Bild nicht mehr verfügbar.

Die illegale Migration nach Österreich ist im Vorjahr stark zurückgegangen.

Foto: Karl Schöndorfer / picturedesk

Eigentlich müsste der "Lagebericht Schlepperei", den das Bundeskriminalamt jedes Jahr herausbringt, einen anderen Titel tragen. Denn auch der jüngste Bericht, der am Freitag für das Jahr 2018 präsentiert wurde, behandelt vielmehr Aspekte der Migration abseits legaler Zuwanderung. Nur ein kleiner Teil der Menschen, die in Österreich ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen wurden, sind von Schleppern ins Land gelotst worden.

Der Untertitel des Berichtes liefert die Kernaussage: "Rücklauf bei illegaler Migration" – teilweise sogar beträchtlich. Die Gesamtzahl von illegal in Österreich aufhältigen Personen ist im Vergleich zu 2017 um 23,5 Prozent zurückgegangen, insgesamt 21.236 wurden im Vorjahr ohne gültige Papiere aufgegriffen. In diese Zahl sind auch Personen eingerechnet, die zwar legal eingereist, deren Aufenthaltstitel oder Visa aber inzwischen abgelaufen waren. Im langjährigen Vergleich ist das jedenfalls der niedrigste Wert seit 2010. Ausreißer waren die Jahre 2015 (94.262 Aufgriffe) und 2016 (50.848).

Aufgriffe in der Josefstadt

In der Auflistung der Bezirke, wo die meisten Aufgriffe stattfanden, gibt es eine kleine Überraschung: Nach den Bezirken Innsbruck-Land, Kufstein, Bruck an der Leitha und Baden rangiert der eher noble Wiener Kleinbezirk Josefstadt landesweit an fünfter Stelle. Auf STANDARD-Nachfrage im Bundeskriminalamt wird der hohe Wert von 1.291 Aufgriffen im achten Wiener Gemeindebezirk mit dem dort befindlichen Polizeianhaltezentrum (PAZ) erklärt. Bei betroffenen Personen wurde eben erst im PAZ am Hernalser Gürtel amtlich dokumentiert, dass sie über keine gültigen Papiere verfügten.

Die Gründe für den Rückgang der illegalen Migration sieht das Bundeskriminalamt unter anderem im Rückgang der Kriegshandlungen in Syrien und am Festhalten der Türkei an dem mit der EU ausverhandelten Migrationspakt. Die sinkenden Zahlen des Jahres 2018 dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein erhebliches Migrationspotenzial in Afghanistan vorhanden sei. Solange die USA mit ihren verbündeten Staaten in Afghanistan militärisch wirksam sind, werde sich an dieser Situation kaum etwas ändern, heißt es im Lagebericht.

Italien und Spanien

Aufgrund der restriktiven Politik in Italien sei auch der Migrationsfluss aus Libyen Richtung Europa stark rückläufig. Angesichts der spanischen Migrationspolitik sei jedoch 2018 ein erheblicher Zustrom von Migranten aus Afrika, insbesondere aus Nordafrika, über das westliche Mittelmeer Richtung Europa zu verzeichnen gewesen. Schleppernetzwerke aus Afrika nutzten die Situation, um Migranten aus Libyen und der Sahelzone über Marokko nach Spanien zu schleppen.

Diese generelle Einschätzung über den Rückgang von Flüchtlingen aus Krisengebieten korrespondiert auch mit der Nationen-Auflistung von aufgegriffenen Personen. Bei Pakistanis gab es ein Minus von 67 Prozent, bei Afghanen waren es um 47 Prozent weniger, bei Syrern um 40 Prozent. Auch Aufgriffe von Menschen aus Marokko und Nigeria gingen um rund 40 Prozent zurück. Einen Anstieg hingegen weist der Bericht bei Aufgriffen von illegal im Land befindlichen Polen, Rumänen, Albanern, Serben, Mazedoniern und Iranern aus.

Bis zu zehn Jahre Haft

Die meisten ertappten Schlepper, und hier wird der Bericht auch strafrechtlich relevant, kamen aus Österreich. Neben 29 heimischen Verdächtigen wurden 16 Staatsangehörige aus dem Irak, 15 aus Pakistan, 13 aus Italien und 13 aus Syrien als mutmaßliche Schlepper verhaftet – insgesamt waren es 223, um eine Person mehr als 2017. Schleppern drohen, wenn sie das Leben von Menschen gefährden, was bei Transporten in überfüllten Lkws immer der Fall ist, bis zu zehn Jahre Haft.

Personen, die Schlepperdienste in Anspruch nehmen, begehen laut dem Schlepperei-Paragrafen im Fremdenpolizeigesetz keine Straftat. Dafür wurden aber in jüngerer Vergangenheit immer wieder Menschen, die papierlose Migranten etwa im Auto mitgenommen oder ihnen vorübergehend eine Unterkunft gaben, unter Schlepperverdacht gestellt. Menschenrechtsorganisationen kritisieren diese umstrittene Auslegung des Schleppereiparagrafen 114.

70 Prozent weniger "Geschleppte"

Der Lagebericht des Bundeskriminalamtes lässt darauf schließen, dass das Geschäft der Schlepper mit der Destination Österreich eingebrochen ist. Die Zahl von aufgegriffenen Personen, die "geschleppt", also ins Land geschmuggelt wurden, ist im Vorjahr um fast 70 Prozent zurückgegangen. 2.843 Menschen gaben an, Schlepper bezahlt zu haben. 2017 waren es noch knapp 9.000 gewesen. Befragungen hätten ergeben, dass sich Österreich nicht mehr unter den Top-Fünf-Zielländern für Schlepper befinde, bestätigt Gerald Tatzgern, der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt.

Für Österreich waren 2018 drei Schleppungsrouten von Relevanz: Die östliche Mittelmeerroute beziehungsweise westliche Balkanroute führt von Pakistan und Afghanistan durch den Iran in die Türkei und weiter über Bulgarien oder Griechenland Richtung West-, Zentral- und Nordeuropa. Die zweite, die westliche Mittelmeerroute, hat ihren Ausgangspunkt in Marokko, wobei die Flüchtlinge hier versuchen, über den Seeweg nach Spanien zu gelangen. Die dritte Route, die zentrale Mittelmeerroute, hat ihren Ursprung in den Staaten Nordafrikas, insbesondere Libyen, und führt ebenfalls über den Seeweg. (Michael Simnoer, 23.8.2019)