Es ist schon wieder einige Zeit her, dass man Gedanken an einen Atomkrieg recht gut verdrängen konnte. Doch das Ende des Washingtoner Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme Anfang dieses Monats und die jüngsten Tests sowohl auf russischer wie auch auf US-amerikanischer Seite rufen in Erinnerung, dass auf der Welt rund 15.000 Nuklearsprengköpfe gelagert sind – und jeweils rund 7000 davon vom russischen und vom US-amerikanischen Präsidenten aktiviert werden können.

Zur Beruhigung trägt auch nicht gerade bei, dass Donald Trump den Einsatz von Atomwaffen nicht grundsätzlich ausschließt, und dass mit Indien und Pakistan zwei Atommächte in einer potenziell explosiven Auseinandersetzung um den Kaschmir stehen.

Wir halten bei zwei vor zwölf

Auch aus diesen Gründen steht die Weltuntergangsuhr der Zeitschrift "Bulletin of the Atomic Scientists" aktuell auf zwei vor zwölf. Damit ist der Wert eingestellt, der zwischen 1953 und 1960 herrschte, als die damaligen Supermächte recht intensiv Atom- und Wasserstoffbomben testeten und der Kalte Krieg tatsächlich heiß zu werden drohte.

Was aber passiert, wenn die Atomwaffenarsenale tatsächlich zum Einsatz kommen sollten? Damit haben sich aus wissenschaftlicher Sicht in erster Linie Atmosphärenforscher beschäftigt. Eine der ersten Arbeiten stammt vom späteren Nobelpreisträger Paul J. Crutzen, dem Mitentdecker des Ozonlochs und dem Erfinder des Begriffs Anthropozän. Er kam 1982 mit einem Kollegen zum Schluss, dass es nach einem atomaren Schlagabtausch zu enormen Bränden und in der Folge einer fatalen Freisetzung von Stickoxiden und Sauerstoffradikalen kommen würde. Das wiederum würde zu einer mehrjährigen Abkühlung der Erde und zu einem Zusammenbruch der Nahrungsmittelproduktion auf der nördlichen Hemisphäre führen.

"Nuklearer Winter"

Ein Jahr später legte der Klimaforscher Richard Turco mit Kollegen im Fachblatt "Science" eine bahnbrechende Modellrechnung vor, die auch begriffsbildend wurde: Turco und seine Kollegen prägten damals die Bezeichnung "nuklearer Winter" für eine radikale Abkühlung der Erde auf Temperaturen von minus 15 bis minus 25 Grad Celsius. Diese sogenannte TTAPS-Studie wurden in den Modellrechnungen seither immer wieder leicht modifiziert, aber weitgehend bestätigt – so etwa auch in einem Bericht des Goddard-Instituts für Weltraumforschung der Nasa im Jahr 2007.

Die neueste Modellrechnung stammt von einer Gruppe um Joshua Coupe (Rutgers University), die sich ebenfalls ganz auf die Klimafolgen aufgrund eines Atomkriegs beschränken. (Würden etwas mehr als die Hälfte der Atombomben in Großstädten detonieren, dürften allein dadurch rund drei Milliarden Menschen sofort getötet werden.)

Laut den Simulationen von Coupe und seinen Kollegen, die im Wesentlichen die älteren Modellrechnungen bestätigen, würden die nuklearen Detonationen etwa 147 Millionen Tonnen Ruß in die Atmosphäre blasen – und zwar so hoch, dass sie sich in der Stratosphäre verteilen und die Sonne verdunkeln würden. Dazu gibt es auch ein anschauliches Video:

Dinge Erklärt – Kurzgesagt

Sieben Jahre Dunkelheit

Wie die Forscher in der jüngsten Ausgabe des Fachblatts "Journal of Geophysical Research: Atmospheres" schreiben, würden die globalen Temperaturen im ersten Jahr nach der Katastrophe um sieben Grad Celsius sinken, um dann in der permanenten Dunkelheit um weitere neun Grad zu fallen. Zusätzlich würde eine Reduktion der Niederschläge die Produktion von Lebensmitteln nachhaltig erschweren. Erst nach rund sieben Jahren würde sich der Ruß und damit auch der nukleare Winter wieder einigermaßen verziehen.

Das Resümee der Autoren möge man bitte auch den beiden eingangs erwähnten Präsidenten zur Kenntnis bringen: Ein nuklearer Angriff und die daraus resultierende Umweltkatastrophe wäre in jedem Fall auch für jenes Land selbstmörderisch, das ihn startet. (tasch, 23.8.2019)