Cholesterin ist ein wichtiger Bestandteil der Zellwände und dient als Baustein bei der Herstellung von Hormonen. Befindet sich zu viel davon im Blut, drohen Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Über die Risiken von Cholesterinsenkern streiten Forscher seit Jahren, die Debatte wurde zuletzt auch über die renommierten Fachmagazine The Lancet und British Medical Journal ausgetragen. Zurück bleiben verunsicherte Patienten. "Die Diskussion über Sinnhaftigkeit und Nebenwirkungen von Cholesterinsenkern ist durch ständige Fehlinformationen verseucht. Das betrifft beide Seiten: die 'Lipid-Lobbyisten' und jene, die von der sogenannten Cholesterinlüge sprechen", sagt der Salzburger Internist und Kardiologe Jochen Schuler.

In diesem Zusammenhang fällt auch immer wieder der Name des Medikaments Lipobay. Nach vermehrten Todesfällen nahm der Arzneimittelhersteller Bayer das Mittel im August 2001 vom Markt. Die Muskeln mancher Patienten hatten sich regelrecht aufgelöst, weltweit wurden über hundert Todesfälle mit Lipobay in Verbindung gebracht. "Es kam etwa bei drei von einer Million Verschreibungen zu schweren Schädigungen der Skelettmuskulatur", ergänzt Markus Zeitlinger, Leiter der Abteilung für Klinische Pharmakologie an der Med-Uni Wien. Bei allen derzeit auf dem Markt erhältlichen Statinen sei diese schwere Nebenwirkung allerdings viel seltener, "mehr als um den Faktor zehn."

Wer Statine einnimmt, sollte jedenfalls beobachten, ob Muskelschmerzen auftreten. Ist das der Fall, lässt sich der gefühlte Schmerz durch Messung des Enzyms Creatin-Kinase (CK) im Labor überprüfen. Mehr CK-Aktivität im Blut kann ein Hinweis auf geschädigte Muskelzellen sein.

Muskelschwäche, Krämpfe

Zeitlinger bewertet Statine grundsätzlich als eine "sehr potente Substanzgruppe". In erster Linie handle es sich bei den möglichen Nebenwirkungen um Muskelbeschwerden, etwa leichte Muskelschwäche oder Muskelkrämpfe. "Diese Nebenwirkungen treten bei bis zu zwei Prozent der Patienten auf, die Statine einnehmen", erklärt der Internist. Auch Schuler bestätigt: "Die Cholesterinsenker sind sehr sichere Medikamente, vor allem im Verhältnis zu der großen Anzahl von Menschen, die sie einnehmen. Man muss klar sagen, dass es sich um keine Hochrisikomedikamente handelt."

Nebenwirkungen können auch durch den sogenannten Nocebo-Effekt hervorgerufen werden, der laut Schuler besonders bei Statinen sehr ausgeprägt sei. Das heißt: Wer im Vorhinein über mögliche Nebenwirkungen Bescheid weiß, entwickelt diese auch eher. "Menschen beziehen das Nebenwirkungsprofil eines Medikaments in das Behandlungssetting mit ein. Sie haben selbst oder von anderen gelernt, dass es dieses Problem gibt und reproduzieren es", sagt Schuler.

Neben Muskelbeschwerden werden Statine auch immer wieder mit Diabetes mellitus in Verbindung gebracht. "Dazu gibt es große retrospektive Studien. Pro fünf durch die Einnahme von Statinen verhinderte Herzinfarkte muss man einen Fall von Diabetes mellitus in Kauf nehmen", sagt Zeitlinger. Schuler sieht das etwas anders: Es gebe zwar mehrere Hinweise, dass Cholesterinsenker auf lange Sicht das Risiko für Diabetes erhöhen, die Beweislage sei allerdings dünn.

Wechselwirkungen beachten

Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zählen zu den potenziellen Gesundheitsrisiken. "Statine können Arzneimittelinteraktionen verursachen, in erster Linie über die Leber", erklärt Zeitlinger. Schuler relativiert: "Insgesamt wird das Interaktionsrisiko bei den Statinen aber eher überschätzt. Vor allem bei Simvastatin kann es zu Wechselwirkungen kommen, bei den anderen Wirkstoffen weniger."

Beispiele für interagierende Medikamente sind etwa der schmerzstillende Wirkstoff Diclofenac, Azole gegen Pilzinfektionen und Antibiotika wie Makrolide. Auf Zitrusfrüchte wie Grapefruit sollten Betroffene ebenfalls verzichten. Sie hemmen das Enzymsystem, dadurch wird das Medikament langsamer im Körper abgebaut. Das führt dazu, dass sich die Blutfettsenker ungewollt anhäufen. Ein größeres Problem sei Schuler zufolge, dass Statine oft ausschließlich wegen erhöhter Cholesterinwerte verschrieben werden. "Wer sich primär daran orientiert, medikalisiert und behandelt viele Menschen unnötig." (Maria Kapeller, 24.8.2019)