Verhandelt das Bundesverwaltungsgericht einen Asylbescheid, sind neuerdings auch Beamte des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl anwesend.

Foto: Matthias Cremer

"Ich mag nicht mehr, ich schließe meine Kanzlei." Selbst für sein Kollegenumfeld überraschend – und bitter für seine Klientinnen und Klienten –, kündigte der Grazer Asylanwalt Ronald Frühwirth kürzlich auf seiner Homepage an, er werde seine Anwaltei aufgeben.

Die langen Jahre des Engagements als Anwalt für Asylwerber hätten ihn zermürbt. Er höre auf, "weil ich nicht mehr ständig mit dem Kopf gegen die Wand rennen will. Ich kenne jede Rechtsprechungslinie in asylrechtlichen Fragen, bin mit allen Formalismen vertraut. Und dennoch – oder vielleicht auch: deshalb – werfen sie mir alles zurück."

Vorzeigelehrling

Was Frühwirth im Detail letztlich an die Substanz ging, lässt sich an einem aktuellen Fall, der Herbert Langthaler von der Asylkoordination vorliegt, einigermaßen nachvollziehen. Es wird mittlerweile alles noch komplizierter. Denn selbst wenn das Bundesverwaltungsgericht einmal positiv für Asylwerber entscheidet, mischt neuerdings eine andere Behörde, die Erstinstanz, mit.

In diesem exemplarischen Fall geht es um einen jungen Flüchtling aus Afghanistan, der seit vier Jahren in Österreich lebt. Er hat den Schulabschluss nachgeholt, spricht laut allen verbrieften Akten mittlerweile hervorragend Deutsch, er besucht die Berufsschule, ist im sozialen Leben in einer Familie bestens integriert und kickt in einem lokalen Fußballverein. Ein "Vorzeigelehrling" sozusagen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beschied sein Ansuchen, in Österreich bleiben zu können, aber negativ, das Bundesverwaltungsgericht hingegen korrigierte die Erstbeurteilung des Asylamts und sprach sich für ein humanitäres Bleiberecht aus. Weil der Bursche eben bestens integriert ist.

"Dann ist etwas passiert"

"Dann ist etwas passiert, was wir in letzter Zeit öfter beobachten", sagt Langthaler. Plötzlich legte das Asylamt Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts ein. Warum? "Überspitzt muss man sagen, weil den Beamten fad ist. Denn während der Flüchtlingskrise wurden die Asylstellen personell ordentlich aufgestockt, und jetzt, nachdem keine Flüchtlinge mehr kommen, suchen sich die Beamten offenbar ein neues juristisches Betätigungsfeld. Sie kommen jetzt sogar zu den Verhandlungen."

In diesem aktuellen Fall argumentiert der Asyljurist in seinem Schreiben an das Gericht, das er mit einem Dickicht von Paragrafenhinweisen schmückt: Das Bundesverwaltungsgericht habe die Integration des Asylwerbers "in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund gestellt. Es besteht nämlich ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, das von Fremden grundsätzlich verlangt, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen."

"Interesse des Fremden"

Und schließlich ein bezeichnender Satz der Asylbehörde: "Das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Inlandsaufenthalt nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu." Das Ausmaß der Integration spiele im Grunde keine Rolle, der junge Afghane hätte wissen müssen, dass er ausreisen müsse.

Das Asylamt: "Die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen zunächst keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar." Egal auch, "dass ein Fremder für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommt und nie straffällig geworden ist".

"An diesem Schreiben sieht man deutlich, wie das Asylamt, wie die dortigen Beamten ticken", sagt Langthaler. Oder wie es Anwalt Ronald Frühwirth in seinem Abschiedsschreiben ausdrückt: "Ich musste diesen Unwillen eines Rechtssystems, Rechte anzuerkennen, Menschen vermitteln, deren Existenz damit ins Wanken geriet. Dabei geriet nun meine Verbundenheit mit diesem Rechtssystem ins Wanken. Als Rechtsanwalt bin ich Teil davon. Das möchte ich nicht mehr sein." (Walter Müller, 21.8.2019)