Cersei Lannister tut es, Don Draper kann darauf nicht verzichten, Patrick Melrose badet im Bourbon, Homer Simpson vertraut darauf, die lustigen Freunde aus How I Met Your Mother treffen einander regelmäßig zu Tratsch und Drink. Ihr Objekt der Begierde: Alkohol, glas-, kelch-, flaschen- oder krugweise, sooft es geht, zu jeder Zeit, bei jedem Anlass.

Auffallend oft greifen Charaktere in TV-Serien zur Flasche. Sie trinken aus allen möglichen Gründen, meistens tun sie es – und so sehen wir sie – aus Gewohnheit. Kapitalräusche, wie die legendären Patrick-Melrose-Besäufnisse sind eher selten. Hier ein Brandy, dort ein Likörchen, Schampus, Prost! Kurz und gut: Serien haben ein Alkoholproblem.

Patrick Melrose lieferte Kapitalräusche.
Foto: Sky

Das bestätigt auch die Suchtexpertin Gabriele Fischer. "Bei ungefähr der Hälfte aller Serien sieht man Figuren, die regelmäßig Alkohol konsumieren."

Alkoholkranke Menschen sind am "Toleranzbruch" zu erkennen, definiert Fischer. "Wenn Personen immer mehr, immer früher trinken, etwa um Entzugsbeschwerden zu behandeln. Bei den Serienhelden geht es mehr um die Imagefrage. Während Qualmen in Film, Fernsehen und Bewegtbild mehrheitlich Bösewichten überlassen bleibt, ist eine charakterliche Einordnung beim Alkohol nicht so eindeutig möglich.

Herr und Frau Draper trinken in "Mad Men" gerne mehr als nur ein Likörchen.
Foto: AMC

Die verkommene Kreatur trinkt genauso wie die makellose Schönheit. In Game of Thrones stimmte der Rotwein Regentin Cersei nicht milde. Homer Simpson würde Haus und Couch hergeben, um zu beweisen, dass sein Bier nicht deppert ist.

Laut einer Studie im Auftrag des deutschen Bundesgesundheitsministeriums ist in sechs von zehn TV-Sendungen Alkohol zu sehen, in vier von zehn Sendungen wird er konsumiert. Bei ausschließlich fiktionalen Formaten ist der Anteil noch höher: Mit 95,8 Prozent wurde in fast jedem Spielfilm, der untersucht wurde, Alkohol getrunken. Bei Serien lag der Anteil bei 61,2 Prozent, bei Seifenopern bei 45,8 Prozent. Eine "Anleitung zum Trinken" beobachtet die Psychiaterin vom Wiener AKH in Fernsehserien seit Dallas und Denver Clan. Inzwischen beobachtet sie mehr Serienfrauen beim Trinken. Aktuelles Beispiel: Im Netflix-Film Otherhood werden drei Mütter, gespielt von Felicity Huffman, Patricia Arquette und Angela Bassett, am Muttertag von ihren Söhnen versetzt.

Frust wegtrinken

Den Frust über ihr Schicksal ertränken sie zunächst in Whisky. "Ein Ritual", sagt Fischer und ist geneigt, den Damen zu verzeihen. Weniger lustig findet sie es, dass die drei dann trunken Auto fahren: "Das ist eine befremdliche Darstellung."

Patricia Arquette (li.), Angela Bassett und Felicity Huffman haben ihren Bourbon schon intus.
Foto: Netflix

Dass die promillehaltigen Serienfreunde die Zuschauer zum Trinken verleiten, will Fischer nicht ausschließen, besonders wenn der fiktionale Alkohol in erstrebenswerten Kreisen fließt: "Es hat schon animierenden Charakter, wenn man sich in diese Welt des Establishments hineindenken kann."

Bilden Serien die Realität ab? "Es gibt eine gewisse Häufigkeit von Männern, deren Alkoholkrankheit schon in jungen Jahren beginnt", sagt Fischer – siehe zum Beispiel Patrick Melrose. Trinkende Frauen in der Lebensmitte sind Fischer ebenso bekannt – selten zwar mit Bourbon zu Mittag, wie in Otherhood, sondern immer öfter mit Prosecco beim Friseur am Vormittag. Zu den gefährdeten Gruppen gehörten darüber hinaus immer mehr von Armut bedrohte Menschen. Gesicherte wissenschaftliche Daten fehlen in Österreich, darüber hinaus gibt es – fast einzigartig – keinen nationalen Suchtplan mit klaren Anleitungen, wie mit Diagnostik und Therapie umzugehen ist. "Das sagt etwas über die Bagatellisierung von Alkohol aus", schlussfolgert Fischer.

Mundls Bier war nicht deppert.
Foto: ORF

Die Vermutung liegt nahe, dass es sich beim Seriensuff um Lösungsansätze unter Drehbuchautoren handelt. Über den Konsum von vergorenen, gebrauten oder gebrannten Getränken wird versucht, eine gewisse Atmosphäre darzustellen. Bierflaschen können Gemütlichkeit signalisieren, der Brandy aus der schweren Bleikristallkaraffe ein scharfes Detail ankündigen, der Schampus den Zuschauern Prickeln vermitteln. "Es passt gut in die Dramaturgie, Szenen zu überzeichnen. Alkohol schränkt die Kritikfähigkeit ein. Das dient einer Szene zur Lockerung einer Situation", sagt Fischer. (Doris Priesching, 24.8.2019)