Ex-Kanzler Sebastian Kurz sucht eine "pragmatische Lösung" für Asylwerber in der Lehre.

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Wien – Sollen in der Lehre befindliche Asylwerber bei einem negativen Bescheid sofort abgeschoben werden? Die Frage hat in den vergangenen Monaten für viele Kontroversen im Land gesorgt. Die ÖVP-Führung hat nun offiziell einen Schwenk bei diesem Thema vollzogen. War sie bisher strikt gegen ein Bleiberecht für Asylwerber-Lehrlinge, ist sie nun dafür. Was das für Lehrlinge bedeuten wird – ob sie also tatsächlich bleiben dürfen –, bleibt dennoch fraglich.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz sprach sich am Mittwoch für eine "pragmatische Lösung" aus. Gemeinsam mit Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck schlug er vor, dass der Asylbescheid bei etwa 900 Altfällen erst nach dem Ende der Lehrausbildung ausgestellt beziehungsweise vollzogen wird.

So könne die Lehre auf jeden Fall abgeschlossen werden, teilte die ÖVP am Mittwoch mit. Sollte der Asylbescheid dann positiv ausfallen, könne der Asylwerber in Österreich bleiben. Im Fall eines negativen Bescheids müsse der Asylwerber das Land verlassen, könne jedoch mit einer abgeschlossenen Ausbildung in seinem Heimatland einen Beitrag zum Wiederaufbau seines Landes leisten.

ÖVP gegen gesetzliche Regelung

Wenn die ÖVP nun einen Schwenk vollzieht, muss dies aber auch rechtlich verankert werden. Die FPÖ ist strikt gegen ein Bleiberecht. Sollte es also zu einer Neuauflage der türkis-blauen Koalition nach den anstehenden Wahlen kommen, ist unklar, warum es zu einer Neuregelung der Causa kommen sollte. Die FPÖ hat keinen Grund nachzugeben.

Möglich wäre allerdings noch ein Beschluss im Nationalrat vor der Wahl, dort herrscht ja derzeit ein freies Spiel der Kräfte. SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda hat der Volkspartei bereits angeboten, eine gemeinsame Regelung zu finden. Die Neos sprechen sich schon lange für ein Bleiberecht aus, die Liste Jetzt ebenfalls. Dagegen ist also nur die FPÖ.

Wäre die ÖVP also bereit, vor der Wahl zu handeln?

Im ÖVP-Klub verwies man auf die Nachfrage, ob man nun aktiv wird, auf die Sprecher von Parteichef Kurz. Dort lautete die Antwort: "Da wir nur Altfälle abarbeiten wollen, ist auch nur ein Erlass des Innenministeriums und keine Gesetzesänderung notwendig. Den neuen Erlass soll eine neue Regierung in Angriff nehmen."

Sprich: Eine gesetzliche Neuregelung soll es nicht geben. Bis eine neue Regierung im Amt ist, wird es noch dauern. Der grüne Landesrat aus Oberösterreich, Rudi Anschober, der seit Monaten für ein Bleiberecht kampagnisiert, sagt, dass es grundsätzlich gut sei, wenn nun "Bewegung in die Sache kommt".

Aber: Sei die Neupositionierung von Kurz "ernst und ehrlich" gemeint, dann müsse die ÖVP jetzt noch aktiv werden und eine entsprechende Gesetzesänderung im September mit den anderen Parteien mittragen. "Alles andere wäre eine Irreführung der Öffentlichkeit."

ÖVP sieht alten Fehler

Die Einführung der Möglichkeit, dass Asylwerber während des laufenden Verfahrens eine Lehre beginnen, bezeichnete die ÖVP in ihrer Stellungnahme als "Fehler der damaligen rot-schwarzen Bundesregierung". Hier wird sich also sicher nichts ändern.

Zur Erinnerung: Asylwerber haben in Österreich so gut wie keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Der kürzlich verstorbene Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hatte im Jahr 2012 die Lehre für Asylwerber geöffnet. Per Erlass war damals geregelt worden, dass Asylwerber im Alter von bis zu 18 Jahren eine Lehre in einem Beruf annehmen können, in dem Lehrlinge fehlen.

Zunächst meldeten sich nur sehr wenige Menschen, weshalb die Altersgrenze 2013 auf 25 erhöht wurde. Zu den Mangelberufen zählen aktuell etwa Tischler, Koch, Stylistin und Elektrotechniker. Nach 2015 begannen immer mehr Asylwerber eine Lehre, aktuell sind es um die 900 – besagte Altfälle. Lehrlinge finden sich in allen Bundesländern, mit Abstand die meisten gibt es in Oberösterreich.

Als zahlreiche Asylwerber in erster Instanz einen negativen Asylbescheid bekamen, startetet Anschober seine Kampagne für ein Bleiberecht. Die türkis-blaue Koalition reagierte mit einer Regelverschärfung: Das Sozialministerium unter Beate Hartinger-Klein (FPÖ) strich den Erlass wieder, der Asylwerbern Zugang zur Lehre gab. Und: Politisch verständigte man sich in der Koalition darauf, dass es keine Extraregelung für Lehrlinge geben soll. (András Szigetvari, 21.8.2019)