte Kerschbaum. Das Rote Kreuz hat bereits einen Ratgeber für Hitzewellen in Städten erstellt. Die Anstrengungen zur Prävention katastrophaler Auswirkungen künftiger Perioden mit Rekordtemperaturen sollten jedenfalls verstärkt werden. "2018 hatten wir in Österreich bereits eine hitzebedingte Übersterblichkeit von 766 Todesfällen. Im Straßenverkehr gab es rund 400 Todesfälle", warnte Kerschbaum. (APA, red, 20.8.2019)