Magdalena Lobnig: "Die Besten mögen es, wenn der Schmerz kommt. Die meisten hören auf, weil sie den Schmerz nicht mehr ertragen."

Foto: ÖOC/GepaPictures

Ab Sonntag bis 1. September messen sich auf einem Altarm der Donau in Ottensheim die besten Ruderer. Mit Magdalena Lobnig hat Österreich eine Medaillenanwärterin. Sie steigt am Sonntag mit dem Vorlauf im Einer in die Titelkämpfe ein, die vom tödlichen Unfall des Pararuderers Dimitri Ryschkewitsch überschattet sind. Der Weißrusse kenterte am Mittwochmittag nach einem Defekt an seinem Boot und konnte erst nach drei Stunden tot aus dem Wasser geborgen werden.

STANDARD: Die Ruder-WM hat mit einem tödlichen Trainingsunfall denkbar schlecht begonnen. Wie geht man als Sportlerin damit um?

Lobnig: Ein schrecklicher Unfall, eine Tragödie. Die ganze Ruder-Familie ist zutiefst betroffen. Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe, ausklammern kann man so einen Vorfall aber nicht.

Standard: Haben Sie Rudern bisher als gefährlich erlebt?

Lobnig: Wenn ich im Herbst allein auf der Drau trainiere, überkommt mich in der Nebelsuppe schon mal ein mulmiges Gefühl. Wenn du dort reinfällst, findet dich keiner mehr. Ich versuche, relativ nahe am Ufer zu bleiben.

STANDARD: Sie sind bestimmt eine gute Schwimmerin.

Lobnig: Ja, aber das Wasser ist saukalt, hat eine Temperatur von 14 Grad, das kann ungemütlich werden. In der Drau gibt es immer wieder Strudel. Ans Ufer zu schwimmen kann schwieriger sein, als man sich das vorstellt. Ungefährlich ist das nicht.

Standard: Wie leicht kentert ein Ruderboot?

Lobnig: Im Einer kann das relativ schnell passieren. Man schaut beim Rudern ja nicht in Fahrtrichtung. Wenn man über ein Holz fährt, kann das Boot beschädigt werden und kentern. Dann ist das Boot weg, und man muss zum nächsten Ufer.

Standard: Welche Sicherheitsvorkehrungen treffen Sie, wenn Sie allein trainieren?

Lobnig: Ich nehme mein Handy in einem wasserdichten Sack mit. Dadurch fühle ich mich abgesichert. In Völkermarkt ist ja nicht immer ein Fischer in der Nähe.

Zuerst brennt die Lunge, dann schmerzen die Beine. Der Rudersport treibt Profis wie Magdalena Lobnig an ihre Grenzen. In Ottensheim starten 1200 aus 80 Nationen.
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Standard: Sie waren zuletzt gesundheitlich angeschlagen. Wie sehr hat das Ihre Vorbereitung durcheinandergewirbelt?

Lobnig: Extrem. Ich hatte zuvor gut trainiert, habe mich sehr stark gefühlt. Dann wurde ich krank. Die Muskeln freuen sich über eine Pause. Aber der Aufbau kostet Energie und zehrt vor einer Großveranstaltung an den Nerven. Mein Puls ist erhöht. Das Minimalziel ist der Finaleinzug, also die Olympiaqualifikation.

Standard: Betreiben Sie als zweifache WM-Medaillengewinnerin nicht Understatement?

Lobnig: Natürlich strebe ich eine Medaille an. Aber es läuft noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Ich muss sehen, ob ich die Maschine anwerfen kann. Man muss schwer auf der Hut sein, man darf sich keinen Fehler leisten.

Standard: Die Rennen werden immer enger. Sie wurden im Juni in Luzern EM-Vierte mit knapp zwei Sekunden Rückstand – bei einer Fahrtzeit von gut sieben Minuten.

Lobnig: Einige Frauen sind auf ähnlichem Niveau unterwegs. Das wird eine enge Kiste. Alles ist möglich, von einem verpassten Finale bis zum Weltmeistertitel. Ich möchte den Endlauf mit so wenig Aufwand wie möglich erreichen.

Standard: Wie stark orientiert man sich an den Konkurrentinnen?

Lobnig: Ich konzentriere mich in erster Linie auf mich selbst. Ich muss in mein System, in meinen Ruderschlag finden. Bei 500 Metern schaue ich mal rüber, bei 1000 Metern auch. Man darf sich nicht vom Rhythmus der anderen stressen lassen, muss aber an die eigene Schmerzgrenze gehen. Rudern ist ein harter Sport.

Standard: Muss man dafür masochistisch veranlagt sein?

Lobnig: Man muss einiges aushalten. Das kann man nicht lernen, das ist angeboren. Der Wille muss da sein. Die Besten mögen es, wenn der Schmerz kommt. Die meisten hören auf, weil sie den Schmerz nicht mehr ertragen.

Standard: Was tut Ihnen weh?

Lobnig: Als Erstes spürt man die Lunge. Ganz schlimm wird es auch in den Beinen. Die Beine sind der Motor, sie übernehmen 75 Prozent des Ruderschlags. Die meisten denken, wir rudern aus den Armen.

Magdalena Lobnig im US-Sender ESPN über ihren Sport.
maddalena lobchick

Standard: Sie haben in einer TV-Doku gesagt, man kann lustig oder schnell sein. Sie sind schnell.

Lobnig: Das war überspitzt formuliert. Man entwickelt sich im Training über die Regeneration. Diese Zeit muss man vernünftig planen. Ich kann nicht auf jedem Kirchtag tanzen.

Standard: Dafür rudern Sie jährlich 4000 Kilometer. Wird das nicht irgendwann langweilig?

Lobnig: Ich rudere weniger als andere. Ich brauche Abwechslung. Die Monotonie halte ich nicht aus, ich brauche verschiedene Reize. Wenn ich zwei Einheiten pro Tag einlege, gehe ich am Nachmittag lieber auf dem Berg laufen oder setze mich aufs Fahrrad. Ich will nicht so viel rudern.

Standard: Sie haben bereits WM- und EM-Medaillen. Nur ein olympischer Erfolg fehlt noch. Sind die Spiele in Tokio 2020 das übergeordnete Ziel?

Lobnig: Rio 2016 war nett, ich war Sechste im Finale. Ich habe aber nicht liefern können. Das war eine große Enttäuschung. Jetzt bin ich stabiler. Ich hoffe, dass ich in Tokio zuschlagen kann. In den vergangenen elf Rennen war ich neunmal auf dem Podest. Die Statistik spricht für mich. (Philip Bauer, 24.8.2019)