Der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wurde im November 2014 vom Landgericht Essen wegen Untreue zulasten des ehemaligen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor zu drei Jahren Haft verurteilt. Im November 2017 kam er wieder auf freien Fuß.

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Berlin – Als Thomas Middelhoff am Dienstag in Berlin zur Vorstellung seines Buches erscheint, ist man fast ein wenig erstaunt. Der 66-jährige ehemalige deutsche Topmanager (Bertelsmann, Karstadt, Arcandor) trägt eine dunkle Hose und ein normales weißes Hemd –und gar kein Büßerhemd.

Fast hätte man ein solches erwartet, denn "Big T.", wie die schillerndste Person der deutschen Managerszene früher genannt wurde, ist angetreten, um gründlich Buße zu tun. Als "Ex-Manager und Ex-Knacki" stellt er sich gleich vor und demonstriert, dass er nichts beschönigen will.

Thomas Middelhoff, "Schuldig. Vom Scheitern und Wiederaufstehen". € 22,70 / 207 Seiten. Verlag Adeo, Asslar 2019.
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Millionen hat er verdient, im Jet flog er zu den US-Präsidenten George Bush und Bill Clinton, in teuren Villen wohnte er, bis er im Jahr 2014 vom Essener Landgericht wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet wurde. Es war ein beispielloser Fall in der deutschen Wirtschaftsgeschichte, und nicht wenige fühlten Genugtuung, dass es einen "gierigen Manager" erwischt hatte.

"Charakterlich habe ich es verdient", sagt Middelhoff über seine Haftstrafe, auch der Titel seines Buches heißt "Schuldig". Er bezieht dies aber nur auf seine moralische Schuld. Und so exzessiv wie Middelhoff früher Geschäfte gemacht und gelebt hat, fällt jetzt auch seine öffentliche Reue aus.

"Komplett gescheitert"

Sein Leben sei "komplett gescheitert", räumt er ein. Alles habe er früher mitgenommen, weil er der Ansicht gewesen sei, es stehe ihm einfach zu. Gier nach Geld und Anerkennung nennt er als Antrieb, Narzissmus und Acedia – die Unfähigkeit, im Augenblick zu sein. Immer weiter, immer zum nächsten Projekt.

Im Gefängnis dann habe er sich vor lauter Scham nicht mehr im Spiegel sehen können. Doch der Aufenthalt dort und die Arbeit in einer Bielefelder Einrichtung für Behinderte hätten die Läuterung gebracht. Heute lebt Middelhoff, der an einer Autoimmunkrankheit leidet und Privatinsolvenz angemeldet hat, vom nichtpfändbaren Teil seiner Bertelsmann-Rente.

Materielle Dinge brauche er nicht mehr, denn er wisse: "Gott hält dich immer." Warum er das Buch geschrieben habe, wird er bei der Präsentation gefragt. Seine Antwort: Er wolle jungen Menschen, die ins Wirtschaftsleben drängen, einen Rat geben: "Macht nicht den Scheiß, den ich gemacht habe." (Birgit Baumann, 20.8.2019)