Dieses Grab im ostkroatischen Osijek enthielt die Gebeine dreier Jugendlicher.
Foto: D Los

Wien – Im Osten Kroatiens haben Forscher um Ron Pinhasi von der Universität Wien und Mario Novak vom Institut für Anthropologische Forschung in Zagreb mehrere Skelette freigelegt, die einen interessanten Einblick in die Völkerwanderungszeit geben: Es handelt sich um die Gebeine dreier Jugendlicher, von denen zwei eine künstlich herbeigeführte Schädeldeformation aufweisen. DNA-Analysen zeigten zudem, dass die drei ursprünglich aus weit voneinander entfernten Regionen stammten.

"Die Jugendlichen wurden offensichtlich zur selben Zeit begraben, und zwar irgendwann zwischen 415 und 560 nach der Zeitenwende, wie die Radiokarbondatierung eines der menschlichen Knochen zeigt", so Pinhasi. Pflanzenreste und Scherben von Töpfen, die wohl von Beigaben stammen, deuten auf ein reguläres Begräbnis hin.

Ein künstlich deformierter Schädel nach der Ausgrabung.
Foto: D. Los/Kaducej Ltd

Aus aller Herren Länder

Was die Volkszugehörigkeit betrifft, kommen laut den Forschern germanische Stämme wie Ostgoten oder Gepiden sowie die aus Asien vorgedrungenen Hunnen in Betracht – die ihrerseits eine recht heterogene Zusammensetzung gehabt haben dürften. Die DNA-Analysen schrieben den drei Jugendlichen jedenfalls sehr unterschiedliche Abstammungen zu. Die Ergebnisse zeigen laut Novak, dass zur Zeit der Völkerwanderung in der Pannonischen Tiefebene ganz verschiedene ethnische Gruppen miteinander in regem Kontakt standen.

Der Jugendliche ohne künstliche Schädeldeformation weist eine überwiegend westeuropäische Abstammung auf, der Jugendliche mit der langgezogenen Schädelform eine ostasiatische, und der dritte Jugendliche eine nahöstliche", so Pinhasi. Der Jugendliche mit ostasiatischer Abstammung ist zudem das erste in Europa gefundene Individuum aus der Zeit der Völkerwanderung, dessen Abstammung größtenteils auf Ostasien zurückgeht.

CT-Scan eines der gefundenen Schädel – dieser wurde abgeflacht.
Foto: M Kavka

Die mit Brettern, Bandagen oder speziellen Kopfbedeckungen herbeigeführten Schädeldeformationen waren unterschiedlicher Art: Bei einem der Jugendlichen war dies wohl mit einem Brett oder ähnlichem an der Oberkante der Stirn durchgeführt worden, sodass der Schädel vorne oben abgeflacht und nach hinten verformt war. Der Schädel des zweiten wurde wohl am ehesten mit rundum gewickelten Bandagen stark nach oben hin verlängert.

Der CT-Scan zeigt die beträchtliche Verlängerung eines weiteren Schädels.
Foto: M. Cavka/University Hospital Centre Zagreb

Solche künstlich herbeigeführten Deformationen– eine in vielen Kulturen weltweit ausgeübte Praxis – hatten laut den Forschern den Zweck, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder die persönliche Identität sichtbar zu machen. Kinder und Heranwachsende wurden solcherart "behandelt", damit man sich klar von anderen Volksgruppen abgrenzen oder den eigenen Status, Adel oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse oder Gruppe zeigen konnte.

Spuren eines gewaltsamen Todes fanden die Forscher keine. Die drei Jugendlichen, die zwischen zwölf und 16 Jahre alt geworden sind, waren zu Lebzeiten aber in schlechter Verfassung. Daran sei wohl starke Mangelernährung in ihren ersten Lebensjahren schuld gewesen, so die Forscher. (red, 22. 8. 2019)