Sprache galt lange als das Alleinstellungsmerkmal des Menschen. Doch wie wir heute wissen, können Schimpansen lernen, mit Gebärdensprache zu kommunizieren, und tragen Buckelwale einander komplexe Gesänge vor. Inwieweit man bereit ist, das als Sprache anzuerkennen, hängt davon ab, wie man den Begriff definiert. Unbestritten ist aber, dass viele Tiere akustisch kommunizieren, besonders wenn sie in Gruppen leben.

Beim menschlichen Spracherwerb spielt vokales Lernen, also die Nachahmung von Lauten, eine zentrale Rolle. Im Tierreich konnte diese Fähigkeit bisher nur selten nachgewiesen werden: Berühmtheit erlangten etwa der Graupapagei Alex, der 200 Wörter sagen konnte, und der Seehund Hoover, der ganze Sätze seines menschlichen Ziehvaters von sich gab – noch dazu mit dessen Akzent.

Elefanten können die Stimmen von hundert Individuen unterscheiden, meinen Wissenschafter. Die der Nachkommen gehören mit Sicherheit dazu.
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Aufsehen erregte auch der Asiatische Elefant Koshik, der imstande ist, einige koreanische Wörter zu sagen, und Schwertwale in Gefangenschaft, die menschliche Laute nachahmen. Ein Elefantenweibchen in einer Waisenstation imitiert außerdem Lastwagengeräusche, und ein Afrikanischer Elefantenbulle, der unter Asiatischen Elefanten lebte, verwendet deren Laute, die völlig anders sind als die seiner Artgenossen.

Vokales Lernen

Auch in freier Natur gibt es Beispiele für vokales Lernen: Nilflughunde verständigen sich untereinander mit einer Vielzahl von Rufen. Israelische Forscher konnten zeigen, dass die Jungen ihre Rufe im Lauf der Zeit von einer Vielzahl kindlicher Laute auf die Erwachsenenvariante umstellen – allerdings nur, wenn sie diese auch zu hören bekommen.

Bleiben die Jungen unter sich, entwickeln sie diese Rufe nicht. Wenn sie hingegen Erwachsenenrufe über Lautsprecher vorgespielt bekommen, eignen sie sie sich auch dann an, wenn sie atypisch sind. Das bedeutet, dass diese Rufe durch Nachahmung gelernt werden.

Auch Afrikanische Elefanten kommunizieren in freier Wildbahn: Umherstreifende Familiengruppen halten ständig akustisch Kontakt zueinander. Sie tun das über Infraschallrufe, die Wissenschafter als "Rumbles" (englisch für "Grollen") bezeichnen.

Kilometerweit zu hören

Diese Rumbles sind kilometerweit zu hören und die Elefanten können sie individuell unterscheiden: Wurden Weibchen die Rufe von bekannten und fremden Elefanten vorgespielt, näherten sie sich dem Lautsprecher nur, wenn es sich um Rufe vertrauter Individuen handelte; sonst reagierten sie mit Vermeidung.

Männchen hingegen interessierten sich mehr für die Lautäußerungen unbekannter Artgenossinnen. Wie Angela Stöger-Horwath vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien und ihre Mitarbeiter herausfanden, vermitteln die Rumbles auch Information über Identität, Geschlecht, Alter und sogar über den Gemütszustand des Senders.

Frage der Familienzugehörigkeit

Man vermutet, dass die Elefanten die Stimmen von rund hundert Individuen auseinanderhalten können. In einem kürzlich angelaufenen Projekt will Stöger-Horwaths Gruppe mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF herausfinden, ob die Rumbles auch Aufschluss über die Familienzugehörigkeit der einzelnen Tiere geben.

Beobachtungen von Elefantengruppen in verschiedenen Zoos legen nahe, dass die individuellen Rumbles innerhalb derselben Gruppe einander ähneln – vergleichbar mit menschlichen Dialekten, die zwar derselben Sprache angehören, aber sich doch deutlich voneinander unterscheiden.

