Schauspielerin Anne Bennent wohnt in einem Haus im Kamptal, das ihr vor 14 Jahren der Wind ins Gesicht wehte. Und dann waren da noch die leere Ecke, die nicht leer ist, und die Geschichte der weißen Füchse.

"Ein Zimmer braucht in meinen Augen eine leere Ecke. Hier sitze ich in der leeren Ecke im Esszimmer, bloß hat sie leider die Eigenheit, dass sie sich immer wieder mit irgendetwas füllt. Im Winter war sie, weil sie die Nordecke ist, immer kalt. Daher haben wir sie an der Innenseite mit fünf Zentimeter starken Korkplatten verkleidet, die ich in Wien in einer Korkfirma bei Frau Korkenschießer gekauft habe. Nun ist dies die warme Korkecke, sodass ich auch im Winter hier sitzen und Saxophon spielen oder Handarbeiten machen kann.

Fotos: Lisi Specht

Das Stopfen und Reparieren von Kleidungsstücken und Dingen unseres täglichen Lebens gibt mir ein Gefühl der Ruhe, der Konzentration. Geliebte Dinge schmeiße ich meist nicht weg, denn sie sind wie Gäste in meinem Leben, die mir dienen und eine Geschichte haben. Auch beim Kochen habe ich lieber alte Kochlöffel, die etwas zu erzählen haben, weil sie schon durch viele Hände gegangen sind.

Wahrscheinlich hat mir diese Achtsamkeit meine Mutter mitgegeben. Auch sie saß oft in eben diesem Fauteuil und stopfte oder nähte ihre Gedanken und Träume in unsere Gewänder. Mein vielleicht schönstes und surrealstes Erlebnis diesbezüglich war, als mir auf der Donauinsel vor vielen Jahren in einer heißen Sommernacht ein weißer Fuchs mein goldenes Paillettenkleid gestohlen hatte. Am nächsten Tag fand ich das Kleid zerbissen und stellenweise zerfetzt im Gebüsch wieder. Wegschmeißen wollte ich es nicht, also flickte ich es kunstvoll. Das nun aufgewertete, vom Fuchs veredelte Kleid trage ich immer noch mit Freude und erinnere mich dabei gerne an damals.

Foto: Lisi Specht

Vielleicht ist es kein Zufall, dass ich hier auf weißen Fuchsfellen sitze. Eigentlich würde ich mir so eine Fellpracht ja niemals kaufen. Ich fand die Felle auf dem Dachboden einer Bekannten, wo sie seit einer Ewigkeit verwahrt wurden und sehr wahrscheinlich irgendwann zu Staub zerfallen wären. Ich brachte es nicht übers Herz, so einen Schatz der Zerstörung zu überlassen. Also habe ich sie gekauft und zusammennähen lassen. Nun leben sie weiter, wärmen meinen Arsch beim Nähen und lösen Bewunderung und Entsetzen aus. Das ist die märchenhafte Geschichte der weißen Füchse in meinem Leben.

Manche könnten meinen, wenn sie auf Besuch kommen, dass die Ecke wunderbar inszeniert sei. Kann sein, aber was ist denn eine Inszenierung im Grunde genommen? Die Komposition von nützlichen, dem jeweiligen Bedarf dienenden Gegenständen?

Fotos: Lisi Specht

Die Korkplatten jedenfalls sind praktisch. Sie wärmen nicht nur, man kann damit auch mit Stecknadeln Notizen, Postkarten, Kalender anbringen. Die Dinge bleiben, solange sie mir gefallen, solange ich sie brauche, und fliegen dann wieder weg wie Schmetterlinge, damit sie anderen Dingen Platz machen können. Ein Kommen und Gehen. Vielleicht wird die Ecke ja wieder einmal leer.

Was hoffentlich nicht wegfliegen wird, ist das Haus selbst, das meinem Mann Otto Lechner und mir vor 14 Jahren buchstäblich zugeflogen ist. Wir wohnen in Thunau am Kamp, in einer wunderschönen alten Villa, die mir mit einem Schlag auf einem Wiener Marktplatz in Form eines Zeitungsblattes vom Wind ins Gesicht geweht wurde. Darauf war ein Foto dieses Hauses zu sehen – mit einem Gesicht, mit vier Fenstern unten und vier Fenstern oben, das auf den kleinen Bahnhof vis-à-vis blickt. Ich mag die Entfernung zur Stadt, denn erstens bin ich eine alte Nomadin, die gerne herumzieht, und zweitens will ich, wenn mir danach ist, nackt oder mit dem Nachthemd in den Garten gehen und ins Gras pissen.

Fotos: Lisi Specht

Einen Wohntraum habe ich auch. Meine Traumhäuser sind eine Lehmhöhle oder eine leere Jurte. Ich wünschte, ich könnte mich irgendwann einmal von allem Besitz lösen, denn die Gefahr besteht, dass man vom Besitz besetzt oder gar besessen wird. Diese Träume möchte ich mir gerne bewahren." (Protokoll: Wojciech Czaja, 26.8.2019)