Stephan Hegyi (vorne) ist 117 Kilo schwer, muss aber vor allem mit flott umgesetzter Technik punkten.

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Schweinsschnitzel, in Panko paniert und dann frittiert, serviert auf Reis, weichem Ei und Frühlingszwiebeln – Stephan Hegyi wird sich in den kommenden Tagen wieder öfter Katsudon in die imposante Figur stellen. Vor allem weil es der 1,86 Meter hohe und 117 Kilogramm schwere Judoka während monatelanger Trainingsaufenthalte in Japan zu schätzen gelernt hat. Aber wohl auch weil japanische Prüflinge Katsudon zu essen pflegen – denn katsu heißt gewinnen, das weiß Hegyi, der sonst mit wenigen Worten Japanisch auskommt.

Der 21-jährige Wiener ist Österreichs vielleicht aussichtsreichster Prüfling bei der am Sonntag anhebenden Judo-WM in Tokio, der Generalprobe für das olympische Turnier, das knapp ein Jahr später ebenfalls im Nippon Budokan steigt. Im heute 14.000 Zuseher fassenden Sporttempel waren 1964 die ersten olympischen Judomedaillen vergeben worden. Drei der vier Goldenen holten die Gastgeber, nur in der offenen Klasse, heute über 100 Kilo, erwies sich der Niederländer Anton Geesink als unbezwingbar, der erste nicht-japanische Weltmeister.

Der Geesink der Gegenwart heißt Teddy Riner, ist Franzose aus Guadeloupe, 2,06 Meter hoch, gut 140 Kilo schwer, doppelter Olympionike, neunmaliger Weltmeister, in 337 Kämpfen seit 2010 ungeschlagen und also die ultimative Herausforderung. Auch für Hegyi, der seine sonst ruhig auf dem Tisch ruhenden Hände bei Nennung des Namens ballt. Auch er ist Riner schon einmal unterlegen, diesbezüglich bei der WM auszugleichen, zu verhindern, "dass er mich einpackt", wäre mit Hegyis Ziel für Tokio gut zu vereinbaren – eine Medaille.

Logische Entwicklung

Für den Athleten vom Sport Club Hakoah Wien, bis 2010 von Peter Seisenbacher trainiert, dann umsichtig aufgebaut und begleitet vom Ex-Judoka Axel Eggenfellner, wäre das fast eine logische Entwicklung. Im Vorjahr gewann Hegyi bei den Europameisterschaften in Tel Aviv Bronze. Vor neun Wochen gelang ihm das bei den Europaspielen in Minsk noch einmal. Dazwischen lag ein zweimonatiger Aufenthalt in Japan, lag nur von Schlafen und Essen (Katsudon!) unterbrochenes Training an der Tokai-Universität. Neben Kraft- und Ausdauereinheiten erfreute sich Hegyi vor allem an den jeweils dreistündigen Schindereien auf der Matte. Mit bis zu 15 Gegnern wurde er da handgemein – der große Vorteil des Trainings in Japan, wo es vor starken Partnern nur so wimmelt, nicht nur Einheimischen, sondern andere Trainingsgäste aus aller Welt. Hinz und Kunz lassen die Japaner allerdings nicht auf ihre heiligen Matten. Klasseleute wie Hegyi sind gerne gesehen, zumal die über 100 Kilo schweren Judoka relativ rar sind.

Österreichs schwerster Judobrocken ist dabei in der Weltklasse einer der Leichteren und damit auch in der Gruppe der Besseren. "Masse mal Zufall ist Wurf", gilt für den technisch versierten, flinken Judoka jedenfalls nicht. Nach Absolvierung seines Rituals, das unmittelbar vor dem Kampf in drei Sprüngen auf der Matte gipfelt, sucht der den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, "reinzugehen, das ist das Rezept". Bringt Hegyi seine Spezialität, den Hüftwurf O-goshi an, ist er nah dran am Katsu. Hegyis Stichtag in Tokio ist der 31. August. (Sigi Lützow, 21.8.2019)