Auch bei Tieren spricht man in solchen Fällen von Dialekten, die bisher bei vielen Singvögeln und einigen Walarten nachgewiesen werden konnten. Eine gängige Hypothese geht davon aus, dass dieselbe Sprache – bzw. derselbe Dialekt – den sozialen Zusammenhalt stärkt, was sich nachvollziehen lässt: Man stelle sich nur vor, man brauche im – durchaus auch deutschsprachigen – Ausland Hilfe und stoße unvermutet auf jemanden, der den eigenen Dialekt spricht.

Im Grollen der Elefanten ist die Gruppenzugehörigkeit des "sendenden" Elefanten codiert. Auch verfremdetes Grollen sollten die Tiere dann als vertraut erkennen, sagen die Wissenschafter.
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Um mehr über die Dialekte von Elefanten herauszufinden, werden Stöger-Horwath und ihre Mitarbeiter die Tiere im Addo Elephant National Park in Südafrika über einen im Gebüsch versteckten Lautsprecher mit drei verschiedenen Rumbles-Typen konfrontieren: von ihnen unbekannten Individuen, von bekannten und solche von bekannten, die künstlich verändert wurden.

"Wir glauben, dass in den Rumbles auch die Gruppenzugehörigkeit des Senders codiert ist, und zwar über andere akustische Parameter als seine Identität", erklärt Stöger-Horwath. "Wenn das so ist, müssten die Elefanten auch auf die verfremdeten Rumbles positiv reagieren: Die Identität ist zwar verschleiert, aber ihre Zugehörigkeit zur selben Gruppe nicht."

Für das Wohlergehen der Elefanten

Stöger-Horwaths Arbeiten bringen nicht nur unser Wissen über Sprache voran, sie könnten auch einen Beitrag zum Wohlergehen von Elefanten leisten: "Heutzutage werden die Elefantenbestände in den meisten Schutzgebieten von Menschen gemanagt", wie die Wissenschafterin ausführt, "und bei Überbevölkerung werden Tiere oft in andere Gebiete verbracht. Auch Zootiere werden in andere Institutionen verschifft. In beiden Fällen haben sie in der neuen Umgebung oft Schwierigkeiten, Fuß zu fassen. Wenn wir sie und ihre zukünftigen Gefährten vorher über Rufaufzeichnungen aneinander gewöhnen könnten, könnte das die Situation verbessern."

Ein anderer Bewohner der afrikanischen Steppe wurde lange Zeit für weitgehend stumm gehalten, nämlich die Giraffe. Wie sich erst in den letzten Jahren herausgestellt hat, sind Giraffen sozialer als gedacht: Auch sie bilden Gruppen, die sich während der Nahrungssuche zerstreuen, sich aber immer wieder zusammenfinden.

Der lange Hals

Unter diesen Umständen würde man erwarten, dass der Gruppenzusammenhalt über akustische Kommunikation erfolgt, doch im Unterschied zu anderen Paarhufern erzeugen Giraffen keine nennenswerten Rufe. Der Grund dafür dürfte ihr Hals sein: Er ist zu lang, um den nötigen Luftstrom zu erzeugen. Wie Stöger-Horwath und Kollegen an Zoogiraffen in Wien, Berlin und Kopenhagen zeigen konnten, produzieren die Tiere ein niederfrequentes Summen – vorwiegend bei Nacht.

BBC Studios

"Giraffen sehen hervorragend und sehr weit, sodass sie den Gruppenzusammenhalt tagsüber wahrscheinlich so bewerkstelligen", wie Stöger-Horwath ausführt, "möglicherweise verwenden sie das Summen als Kommunikation in der Nacht, wenn die Sicht stark eingeschränkt ist." Belege für eine Infraschallkommunikation bei Giraffen, die seit langem durch die Fachliteratur geistert, fanden Stöger-Horwath und ihre Kollegen nicht. (Susanne Strnadl, 29.8.2019)